Archiv der Kategorie: Chronologie der Scheidinger Schulgeschichte Teil 1: 1658 – 1839

Chronologie der Scheidinger Schulgeschichte 1648 – 1989

 Chronologie

der

Scheidinger Schulgeschichte

1648 – 1968

 

Abb. 1: Alte Schule in Scheidingen

Teil 1: 

1658 – 1839

Erläuterndes zur Einleitung

Ich ging nie in meinem Heimatort Scheidingen zur Schule, denn zu meiner Zeit gab es diese Bildungseinrichtung im Ort nicht mehr. Ob es ein identitätsstiftender Verlust war, konnte ich so abschließend nicht formulieren, aber ein Stück Dorfverbundenheit blieb der Lebenserfahrung versagt. Verwandte, Bekannte meiner Großmutter und ganz allgemein alteingesessene Scheidinger kamen bei passender Gelegenheit immer wieder einmal auf die Schulgeschichte mit ihren zahlreichen Anekdoten zu sprechen, jedoch ohne mein Zutun, dieser Umstand musste beseitigt werden und daher widmete ich mich dieser Ausarbeitung, um zukünftig einfach nur schulgeschichtliche Informationen bei Gesprächen, Anfragen oder bei wie auch immer gelagerten Festivitäten mit Rückgriff auf die Heimatgeschichte liefern zu können.

Im ersten Teil meiner Datensammlung, und aus Gründen der Übersicht und des besseren Zugreifens auf die Informationen ist diese Ausarbeitung in großen Teilen chronologisch gehalten, werden wichtige Ereignisse und Personen mit der Nähe zur schulischen Dorfgeschichte in der Frühen Neuzeit aufgelistet, wobei bei Notwendigkeit und Passung auch der übergeordnete Blickwinkel Anmerkungen von außen in die ostwestfälische Gemeinde Scheidingen werfen soll. Expressis verbis der Zeitraum von 1658 bis in den Biedermeier hinein wird hier in Chronologie thematisiert. Bilder, Urkunden, Protokolle oder Zeitungsartikel zur Scheidinger Schulgeschichte ergänzen meine Ausführungen, beanspruchen aber nicht das Privileg des Alleinvertretungsanspruches oder gar der Vollständigkeit. Eine totalitäre Souveränität ist der Ausarbeitung abzusprechen, wie jeder Ausarbeitung. Aber nun geht es los mit der Schule in der Frühen Neuzeit.

 

Abb. 2: Der Küster bei der Arbeit.

Die Dorfbevölkerung erhielt eine Grundbildung in der Küsterschule, die – und daher auch der Name – dem für diese Gemeinde zuständigen Küster unterstand. Diese katechisierende Bildungseinrichtung war in der frühen Neuzeit der Vorläufer der späteren Volksschule und in den ländlichen Regionen Mitteleuropas weit verbreitet, insbesondere in den lutherisch geprägten Kirchengemeinden. Vereinzelt wurde diese Bildungseinrichtung auch als Pfarrschule bezeichnet oder bildete deren Abzweig. Die grundlegenden Kulturtechniken waren im Fächerkanon fest verankert, allerdings auch nur diese Bildungen. Der Küster, ohnehin zeitlich eingespannt in den Arbeitskatalog des Pfarrers, war helfende Hand bei der Katechese, rekrutiert für die Organistenrolle in der Kirchengemeinde oder als Justizgehilfe, also in der Hausmeisterfunktion der frühen Neuzeit voll eingebunden. Und als Gegenleistung konnten gelegentlich herausragende Schüler in den Genuss eines Lateinunterrichts kommen beim Pfarrer, möglicherweise mit der späteren Delegation in ein theologisches Konvikt. Die Begabtenförderung oder die Formung elitärer Bildungsschichten standen nicht in der Intention dieser dörflichen Grundbildung1.

