Vom großen Sterben im 14. Jh.- Italien als Einfallstor der Pest

Vom großen Sterben im 14. Jh.-

Italien als Einfallstor

der Pest

 

Die Pestwelle des 14. Jahrhunderts hatte ihren Ursprung in Asien. Im Jahr 1331 brach die Epidemie offensichtlich im chinesischen Kaiserreich aus und gelangte von dort in wenigen Jahren nach Europa. Über Kirgisistan (1338 oder 1339), die untere Wolga (1345) besonders die Stadt Astrachan (1346) erreichte die Pest 1346 die Grenzen des damaligen Europas.

Im Jahr 1346 belagerte Soldaten der „Goldene Horde“ die von den Genuesern gehaltene Hafenstadt Kaffa (das heutige Feodosija) auf der Halbinsel Krim. Im Heer der Belagerer brach die Pest aus. Berichte besagen, dass die Belagerer die an der Pest gestorbenen Soldaten auf ihre Belagerungskatapulte banden und über die Stadtmauern in die Stadt schleuderten. Die Einwohner von Kaffa sollen die Leichname zwar sofort ins Meer geworfen haben, gleichwohl ist es gut möglich, dass die Pestbazillen auf die Einwohner Kaffas übersprangen. Die Seuche soll auf der Krim 85.000 Opfer gefordert haben. Man geht davon aus, dass genuesische Flüchtlinge aus Kaffa die Pest mit nach Italien gebracht haben, nach anderer Meinung kam die Krankheit aus China auf „normalen“ Handelswegen nach Europa.

In kürzester Zeit verbreitete sich die Seuche entlang der Handelsstraßen zunächst über den Seeweg an der gesamten Mittelmeerküste, dann auch über den Landweg nach Norden. So gelangten die Krankheitserreger von Genua nach Marseille, von wo aus die Pest der Rhône in Richtung Norden folgte und sich 1348 bis Paris vorgearbeitet hatte. Von Venedig aus gelangte die Pest über den Brenner nach Österreich. Zuerst kam der schwarze Tod nach Kärnten, anschließend in die Steiermark und erreichte dann erst Wien.

In Deutschland, Norwegen, Schweden und Irland trat die Pest erstmals im Jahre 1349 auf. Um die Ansteckungsgefahr zu vermindern, wurden in Italien nach 1347 einlaufende Schiffe, auf denen man die Pest vermutete, für 40 Tage isoliert (Quarantäne, aus franz. „une quarantaine de jours“ = Anzahl von 40 Tagen). Die Quarantäne mag zwar die Schiffsbesatzung vom Landgang abgehalten haben; sie verhinderte aber nicht, dass infizierte Ratten an den Schiffstauen entlang an Land gelangten und so zur Weiterverbreitung der Krankheit beitrugen. Zwischen 1347 – 1352 starben in Mitteleuropa etwa 25 Millionen Menschen (knapp 2/3 der Gesamtbevölkerung) an der Pest.

Die Pest wurde als eine Strafe Gottes angesehen. Die Menschen versuchten durch Prozessionen die Seuche abzuwenden. Das Leben der Menschen wurde in einem nie gekannten Maße beeinträchtigt. Eine zunehmende Isolierung, Angst vor einer Ansteckung, Stadtflucht und extreme Frömmigkeit begleiteten die Krankheit. Es kam zu zahlreichen Judenpogromen, da die Menschen jüdischen Glaubens vielfach für den Ausbruch und die Weiterverbreitung der Pest (Brunnenvergifter) verantwortlich gemacht wurden.

Literarisch wird das soziale Klima während der Pestpandemie zum Beispiel in der Novellensammlung „Dekameron“ von Giovanni Boccaccio (1313-1375) aufgegriffen. Die Einleitung des Buches ist eine der detailliertesten mittelalterlichen Quellen über die Auswirkung des Schwarzen Todes in einer Stadt. Die Rahmenhandlung verlegt Boccaccio in ein Landhaus in den Hügeln von Florenz, zwei Meilen vom damaligen Stadtkern von Florenz entfernt. In dieses Landhaus sind sieben Frauen und drei junge Männer vor der Pest (Schwarzer Tod) geflüchtet, die im Frühjahr und Sommer des Jahres 1348 Florenz heimsuchte. Im Landhaus versuchen sich die Flüchtlinge nach Möglichkeit zu unterhalten. Daher wird jeden Tag eine Königin oder ein König bestimmt, welcher einen Themenkreis vorgibt. Zu diesem Themenkreis hat sich nun jeder der Anwesenden eine Geschichte auszudenken und zum Besten zu geben. Nach zehn Tagen und zehn mal zehn Novellen kehrt die Gruppe wieder nach Florenz zurück. In den einleitenden Worten heißt es an entsprechender Stelle:

Die Seuche gewann um so größere Kraft, da sie durch den Verkehr von den Kranken auf die Gesunden überging, wie das Feuer trockene oder brennbare Stoffe ergreift, wenn sie ihm nahe gebracht werden.1

