3. Neuzeit (1850-1980)

3.1 Berichte zur verschmutzten Vergangenheit

In einem Bericht aus dem Jahre 1899 hieß es bereits:

Als Beispiel  einer Bachverunreinigung durch Brennereiabwasser mag aufgeführt werden, dass der Uffelbach bei Werl, der im Durchschnitt dreimal mehr Wasser führt, als das betreffende Abwasser, durch das Abwasser einer großen Brennerei im Mittel von 5 Probeentnahmen folgende Veränderung erlitt. „11

Der Uffelbach führt in den Salzbach und dadurch kommen auch die in der Tabelle genannten Verunreinigungen in den Salzbach. ,,Stickstoff“ würde man heute wohl als Nitrat und Ammonium bezeichnen und statt „Phosphorsäure“ Phosphat sagen. Diese Substanzen und die gelösten und ungelösten Stoffe sind Nährstoff für Algen, Bakterien und Pilze. So eine Überdüngung führt dazu, dass im Bach Sauerstoff fehlt. Dieses wurde auch damals schon gemessen. Unter dem Sauerstoffmangel leiden dann Fische und andere Tiere und können in diesem Bach nicht mehr leben. Dann erfährt man aus dem Jahr 1932:

Der Salzbach war in dieser [Zeit] nicht sauber. In den Bach würden die gesamten Abwässer der Stadt Werl, mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe und einer Hefefabrik, die aus einer Brennerei entstand, eingeleitet. Er wird als polysaprob bezeichnet. ”12

  • Die Sache mit der Brennerei…da brennt es ökologisch

Die Hefefabrik Wulf13 (siehe Abbildung 4) gehörte um 1900 herum zu den führenden Industriestandorten im Werler Großraum, die ab 1909 als „F. Wulf A.G.“ geführt wurde. Die Firma hatte ihren festen Platz im Industriebild Werls bis in die siebziger Jahre des dfg20. Jahrhunderts hinein. Was ist nun so interessant an dieser Fabrik? Sie ging zunächst einmal aus einer Brennerei hervor und lag direkt am Uffelbach, einem Zufluss des Salzbaches. Schon 1899 konnte Dr. König in seiner durch Albert von Sachsen preisgekrönten Arbeit zur Verunreinigung von Gewässern aufzeigen, dass Brennereiabwässer erheblich zu Bachverunreinigungen führten, und als Beleg nahm er die Brennerei am Uffelbach, aus der dann später die vorgenannte Wulf A.G. wurde. Zunächst einmal ist aus dieser Arbeit herauszulesen, dass die Ökologie kein junges Kind der Ökonomie ist. Desweiteren sollen nun aber auch in einer Graphik die Auswirkungen des Brennereiabwassers auf die Wasserqualität pro Liter Uffelbachwasser veranschaulicht werden für die oben erwähnte Bachverunreinigung aus dem Jahre 1899 vor und nach Aufnahme des Abwassers durch den Uffelbach:

sssssEine deutliche Zunahme der Belastung des Uffelbaches zeigte sich in den Proben durch die Anzahl der Mikrophyten, die im Mittel von 2453 auf 334.560 pro ccm Uffelbachwasser anstiegen. Unabhängig von der Messgenauigkeit oder der Nichtberücksichtigung der konstanten Abwassermengenzufuhr in den Uffelbach bei den Probenahmen, veranschaulichen diese Werte eine Verschmutzung des Salzbaches über den Uffelbach als Zufluss.

Interessanterweise kamen um 1900 schon Maßnahmen zum Zuge ( z. B. Berieselung ), um die Konzentration der gelösten Stoffe im eigentlich gehaltreichen Abwasser ( denkbar als Futterbeigabe für Tiere ) zu verringern…ökologische Gesichtspunkte in der Wilhelminischen Ära.14