 

Abb. 3: Abbildung 3: Orbis sensualium pictus (Die sichtbare Welt). 1658

Die Voraussetzungen für eine zielorientierte und situationsabhängige Pädagogik waren auch nicht gegeben, denn die Küster waren – von Ausnahmen natürlich abgesehen –  angelernte Hilfskräfte, die ihren Schwerpunkt in den Elementartechniken wie Lesen, Schreiben oder Rechnen besitzen mussten zur niedrigschwelligen Wissensvermittlung, ergänzt um eine fundierte Religiosität. Ohnehin waren durch die überschaubaren Entgeltzahlungen die Kandidaten rar gesät für diesen Bildungsposten. Die Glücklicheren erhielten da noch ein regelmäßiges Monatseinkommen, finanziert über die jeweilige Gemeindekasse, und manchmal durfte sich der Küster einer lebensmitteltechnischen Zugabe durch die Kirchspielbewohner erfreuen in Form von Eiern, Würsten oder dergleichen. Das Wort Pädagogik hatte noch keine große Entfaltungsmöglichkeit, als handlungsorientierte Sozialwissenschaft die Erziehungslehre offiziell noch nicht mit Curriculumbausteinen ausgestattet in den Katechisierungsschulen. Dass das mit der Bildungswertigkeit zur unterdurchschnittlichen Note tendierte, lag aber nicht an möglichen Geburtsfehlern, denn schon bei den antiken Griechen argumentierten die Sophisten wie Sokrates, Platon oder Aristoteles für die Bildung, und die artes liberales vom römischen Polyhistor Varro standen dem nicht nach und lieferten eine antike, gehaltvolle Bildungstradition. Die Bildung existierte auch im

Abb. 4: Examen um 1500″. Statutenbuch des Collegium Sapientiae Johannes Kerer

 Mittelalter, war jedoch dort zentriert auf die Klerikerausbildung oder punktuell integriert in die adlige Erziehung, also den Privilegierten der Ständegesellschaft zugeordnet und daher von geringer flächendeckender Erscheinung. Ein Qualitätsanstieg war erst mit der Renaissance, dem Humanismus, der Aufklärung und der Schulpflicht als deren verwaltungsorganisatorische Schlussfolgerung zu beobachten.2

In meiner Heimatgemeinde Scheidingen war – zumindest nach aktueller Quellenlage – im Kirchenbuch von 1658 mit dem Eintrag vom 3. Februar erstmalig die Bezeichnung Küster und Schullehrer nachzulesen. Im Jahr 1687 wir ein Hermann Basterdes aus Arnsberg als Küster und Schulmeister genannt. Bis 1794 wurde der Schulunterricht in der dortigen Küsterei durchgeführt. Wie andernorts üblich, hatte sich auch in Scheidingen die sogenannte Winterschule durchgesetzt, da die Kinder für die Ernteeinsätze unabdingbar waren. Namentlich kann für meine Heimatgemeinde Johann Vickermann am 1. Oktober 1710 Erwähnung finden, er war da er stolze 53 Jahre als Küster und Lehrer in der vor Ort typischen Personalunion tätig war. Und seine Dienstzeitdauer erhielt nur deshalb keine weiteren Zuschläge, da er im Seuchenjahr 1761 am 8. Okt. in der Endphase des Siebenjährigen Krieges in Ausübung seines Berufes verstarb3.

Grundsätzlich zeigten sich im 18. Jahrhundert in Scheidingen – wie in ganz Westfalen auch – die Eigenarten der durch den preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. initiierten Schulpflicht. Wie hieß es doch am 28. September 1717 in dem Erlass mit durchaus aufklärerischer Note:

„Wir vernehmen missfällig und wird verschiedentlich von denen Inspectoren und Predigern bey Uns geklaget, dass die Eltern, absonderlich auf dem Lande, in Schickung ihrer Kinder zur Schule sich sehr säumig erzeigen, und dadurch die arme Jugend in grosse Unwissenheit, so wohl was das lesen, schreiben und rechnen betrifft, als auch in denen zu ihrem Heyl und Seligkeit dienenden höchstnötigen Stücken auffwachsen laßen..“3

 

Abb. 5: Königliche Verordnung zur Einführung der Allgemeinen Schulpflicht in Preußen 28. Sept. 1717

Das Problem der Winterschulen ging der Soldatenkönig – wohlwissend um die Notwendigkeit der Erntehelferdienste – an, indem er zumindest die Empfehlung aussprach zum Besuch der Sommerschule, da sonst der Lernstoff aus den Wintermonaten in Vergessenheit geriete. Nun zeigt sich der wahre Grund der ausbaufähigen Pädagogik in den Schulen. Der Soldatenkönig ließ mit majestätischem Habitus das Baumaterial für die Schulen kostenlos zur Verfügung stellen, aber der laufende Schulbetrieb sollte nach Möglichkeit wenige Kosten verursachen, so dass ausgediente Soldaten oder Tagelöhner für ein kleines Entgelt den Unterrichtsalltag organisierten, allerdings dann auch nur mit kleinem Erfolg.  Hier zeigte sich die negative Seite seines berühmten Geizes4, obwohl er auf diesem Gebiet eine staatsmännische Haltung einnahm:

„Dieses ist alles nichts! (…) Denn wenn ich baue und verbessere das Land und mache keine Christen, so hilft mir alles nichts…“5

Die nachfolgenden Daten geben einen chronologischen Überblick zu weiteren Ereignissen, die einen Einfluss auf die Scheidinger Schulgeschichte hatten:

  • Das preußische Edikt vom 2. Mai 1736 äußerte sich zur Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit der Dorfküster und Schulmeister. Es war eine erste Maßnahme, um das Hauptaugenmerk auf den Unterrichtsalltag zu legen und somit zumindest einen täglichen Zeitrahmen für einen qualitativ vertretbaren Unterricht zu gewährleisten.

    Abbildung 6: Deklaration zur Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit der Schulmeister und Dorfküster vom 2 Mai 1736
  • Am 4. Juli 1753 erfolgte das Richtfest des Scheidinger Küster- und Schulhauses. Der bis dahin organisierte Unterricht wurde im Pastorat erteilt.
  • Das neue Gebäude ist erst am 8. April 1754 bezugsfertig. Die Scheidinger und Illinger Schüler werden hier gemeinsam unterrichtet.
  • Ziemlich sehr genau ein Jahr am 8. April 1755 danach gab es die offizielle Wohnübergabe an den zuständigen Küster.
  • Von 1761 bis 1766 war der Küster Florenz Josef Böddiker in Scheidingen tätig. Ein Lageplan veranschaulichte die örtlichen Begebenheiten, die Böddiker vorfand. Die Ära Johann Vickermann konnte er mit viel Engagement und diplomatischem Geschick aus dem Schulalltag heraushalten ohne unnötige Grabenkämpfe. Am 25. September 1766 verstarb daher ein Küster namens Böddiker mit eigenem Profil und Ehrerbietung durch die Scheidinger.
  • Abb. 7: Lageplan der örtlichen Begebenheiten. Schulzimmer, Küsterei, Schullokal von 1794 und 1847 Schule von 1892
  • In Personalunion bekleidete ein Bernhard Christoph Hauhs die Küster-, Organisten – und Lehrerstelle in Scheidingen von 1766 bis 1818. Der in Sümmern bei Iserlohn geborene Hauhs setzte sich mit dieser biblischen Arbeitsdauer ein Denkmal bei den Scheidingern, auch seines Krämerladens wegen. Für etliche Lehrbuchhistoriker sind die abgebildeten Buchseiten eine Fundgrube, denn auch in der Frühen Neuzeit gab es das ABC-Buch für Kinder, hier eine Ausgabe von 1782, mit der vermutlich Küster Hauhs oder in ähnlicher Ausgabe arbeitete. Wie am Beispiel des Apfels ersichtlich, legten die frühneuzeitlichen Schuldidaktiker Wert auf illustrierende Erklärungen.

                                   

                                      Abb. 8 und 9: ABC Buch für grosse Kinder, 1792

  • Seit 1794 waren Bautätigkeiten zu verzeichnen, u.a. ein Klassenzimmeranbau an das nördliche Ende des Küstereigebäudes (siehe vorerwähnten Lageplan).  Der damalige Pfarrer Sauer und der Dorfvorsteher Schanzmann sammelten hierfür eigens Baumittel jeglicher Art. Die Bauarbeiten zogen sich bis 1806 hin und verdeutlichten aber, dass vor Ort keine merkliche Lobby existierte für organisatorische Rahmenbedingungen und vermutlich Küster Hauhs nur pro reverentia bedacht wurde mit den von ihm initiierten Baumaßnahmen. Ohnehin hatte Hauhs in seinen
    Abb. 10: Erste Scheidinger Schule

    letzten Lebensjahren Hilfskräfte an seiner Seite, u. a. einen Gaudenz Vickermann, den späteren Konrektor der Werler Schule. Die nebenstehende Abbildung zeigt die Küsterei zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach Abschluss der mehrjährigen Bauarbeiten.