Die Pest wird durch ein widerstandsfähiges Bakterium ausgelöst, das bevorzugt Ratten befällt. Überträger sind Rattenflöhe, die sich auch über Menschen hermachen, wenn ihr Wirt stirbt. Auch Menschenflöhe und Läuse tragen den Erreger weiter. Infizierte Menschen verbreiten ihn zudem durch Tröpfcheninfektion (Pestpneumonie). Bedenkt man die hygienischen Verhältnisse im Spätmittelalter gerade in den Städten, so verwundert der katastrophale Seuchenausbruch nicht mehr. Das Handelsroutennetz und die urbanen Strukturen in Oberitalien begünstigten noch die Ausbreitung der Pest. Die reisenden Menschen sorgten dafür, dass das Unheil rasend schnell den ganzen Kontinent verwüsten konnte. Für die 3.700 km lange Strecke zwischen Neapel und Tromsö benötigte die Seuche nur drei Jahre. Zwar ergriffen viele Hafenstädte zügig Maßnahmen, denn die Kunde von der grausamen Krankheit eilte ihr voraus. Noch 1347 versuchte Genua, die heimkehrenden Schiffe durch Fackelbeschuss vom Ankern abzuhalten.

Die genaue Zahl der Toten ist unbekannt. Die wenigen zeitgenössischen Chronisten neigten dazu, ihre Zahl zu übertreiben, um das unfassbare Ausmaß des Grauens zu unterstreichen. So sprach Boccaccio von 100.000 Menschen, die in Florenz bei der ersten großen Epidemie im Jahre 1348 starben, doch kann nach neuer Forschung Florenz damals kaum mehr als 100.000 Einwohner gehabt haben. Doch verlor Florenz die Hälfte seiner Einwohner, während Mailand bis 1361 verschont blieb. In Venedig starben täglich 600 Menschen. Die Armen, die in engen Vierteln mit schlechten hygienischen Verhältnissen wohnten, waren stärker betroffen als die Reichen, und der Klerus, der durch Krankenseelsorge, letzte Ölungen und Beerdigungen mehr Kontakt zu den Kranken hatte, stärker als der Rest der Bevölkerung.

Schon 1348 begann in Italien die Obrigkeit dem ausbrechenden Chaos entgegenzuwirken über die Verstärkung der städtischen Ordnungsgesetzgebung (utilitas publica). Gesundheitsmagistrate wurden gegründet, die mit weitgehenden Machtbefugnissen ausgestattet waren und Maßnahmen gegen die tückische Krankheit ergreifen sollten. Florenz z.B. ergriff Schritte zur Stadtreinigung und isolierte Kranke. In Venedig ließ das Magistrat ein Massengrab anlegen und Bürger auf der Straße auf Pestsymptome hin untersuchen. Fremde wurden an bestimmten Orten untergebracht, auch für die Überwachung der Bettler, Krankenhäuser, Prostituierten und Juden war das Magistrat zuständig. Kranke wurden vertrieben oder in sogenannten Pesthäusern isoliert, wo Kranke einfach zusammen mit ihren noch gesunden Familienmitgliedern eingesperrt wurden. Das Läuten der Todesglocke wurde verboten, um die Menschen nicht noch mehr zu erschrecken. Öffentliche Versammlungen und Veranstaltungen wurden verboten, Vergnügungsstätten wurden geschlossen. Gelegentlich wurden sogar Messen verboten. Bei Verstoß gegen die Vorschriften drohten drakonische Strafen. Das venezianische Magistrat war Vorbild für zahlreiche ähnliche Komitees, die in den Folgejahren in ganz Europa entstanden. Venedig war es auch, das 1423 das erste Krankenhaus speziell für Pestkranke einrichtete. Die Stadt erwarb dazu eine kleine Insel in der Lagune, auf der sich ein Kloster mit Namen Santa Maria di Nazareth befand. In Anlehnung an dieses Kloster hieß das Krankenhaus zunächst „Nazaretum“, dieses Wort veränderte sich im Laufe der Jahrhunderte zu „Lazaretum“, der Begriff „Lazarett“ war geboren.

Siena in der Toskana wurde 1348 von der Pest heimgesucht. Die oligarchische Stadtregierung der IX (Noveschi) versuchte zunächst mit staatlicher Preisregelung den steigenden Löhnen entgegenzuwirken. Offensichtlich sah man aber ein, dass es der städtischen Wirtschaft durchaus zugute kommen sollte, wenn höhere Löhne gezahlt werden mussten, weil auf diese Weise Zuwanderer in die Stadt und ihr Umland kamen, die einen Teil des Bevölkerungsverlustes ausgleichen konnten. Das massenhafte Sterben förderte  chaotische Zustände, die manchen Übergriff auf fremdes Eigentum erleichterten. In Siena war es zu zahlreichen Usurpationen von Erbschaften gekommen 1348, in denen der Verstorbene keine direkten Verwandten oder ein Testament hinterlassen hatte. 1349 erließ die Stadtregierung ein Gesetz, nach dem der Stadt das Erbe zustehen sollte oder zumindest in kommissarischer Funktion die Stadtoberen die Erbmasse verwalteten. Nach einer Übergangsfrist von zwei Wochen sollte jeder in Siena, der Fälle von Usurpationen solcher Erbschaften meldete, 10% des Erbes erhalten.