zioDie regelmäßige Verschmutzung des Salzbaches war bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts zu beobachten…und das Brennereiwasser war dabei nicht allein ursächlich. Zahlreiche Zeitungsartikel verdeutlichten die Belastung des Baches auch in der Regionalpresse, wobei stellvertretend ein Artikel aus der Westfalenpost vom 18. April 1981 auch die offenbar jahrzehntelange Hauptquelle der Verunreinigung in der fehlenden Anschlusskanalisation sah. Die Sache mit dem Schaum gehört allerdings nicht der Vergangenheit an. Der gleiche Landwirt, der in der vorangegangenen Westfalenpost zur Sprache gekommen war, wusste in einem Interview kurz vor Einsendeschluss zum Bundesumweltwettbewerb von kleinen Schaumkronen regelmäßig freitags auf Höhe von Hofflerke im Uffelbach zu berichten. 000000000[Anmerkung: Der in der Westfalenpost genannte Werner Lückmann heißt Wilhelm Lückmann. Es handelte sich im Zeitungsartikel um einen Druckfehler.] Ich konnte noch nicht ermitteln, ob die Schaumkronen in Verbindung mit der untenstehenden Aussage von Landwirt Vickermann stehen oder trotz zunehmender Anschlusskanalisation seit Mitte der achtziger Jahre aufgewirbelte Tenside o. ä. für fortgesetzte Verschmutzungen verantwortlich sind…damit hätte dann der Westfalenpostartikel seine Aktualität nicht verloren.

Nach dem Saprobiensystem wird die Belastung eines Fließgewässers nach den biologisch abbaubaren Stoffen bezeichnet. Polysaprob entspricht der Gewässergüte IV, übermäßig verschmutzt. Der Sauerstoffgehalt liegt häufig bei null, Fäulnisprozesse treten auf. Polysaprobe Gewässer sind oft verödet. Laut Aussagen von mehreren Scheidinger Bürgern war auf dem Salzbach ab 1956 häufig ein  1 m – 1,20 m hoher Schaum, der weiß aussah, von fester Konsistenz war und bei Sonnenschein bläulich leuchtete. Außerdem roch es oft nach faulen Eiern.

Freitags nach 18.00 Uhr und Samstag vormittags kam regelmäßig eine braun–schwarze Brühe, der Bach wuchs um 30 cm – 40 cm an. Es dauerte ½ bis 1 Tag bis die Brühe abgeflossen war, am Ufer setzte sie sich fest und blieb das ganze Jahr erhalten. In der Mühle in Scheidingen hatte man zu dieser Zeit sehr viele tote Fische und Schnecken im Rechen, Großmuscheln wurden dabei nie gesehen. Nach kurzer Zeit waren im Salzbach keine Fische, weder Schnecken noch Kröten gesehen.

Bernd Vickermann, ein ortsansässiger Landwirt am Salzbachufer, gab diese Aussage klar und unmissverständlich. Außerdem befand sich zwischen 1920 und 2006 am Uffelbach ein Gelände, auf dem metallverarbeitende Betriebe, im 2. Weltkrieg Rüstungsproduktion und später Panzerwerkstätten angesiedelt waren. Dieses Gebiet war mit Schwermetallen und anderen Giften verseucht, es hat auch das Grundwasser vergiftet und sicherlich auch den Salzbach belastet.15

3.2 Bohrkerne

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Bisher hatte ich nur aus Büchern, Internet oder von Zeitzeugen Informationen über die Wasserqualität erhalten. Um Beweise aus der Vergangenheit zu bekommen, entschied ich mich – wie bei Bohrkernen in der Antarktis – in einem Altarm des Salzbachs in Scheidingen vier Rohre in den Boden zu schlagen, sie wieder herauszuziehen und den Inhalt zu untersuchen. Dieser Altarm hat seit der Bachbegradigung im Jahr 1984 kein Wasser mehr. Deshalb müssen die Sedimente dort mehr als 30 Jahre alt sein und können mir Informationen aus früheren Zeiten geben. Es gibt auch noch einen Altarm bei Kortemühle, dort habe ich auch einen Bohrkern gezogen und zusätzlich noch einen Bohrkern in der Mersch am Ufer des Salzbaches. Alle vier Bohrkerne aus dem Altarm enthalten überwiegend festen, feinen, graubraunen Sandboden. Unter dem Mikroskop erkennt man, dass er aus hellen, einheitlichen, leicht gerundeten Quarzkörnern besteht. Man erkennt unterschiedliche Schichten, die zum Teil viele Muscheln und Schnecken und ihre Bruchstücke enthalten.

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Außerdem enthalten diese Schichten schwarze Partikel, die beim Verbrennen nach Kunststoff riechen, und Splitter von Lack oder Emaille. Das sind eindeutig künstliche Verschmutzungen.