  • 1818 ging eine Ära zu Ende, denn der langjährige Schulmeister Hauhs wurde verabschiedet. Dessen Schwiegersohn Adolf Ammermann, aus dem münsterländischen Heessen, übernahm die Regie. Diese Personalie war auch ein Zugeständnis an die Institution Hauhs, der jahrzehntelang das soziale Leben als
    Abbildung 11: Kramerladen Ammermann vormals Hauhs

    Lehrer, Küster und Kramerladenbesitzer wesentlich geprägt hatte. Die Arbeiten am Schulhaus wurden unter Ammermann fortgesetzt. Belegt ist aus dieser Zeit zum Beispiel eine Rechnung in Höhe von 44 Talern und 36 Silbergroschen für Baumaterial, ausgestellt auf den Bürger Ostermann aus der Nachbargemeinde Wambeln. Oder ein Scheidinger Handwerker namens Spiegelberg nahm 1819 für Schulhausarbeiten 4 Taler und 30 Silbergroschen. Auch der Scheidinger Bürger Eberhard Schulte verlangte für Bretter und Bohlen 3 Taler und 31 Silbergroschen, ebenfalls 1819 ausgestellt6. Die aus diesem Jahr vorliegenden Rechnungen zeigen zudem, dass die noch unter Hauhs begonnenen Arbeiten nie zu einem Abschluss kamen oder die bis dahin durchgeführten Arbeiten eine merkliche Nacharbeit verlangten.

  • Da bis in die zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts hinein – aber auch erst konsequent mit Ammermann –  die Arbeiten am Schulhaus durch etliche Rechnungen dokumentiert und belegbar waren, hatten die Bautätigkeiten unter Hauhs zwingend organisatorische Schwächen offenbart, führten zu Unregelmäßigkeiten bei den Belegnachweisen oder zeigten im Exitum den Status quo eines jahrelangen Investitionsstaus. Die Auswertung der greifbaren Quellen bedarf aber noch einiger Zeit und verbietet eine Vorformulierung von amtlichen Schlussfolgerungen.

Trotz aller (möglichen) Unkenrufe bezüglich der jahrzehntelangen Schulhausbaustelle war der 20. Mai 1826 ein Trauertag in der Gemeinde Scheidingen mit Ehrenzoll und würdigendem Begleitmarsch in die Totentille. Die Schulinstitution Hauhs verstarb an diesem Tag. Accipere quam facere praestat iniuriam, so war das Lebensmotto des langjährigen Küsters. Und er lag damit für seine Zeit auf der pädagogischen Goldwaage, er lag seiner Zeit voraus – losgelöst von jeglichen Schulstockcantaten. Er war von redlicher Natur und sah über so manche Gemeinheiten hinweg, so bekannt auch bei dem verbreiteten Lied über einen armen Dorfschulmeister:

Das arme Dorfschulmeisterlein ( Lied)

In einem Dorf im Schwabenland,
da lebt, uns allen wohlbekannt, wohlbekannt,
da wohnt in einem Häuslein klein
das arme Dorfschulmeisterlein,
da wohnt in einem Häuslein klein
das arme Dorfschulmeisterlein.

Des Sonntags ist er Organist,
des Montags fährt er seinen Mist,
des Dienstags hütet er die Schwein,
das arme Dorfschulmeisterlein.

Des Mittwochs fährt er in die Stadt
und kauft, was er zu kaufen hat,
´nen halben Hering kauft er ein,
das arme Dorfschulmeisterlein.

Des Donnerstags geht er in die Schul
und legt die Buben übern Stuhl.
Er haut solange bis sie schrein,
das arme Dorfschulmeisterlein.

Und wenn im Dorfe Hochzeit ist,
dann könnt ihr sehen, wie er frisst.
Was er nicht frisst, das steckt er ein,
das arme Dorfschulmeisterlein.

Und wird im Dorf ein Kind getauft,
dann könnt ihr sehen, wie er sauft.
Elf Halbe schüttet er sich ein,
das arme Dorfschulmeisterlein.

Und wird im Dorf ein Schwein geschlacht´,
dann könnt ihr sehen, wie er lacht.
Die größte Wurst ist ihm zu klein,
dem armen Dorfschulmeisterlein.