Vom Papst Clemens VI. wurde schon 1348 eine – übrigens bis heute praktizierte – Pestmesse „Zur Errettung vor der Pest“ eingeführt, in der Maria als Intercessor angerufen wurde. Allen, die der `pro vitanda mortalitate`2 beiwohnten, wurde ein 260-tägiger Ablass gewährt. Eine ständig wachsende Verehrung als Pestheiliger wurde dem Heiligen Sebastian zuteil. Als Pestheiliger bot er sich an, weil seine Verfolger vergeblich versucht hatten, ihn mit Pfeilen zu töten – denn seit der Antike galten Pfeile als Symbol des von den Göttern oder von Gott gesandten Todes. Ikonographische Bildkonzepte des Schwarzen Todes fanden in dem Schutzmantelschaftmotiv ihren Ausdruck: Von oben schleudern Gott Vater oder Jesus Pestpfeile auf die Menschheit. Sie halten Pfeile oder Speere in ihren Händen, die als die Geißeln der Menschheit (Pest, Hunger und Krieg) zu verstehen sind. Darunter gewährt Maria, umhüllt mit einem weiten Mantel, den Gläubigen, die sich unter seinen Falten zusammengeschart haben, Schutz vor den Pfeilen. Diese prallen vom Mantel ab und liegen zerbrochen am Boden. Neben Maria stehen oft weitere Schutzpatrone (z.B. Rochus von Montpellier oder die vierzehn Nothelfer), die für die Menschen bei ihr Fürbitte leisten sollen. Dieses Bildkonzept erfuhr eine europaweite Verbreitung im 15. Jahrhundert.

1: http://www.zeno.org/Literatur/M/Boccaccio,+Giovanni/Novellensammlung/Das+Dekameron/Erster+Tag/%5BEinleitung%5D

2: https://books.google.de/booksid=_X3YAAAAMAAJ&pg=PA79&lpg=PA79&dq=1348++pro+vitanda+mortalitate&source=  bl&ots=FqOmptxzpu&sig=DiuSnUCSCrtkeW2NaZx_zTP28Vg&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjvvu7WqYTUAhXD6xQKHZ7eDEwQ6AEIIjAA#v=onepage&q=1348%20%20pro%20vitanda%20mortalitate&f=false

Quellen und Literatur

  • https://books.google.de/books?id=QticAwAAQBAJ&pg=PT199&lpg=PT199&dq=soldaten+Goldene+Horde+kaffa&source=bl&ots=itKwspLRMs&sig=h2Am70ejzkh_QK6VfHUsmLLUkxQ&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiAjuma7IPUAhXMERQKHdh6AUcQ6AEIMjAD#v=onepage&q=soldaten%20Goldene%20Horde%20kaffa&f=false
  • http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2011-10/verbreitung-pest-europa
  • http://www.zeit.de/1994/37/gesellschaft-im-ausnahmezustand
  • https://books.google.de/books?id=vs3l5xMb0EYC&pg=PA18&lpg=PA18&dq=maria+pfeile+pest&source=bl&ots=0GDazUa7Aa&sig=BAnhBbQdNBVXN0YHnQmMx-DFzMA&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjJ2raU7YPUAhXEvhQKHXUdB_MQ6AEILjAC#v=onepage&q=maria%20pfeile%20pest&f=false

 

Abbildungsnachweis

 

https://de.sott.net/article/3306-Verursacher

-des-Schwarzen-Todes-existiert-noch

 http://www.spektrum.de/news/frueher-pesterreger-ist-ausgestorben/1221804
 http://militaryhistorynow.com/2014/02/06/we-have-met-the-enemy-and-they-are-small-a-brief-history-of-bug-warfare/
 http://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin-ernaehrung/pest-einst-half-nur-doktor-schnabel-11056798.html
 https://www.welt.de/gesundheit/article13574069/Verursacher-des-Schwarzen-Todes-existiert-noch.html
 http://der-schwarze-planet.de/der-schwarze-tod-2/
   http://statusmind.com/category/authors/giovanni-boccaccio/
   http://forum.tntvillage.scambioetico.org/?showtopic=339196
   http://www.amuseum.de/mikroskopie/mikroskopvortrag3.htm
   http://anolick.net/eXe/30krieg/pest.html
 http://mittelalter.aktiv-forum.com/t28-der-schwarze-tod-pest-im-mittelalter
   http://mittelalter.aktiv-forum.com/t28-der-schwarze-tod-pest-im-mittelalter
   http://www.scheffel.og.bw.schule.de/

faecher/science/biologie/seuchen/seuchen.htm

   https://www.leben-im-mittelalter.net/alltag-im-mittelalter/freizeit.html
   http://reise-bericht.blogspot.de/2010/08/toskana-2010.html
   http://www.italia.it/de/reisetipps/unesco-staetten/siena-das-historische-zentrum.html
 http://www.vaticanhistory.de/pm/html/clemens_vi_.html
   http://www.bibelgesellschaft-mecklenburgische.de/wissen.html