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Wir sind Europa! Und was man von Maria lernen kann!

           Wir sind Europa!

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      Und was man von Maria lernen kann!

 

Inhaltsverzeichnis

  • Von Laurentius nach Maria
  • Die Mutter Europas
  • Schattenwürfe einer Lichtgestalt
  • Meine Stellungnahme für Europa
  • Quellenverzeichnis 1
  • Von Laurentius nach Maria

Im September 2015 besuchte ich verschiedene Kirchenschauplätze im heimischen Westfalen. Ob die Wallfahrtsbasilika Mariä Heimsuchung in Werl, die Wallfahrtskirche St. Ida in Herzfeld oder die Pfarrkirche St. Laurentius im sauerländischen Enkhausen, allen Standortaufsuchungen war der regionalkirchliche und heimatgeschichtliche Charakter zu eigen, vielmehr deren ausschließliche Motivation. In Enkhausen begann mein persönliches Europa. Der neugotische Baustil mit den Maßwerkfenstern, adem spitzhelmigen Westturm oder den Rippengewölben auf Rundpfeilern hinterließ bei mir aber schon einen architektonischen Eindruck. Der berühmteste Enkhausener, kein geringerer als Bundespräsident Heinrich Lübke, soll der Legende nach in jungen Jahren ehrfurchtsvoll als gläubiger Katholik vor den Heiligenfiguren im Inneren der Kirche seine Gebete gehalten haben. Schon beim Eintritt in die Kirche wahrgenommen, fiel mir im Außengelände der Kirche ein Marienaltar auf, der meine Konzentration in Anspruch nahm.

Es ist nicht so, dass Maria für mich neu war. Sie verkörpert die Friedenskönigin. Ich identifizierte die Gottesmutter stets mit der Schlange und der Weltkugel als sikonographische Heiligenattribute zur Lossagung jedweder Sünde. Aber diese markante Anzahl an Sternen, die…

Entsprach die Wahrnehmung wirklich meiner bewussten Beobachtung? Der Sternenkranz zählte 12 Sterne. Dieses erstmalige bewusste Nachzählen setzte sofort die Johannesoffenbarung 12, 1 frei, aber diese Apokalypse war eine prophetische Hoffnungsschrift. Und hatte der Belgier Paul Lévy[1] dem Generalsekretär des Europarats Graf Benvenuti nicht in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts diese 12 Sterne als Motivvorschlag für die Europaflagge vorgelegt? Stand ich dem europäischen Gedanken näher als es mir bisher bewusst war? Eine Klärung der unerwarteten Verbindung musste her!

  • Die Mutter Europas

Der Legende nach ging eben jener vorgenannte Paul Lévy bei strahlend blauem Himmel als Mitarbeiter des Europarates 1955 an einer Maria Immaculata vorbei, deren Sternenkranz im Sonnenschein funkelte. Ob Lévy persönliche Motive dem Grafen Benvenuti vorlegte, wissen wir nicht, aber die Geburtsstunde für eine der bekanntesten Flaggen war gesetzt, und dieses Flaggenmotiv wurde in späterer Zeit dann auch von der Europäischen Gemeinschaft übernommen. Die Flagge selbst war dabei nicht der Auslöser für diesen Wettbewerbsbeitrag, sondern die Maria, bei deren Anblick offenbar gelegentlich Menschen – und ich muss eingestehen, dass ich erst nach dem zweiten Blick zu diesen Menschen gehörte – Verbindungssterne setzten zu transnationalen Projekten und Visionen. Lag der Kern des europäischen Wesens – bisher von mir nicht wahrgenommen – unter der sakrosankten Aura der Maria Immaculata? Es war gut möglich, dass dann doch mehr Europa in mir steckte als bisher angenommen. Nimmt man die Ansichten von Lévy als Maßstab, gab die Madonna dem Belgier die Initialzündung für das Zustandekommen eines bildlichen Symboles der Vereinigung und Vollkommenheit zumindest auf kontinentaleuropäischer Ebene.[2] Die zwölf Sterne standen dabei Pate für den vollkommenen Abschluss wie die zwölf Tierkreiszeichen, die zwölf Kalendermonate, die zwölf Tafeln des kodifizierten römischen Rechts, die Zwölfgötter aus der griechischen Mythologie, die zwölf Stämme Israels oder die zwölf Apostel. Nimmt man zusätzlich noch die zahlreichen Marientitel der Mutter Jesu in die Diskussion um religiös durchsetzte Fundamente einer transnationalen Organisation, dann verlangen die christlichen Grundpfeiler des Abendlandes zwingend die friedensnahe Ausrichtung der Europäischen Union, zumindest die garantierte Austarierung zwischen negativem und positivem Frieden. Ist der europäische Gedanke damit per se ein pazifistischer Gedanke? Ja, denn die Grundsatzdebatten zur Transnationalität wurden im direkten Nachklang des Zweiten Weltkrieges gelegt. Ob die Mutter Jesu damit als die Mutter Europas vereinnahmt werden kann, obliegt dem Gläubigen und europäisch Ausgerichteten, aber die Verbindungsknüpfung bedarf keiner Entschuldigung. Wenn der Karolinger Karl der Große im renommierten Karlspreis auf Europaebene wirkt, dann kann Maria ungefragt nur allzu gut die werteausstrahlende Gallionsfigur im Hinterzimmer des Brüsseler Europaparlaments spielen. Dieser Blickwinkel kann jedoch zu einem europäischen Nationalismus führen und soll als heikles Szenario mit tagespolitischem Zusatz im nächsten Kapitel präsentiert werden. Nun steht jedoch die Europawerbung mit der Maria auf der Argumentationsleiste:

Der religiöse Bezug auf Maria war deutlich in der EU zu spüren, da lediglich der pure Zufall die zwölf Mitgliedsstaaten 1986 als ursächlich für die zwölf Sterne auf der Europaflagge ausschrieb. Die Sterne hatten in Brüssel nie etwas mit der Anzahl der Mitgliedsstaaten zu tun. Die EU-Osterweiterung vollzog sich nie mit der Mehrung der Sterne auf der blauen Flagge, sondern mit der ideellen Werteerweiterung. Nicht ohne Grund wurde am 8. Dezember 1955, dem Festtag der unbefleckten Empfängnis Marias, die sternenbesetzte, blaue Flagge als Brüsseler Wimpel zugelassen. Dass das mit der Sündenfreiheit auch bei der EU nicht so lupenrein ist, soll hier nicht vorwurfsvoll – und damit sicherlich überzogen –  thematisiert werden, aber der religiöse Zusatz im abendländischen Gebot der Trennung von Kirche und Staat lässt zumindest ein ehernes Moralgerüst in der Theorie erkennen. Und die Sterne auf den Euromünzen sorgen zudem als ständiger Begleiter in den Geldbörsen für ein vermutlich immer noch für viele Bürger undeutliches Verbreiten der europäischen Gemeinschaft und für eine alltägliche „Konfrontation“ mit dem „religiösen Europa“.

  • Schattenwürfe einer Lichtgestalt

Ich verbinde mit Maria Hoffnung, Vollkommenheit, Wegweisung, Idealisierung oder zumindest stützende Begleitung. Die Lichtfigur bringt Licht, und ich verbinde mit der Mutter Gottes den jahrzehntelangen Frieden innerhalb der Europäischen Union. Der glänzende Heiligenschein funktioniert aber auch hier nicht. Die allzu Euphorischen dürfen nicht vergessen, dass die Unterstützerin der Christen ihren Rückhalt im Abendland besonders aus der Anrufung zum Kampf gegen die Osmanen gewann, und damit können ausgrenzende Tendenzen in das Marienbild hineininterpretiert werden. Zuviel Kritik ist jedoch auf dieser Schiene unangemessen. Natürlich kam im Namen Marias 1683 der polnische König  Johannes III. Sobieski  den Wienern erfolgreich zu Hilfe oder zahlreiche Mariensäulen im bayerisch-österreichischen Raum zeigen die Gottesmutter mit dem Halbmond zu ihren Füßen. Das war aber der religiös tief verwurzelten Zeit geschuldet und muss heute nicht mehr kontraproduktiv in die Europadebatte eingebracht werden. Karl der Große als männliches Pendant der Maria ist im Karlspreis verewigt für Verdienste im zeitgeschichtlichen Europa. Der Karolinger selbst war jedoch lediglich geographisch auf europäischem Status, dagegen das Wertesystem trotz karolingischer Renaissance wenig europaorientiert. Die Sachsen an jenem „Verdener Blutgericht“ stehen symbolisch für eine radikale Christianisierung. Und aktuell kann das Geschiebe in der Flüchtlingsproblematik nicht über einzelne Marientitel wie „Mutter der Barmherzigkeit“, „Mutter von der immerwährenden Hilfe“ oder „Mutter vom guten Rat“ begründet werden. Aber vielleicht sieht die Europäische Union das Mariabildnis nicht als Grundlage des eigenen Handelns, sondern strebt zur „Mutter ohne Makel“ in einem Lern- und Entwicklungsprozess? Zu wünschen wäre es diesem transnationalen (Kontinental-)Staat, schon mit Blick auf unnötige Geschichtskontroversen und verbesserungswürdigen Außendarstellungen in der jüngeren Vergangenheit. Jetzt heißt es aber für mich persönlich goldene Farbe bekennen auf blaugefärbtem Hintergrund. Die Sterne haben eben nicht nur symbolisch wegweisende Bedeutung für die Positionierung in oder für Europa. Und letztlich zählt ohnehin nur die Parteinahme für eine Gesinnung.