Und wenn´s im Dorfe einmal brennt,
dann könnt ihr sehen, wie er rennt.
Die nächste Ecke rennt er ein,
das arme Dorfschulmeisterlein.8

  • Die für das 19. Jahrhundert typische Kurrentschrift war auch im Scheidinger Schulhaus die Verkehrsschrift. Zahlreiche Jahrgänge hatten an diesem Schrifttyp ihre Ausdauer und Zähigkeit zu testen, oft wohl mit Erfolg.

 

Abbildung 12: Kurrentschrift

 

  • Auch manches Kuriose wurde aufgeführt, etwa die Renovierung des Schuldaches wegen eines Sturmschadens im Juni 1836. Nicht etwa diese Anmerkung war ungewöhnlich, sondern die Randbemerkung zu den Früchten, die der Lehrer auf dem Boden deponierte. Die Früchtesammlung war zerstört, und das neue Ziegeldach kostete natürlich auch 73 Taler. Also, die Missgeschicke der Küster waren stets eine Bemerkung wert.
  • Am 2. März 1838 erscheint in den Quellen zum ersten Mal eine Protokollaufführung für das Unwort eines jeden Schülers: Prüfung. Die Prüfungskommission setzte sich zusammen aus dem Pfarrer Kook, dem Bürgermeister Fickermann, dem Ökonom Sauer und dem Rendanten Fickermann. Die Elementartechniken Lesen, Schreiben, Rechnen und Singen waren der Prüfungsgegenstand. Die Abwesenheitslisten waren übrigens Gegenstand der Rechenschaftsberichte eines Lehrers gegenüber der Prüfungskommission. Aber der strenge Winter, der hohe Schnee und die Pockenkranken ersparten dem Scheidinger Lehrer wohl einigen Ärger und den Schülern, die ein dickes Fehlzeitenkonto hatten, Konsequenzen bezüglich der Prüfungszulassung. Wie man sieht, das Bummeln oder das unverschuldete Fernbleiben vom Unterricht waren auch im 19. Jahrhundert nicht unbekannt. Die Prüfungskommission stellte aber auch fest, dass grundsätzlich die Schulführung und die Schulausstattung mangelfrei waren.
  • Im Mai des gleichen Jahres gab es erneut Prüfungen, und der Schulinspektor und der Pfarrer Röingh waren ausdrücklich – so in der Quelle vermittelt – zufrieden mit den Leistungen der Schüler. Auch die Fehlzeiten waren kein Thema. Der Küster muss in den Monaten nach dem 2. März 1838 einiges Engagement in einen neuen Tätigkeitsnachweis gelegt haben. Über die Gründe kann der Leser philosophieren. Übrigens, nur wenig später im August sollte die zu der Zeit gültige Abwesenheitsliste der Polizeibehörde übergeben werden mit der Bitte um Sanktionierung. Die Androhung muss Wirkung gezeigt haben, denn es wurde auf Initiative des Pfarrers Kook eine besondere Schulklasse eingerichtet, und der Rendant Fickermann musste – natürlich gegen ein entsprechendes Entgelt für die Mehrarbeit – diese Schulstrafe umsetzen.
  • Die Fehlzeiten müssen ein eklatantes, wenig Geeignetes zur Schönfärberei gehabt
    Abbildung 13: Landrat Florens Bockum – Dollfs

    haben, denn im November 1838 entschied der zuständige Landrat Dollfs die völlige Angemessenheit der Schulversäumnisstrafen und empfahl die monatliche Kontrolle der Absenzlisten. Das Problem der Abwesenheit und die damit einhergehenden Auseinandersetzungen mit den Schulbehörden zeigten das Problem mit dem Verständnis zur Schulpflicht auf und lassen die Schlussfolgerung zu, dass insbesondere die Erziehungsberechtigten einen schwierigen Umgang mit der Akzeptanz von Schulstrafen pflegten. Zudem mahnte der Landrat nach Begehung des Schulgeländes an, dass die örtlichen Schulwege auszubessern wären. Aus den Quellen kann man herauslesen, dass offenbar das in Mitleidenschaft gezogene Schuhwerk und die dadurch beeinträchtigte Gesundheit als Fehlzeitenerklärung erhalten mussten [Anmerkung von der Verfasserin: Dieses Erklärungsmodell war losgelöst von den Jahreszeiten und den Witterungsgegebenheiten]. Offizielle und inoffizielle Erklärungsmuster ergeben immer ein Konglomerat an Halbwahrheiten, so dass die Ursache der Scheidinger Fehlzeiten nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, aber dem Landrat konnte man zumindest eine salomonische Urteilsfindung zum Verhindern eines Gesichtsverlustes aller der daran Beteiligten.