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Man findet auch viele weiße Kalksteinbröckchen mit einem Durchmesser bis zu einem halben Zentimeter, die man daran erkennen kann, dass sie in Salzsäure sprudeln.  Es gibt viele  Kohlestückchen und eisenhaltige Klümpchen, die man mit einem Test auf „Berliner Blau“ nachweisen kann. Solche Teilchen können natürlichen Ursprungs sein, aber weil sie in den heutigen Bachsedimenten nicht mehr auftauchen, gehe ich davon aus, dass es Industrieabfälle sind.

Die Ergebnisse der Bohrkerne aus der Mersch und aus dem Altarm bei Kortemühle brachten die gleichen Ergebnisse. Aus den alten Berichten erfährt man, dass der Salzbach mindestens 80 Jahre lang stark belastet war. In manchen Zeiten war er bestimmt ökologisch tot, weil er überdüngt wurde und viele verschiedene Gifte in ihn hinein gelangten. Mehrere Schichten mit Muscheln und Schnecken zeigen aber, dass der Bach nicht die ganze Zeit in so schlechtem Zustand gewesen sein kann, denn diese Tiere brauchen sauberes Wasser. Sie haben sich wahrscheinlich in guten Zeiten vermehrt und sind dann massenweise gestorben, als die Wasserqualität schlechter wurde. Wenn sich der Bach erholt hatte, konnten wieder Muscheln und Schnecken einwandern und sich vermehren, bis das Wasser wieder schlechter wurde u.s.w. So lassen sich die Schichten erklären, in denen viele gleichgroße Muschel- und Schneckenschalen zu finden sind.

3.3 Die Salzwasserquelle

Als ich im Internet und in Büchern nach einer frühen Beschreibung des Salzbaches suchte, fand ich eine interessante Information:Salzbach 364

Dann ist da noch der Salzbach zu erwähnen. Das Wasser desselben ist zwar gegenwärtig nicht reicher an Kochsalz als alle übrigen Gewässer jenes Landstriches. In der Gemeinde Scheidingen (nordöstlich von Werl) ist auf der Wiese „am Werler Baum“ eine Stelle, an welcher, wie mir von gut unterrichteter Stelle erzählt wurde, in jedem Frühjahr Salzwasser entspringen soll, welches einen stark ockrigen Absatz bilde und den Graswuchs verderbe. Im Herbste zeigten sich die dortigen Gewässer nicht salzhaltig. Diesen ockrigen Absatz durch Niederschlag von Eisenoxydhydrat beim Entweichen der Kohlensäure, die das Eisen in dem Wasser gelöst hielt, bilden die Quellen in Werl ganz allgemein. „16

Beim Durchlaufen des Salzbaches hatte ich eine ähnliche Stelle gesehen. Nun wollte ich sie weiter untersuchen. Die Stelle befindet sich 8.50 m neben dem alten Salzbachlauf. Der ockerige Absatz ist ca. 1.70 m hoch und ca. 2.50 m breit zu erkennen, es zieht sich von der Sole des Salzbaches bis direkt 15 cm oben am Ufer unter die Grasnarbe. Eine Wiese war damals laut Beschreibungen auch dort. Bei genauerem Hinsehen im Bachbett konnte ich sehen, wie Wasser unter gelblichen und rostigen Steinen aus dem Boden drückte. Die Quelle existiert immer noch, nur liegt sie heute mitten im Salzbach, da der Bach vor Jahren begradigt wurde. Ob es die genau die oben genannte Stelle ist, kann ich mit Gewissheit nicht behaupten, aber die Fakten sprechen schon dafür.

Bilder zur Salzbachquelle

Bild33

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Jeder, ob beteiligt oder nicht, hat immer seinen Vorteil von einer Umwelt, die einen Ausgleich mit den Menschen vor Ort finden kann oder zumindest einen Blick dafür öffnen sollte. Wer soll denn auch mit Muscheln, Fischen oder ganz geringen Schadstoffen im Wasser ein Problem haben? Die Maßnahmen zur Schaffung (mögliche Ausschreibung von Naturschutzgebieten am Salzbach) und zum Erhalt ( vereinzelte Steinschüttungen für die Muscheln oder Zuflusskontrollen der Nebenflüsse) einer vernünftigen Salzbachökologie können von allen Beteiligten konstruktiv formuliert und umgesetzt werden.  Wenn ich mit meinem Projekt auf diesem Gebiet eine Anregung leisten konnte, dann will ich zufrieden sein.17

                                                                       Fortsetzung folgt…