  • Meine Stellungnahme für Europa

Zunächst losgelöst von Maria, ich kann alleine durch die Farbkombination der Europaflagge meine westfälische Heimatverbundenheit mit dem Europagedanken bedenkenlos verknüpfen. Die blaue Farbe ist eine charakterstarke Farbe. Könige und Kaiser trugen sie voller Stolz, und der Europabezug stand stets in Begleitung zu Personen und Beweggründen. Schon Kaiser Heinrich II. (1014-1024) wurde – dort noch im Kampf gegen die Byzantiner in Süditalien – mit einem blauen Sternenmantel  beschenkt , der heute noch im Bamberger Kirchenmuseum zu besichtigen ist. Die darauf abgebildeten Sternenmotive verdeutlichen einen universellen Anspruch oder eben eine Verantwortung über die nationalen Grenzen hinaus. Nicht ohne Hintergedanken betitelten die Zeitgenossen den letzten Ottonen als „decus Europae“, als Glanz Europas. Das kann problemlos in die heutige Zeitgeschichte übertragen werden. Die unpersönliche und durchaus mächtige Institution hat ihren Sitz in Brüssel und unter dem Sternenhimmel strebt man dem ewigen Frieden (zumindest hat man mit der Gründung Europas einen jahrzehntelangen Frieden vorzuweisen) und dem wahrhaftigen Vertrauen (auch wenn die Bilanzdaten der Griechen vor einigen Jahren eher ungünstiger Natur waren) entgegen. Ein festes, orientierendes Umfeld, friedfertige, heitere Gelassenheit, Kommunikationsfähigkeit oder ganzheitliche Verbundenheit stehen in der klassischen Farbenlehre für das Blau, und diese Charaktereigenschaften treffen für die EU als Leitkriterien zu…trotz notwendiger Schönheitskorrekturen in der Tagespolitik. Der heimatlich Verwurzelte muss zwischen gkonstruktiver Systemkritik und dem polemischen Regionalpatriotismus (z. B. dem der Freistaatlichen aus Bayern) unterscheiden, sonst wird er dem notwendigen Realbezug nicht gerecht.

Brüssel wählte Blau, und Maria trug Blau. Eigentlich war dieses Kleidermotiv ja durch den kostspieligen Farbton gewählt (Ultramarinblau kostet mehrere tausend Euro in der Herstellung), aber damit wird natürlich nur die sakrosankte Stellung der Himmelskönigin verdeutlicht. Blau ist in der katholischen Farbensymbolik eine himmlische Farbe, die den Himmel und die Erde verbindet. Nähe und Ferne, Göttliches und Irdisches erhalten über die Gottesmutter eine Assoziierung. Wenn man nun noch über den blauen Farbton in der katholischen Kirche eine Brücke schlagen kann zu nachvollziehbaren und klaren Gedankengängen (dafür steht dieser Farbton in der Kirche), dann liegen weder persönlich noch religiös motivierte Antipathien vor bei mir. Das ist der europäische Gedanke, mein Gedanke, und dieser Gedanke orientiert sich an Maria. Maria ist die Brücke zur europäischen Wertegemeinschaft, und das transnationale Denken hat sich jetzt schon ausgezahlt. Die eigene Herkunft hat hier nur die Funktion eines einzelnen Bausteines für die Identitätsbildung. Mir selbst war dieser Europabezug in der Vergangenheit nicht bewusst, da das „Bindeglied“ Maria anfänglich manches bedecken und nicht entdecken ließ.  Die wertereichen Sachen gehören entwickelt und nicht beseitigt oder verunglimpft. Das will letzlich die Europäische Union, und diesen schlafenden Willen trug ich bereits in mir. Maria entzündete es. Das friedliche Miteinander unter den EU-Kernländern war zur Selbstverständlichkeit geworden, bedarf aber der Weiterentwicklung, um den Status quo zu erhalten. Der Frieden ist das Ergebnis eines Kampfes, eines immerwährenden Kampfes.

  • Quellenverzeichnis

* Das Bild kann unter https://de.wikipedia.org/wiki/Unbefleckte_Empf%C3%A4ngnis#/media/File:0_L%27Immacul%C3%A9e_Conception_-_P.P._Rubens_-_Prado_-_P1627_-_%282%29.JPG abgerufen werden.

** Das Bild kann unter https://de.wikipedia.org/wiki/Madonna_im_Rosenhag#/media/File:Stefan_Lochner_Madonna_im_Rosenhag.jpg abgerufen werden.

Das Interview mit Paul Lévy kann unter http://www.cvce.eu/obj/beitrag_von_paul_m_g_levy_zur_schaffung_der_europaischen_flagge-de-6d23210b-865d-4f02-b2ca-2c30b9ed0588.html abgerufen werden.

[1] Arsène Heitz, ehemaliger Bediensteter im Europarat, nahm ebenfalls für sich die Urheberschaft zur Motivwahl der Europaflagge in Anspruch. Beide Personen reichten in etwa zeitgleich ihre Entwürfe im Europarat ein. Letzte Unklarheiten konnten aber bis heute nicht beseitigt werden.

[2] Lévy äußerte sich in späterer Zeit zur symbolischen Bedeutung der himmelblauen Sternenflagge in einem Interview, das unter http://www.cvce.eu/obj/beitrag_von_paul_m_g_levy_zur_schaffung_der_europaischen_flagge-de-6d23210b-865d-4f02-b2ca-2c30b9ed0588.html abgerufen werden kann.