  • 1839 kam es endlich zu einer Gesetzesvorlage im Deutschen Bund, um die Kinderarbeit und die damit zwangsläufig verursachten Schulversäumnisse zu verringern.
  • Bereits im laufenden Regulativjahr 1839 kam es zu einer spürbaren Verringerung der Fehlzeiten auch in Scheidingen. Strafbare Fehlzeitenkataloge lagen den Prüfungskommissionen für das laufende Kalenderjahr nicht vor, obwohl viele der Schulkinder in der Landwirtschaft eingebunden waren. Lediglich die Kinder des Israeliten Nathan Neuhaus zeigten Auffälligkeiten bei den Fehlzeiten. Aus den Quellen kann aber nicht der Grund herausgelesen werden. Als herausragendes Ereignis fand für 1839 noch die Finanzierung eines Spinnrades durch Pfarrer Kook für den Hauswirtschaftsunterricht Erwähnung. Hintergründe oder Stellungnahmen für diese Spende waren aber nicht bekannt.

 

1 https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCsterschule, abgerufen am 04.09.2015.

2 http://www.wissen.de/lexikon/paedagogik, abgerufen am 05.09.15.

Rudolf Preising, Scheidingen, Verlag Aschendorff Münster, Westfalen 1970, Seite 72.

4http://www.bamberger-onlinezeitung.de/2016/10/03/friedrich-wilhelm-i-in-bamberg/, abgerufen am 27.01.2015.

5https://www.preussenchronik.de/service/popup_jsp/key=beitrag_25056.html, abgerufen    am 13.04.2017.

6 https://www.preussenchronik.de/episode_jsp/key=chronologie_002390.html, abgerufen am 13.04.2017.

7 Inhalt der Schulchronik, Archiv Werl.

8 https://www.volksliederarchiv.de/das-arme-dorfschulmeisterlein/, abgerufen am        12.07.15.

Abbildungsverzeichnis:

  • Abbildung 1:

Alte Schule in Scheidingen.

Das Bild befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 2:

Der Küster bei der Arbeit.

http://www.worterbuchdeutsch.com/de/kuster

abgerufen am 03.05.17.

  • Abbildung 3:

Orbis sensualium pictus (Die sichtbare Welt) verfasst vom Theologen Johann Amos Comenius, die erste zweisprachige Auflage erschien 1658 in Nürnberg.

http://www.lesmaterialistes.com/comenius-extraits-orbis-sensualium-pictus-1658, abgerufen am 18.12. 2015.

  • Abbildung 4:

Abbildung: „Examen um 1500“. Statutenbuch des Collegium Sapientiae Johannes Kerer,
Universitätsarchiv Freiburg A 105/8141 fol. 41r; digitalisiert unter:
http://www.uniarchiv.uni-freiburg.de/karten/Examen_um_1500.jpg

abgerufen am 16.05.17.

  • Abbildung 5:

Königliche Verordnung zur Einführung der Allgemeinen Schulpflicht in Preußen, 1717.

https://www.de.wikipedia.org/wiki/Schulpflicht_(Deutschland)

abgerufen am 03.02.16

  • Abbildung 6:

Deklaration zur Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit der Schulmeister und Dorfküster vom 2 Mai 1736.

 

  • Abbildung 7:

Lageplan der örtlichen Begebenheiten. Schulzimmer, Küsterei

Schullokal von 1794 und 1847 Schule von 1892.

Das Bild befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 8 und 9:

ABC Buch für grosse Kinder, Christoph Weigel, Nürnberg, 1792.

http://www.digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/thumbview/4598236, abgerufen am 15. 02.16.

  • Abbildung 10:

Erste Scheidinger Schule.

Soester Anzeiger 31. August 1989, der Artikel befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 11:

Kramerladen Ammermann vormals Hauhs.

Das Bild ist ein Ausschnitt von einer Postkarte, diese befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 12:

Kurrentschrift 19. Jahrhundert.

http://www.mikrolisk.de/show.php/101/chapter_5, abgerufen am 05.01.17.

  • Abbildung 13:

Landrat Florens Bockum – Dollfs.

https://de.wikipedia.org/wiki/Florens_von_Bockum-Dolffs, abgerufen am 27.05.16.

Quellenverzeichnis