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Der Pferdekopf auf dem Hillefeld bei Welver. Ein archäologisches Interpretationsreservoir?

Der Pferdekopf auf dem Hillefeld bei Welver. Ein archäologisches Interpretationsreservoir?

 

Inhaltsverzeichnis

Proömium

Die Pferdebestattungen sind keine Marginalie!

Analogien im altsächsischen Raum

Ein Potpourri an Leitfragen für den Pferdeschädel vom Hillefeld

Ein sagenhaftes Parergon

Tacheles zum Epilog

Anhang

Literaturverzeichnis

Hyperlinks

Abbildungskatalog

Abbildungsverzeichnis

Proömium

Die Pferdeopfer, die in dieser Schrift ex definitione vornehmlich als rituelle Pferdebestattungen betrachtet werden, gehören als Sekundärbestattungen – wenn auch im marginalen Modus – thematisch in die Gräberarchäologie und den Totenkult der Vorgeschichte, der Antike und des Mittelalters. Die in der heutigen autonomen Republik Tuwa in Sibirien beheimatete spätbronzezeitliche Aldy-Bel-Kultur, die Skythen in den eurasischen Steppen Südrusslands und der Ukraine, also allgemein der Skythisch-sakische Horizont, oder die späthelladische Periode kannten diesen Ritus. Aus den niedersächsischen Siedlungskammern Rullstorf, Emstek-Drantum und Wulfsen oder aus dem niederösterreichischen Stillfried an der March sind Pferdeopfer dokumentiert. Neben archäologischen Überresten können auch die Fragmente einstiger Tieropferriten im religiösen Alltag oder allgemein die Darstellung von Tieropferszenen auf überlieferten ikonischen Materialien die über die Zeitepochen hinweg gängigen Bestattung veranschaulichen. Denken wir hier nur an das Bukranion, das bereits im Hellenismus und in der römischen Antike in plastischer oder ikonischer Ausführung zum standardisierten Dekorationsaccessoire gehörte. Auch für die zahlreichen Hieromanten und Chaldäer im Alten Orient und in der klassischen Antike ist das Extiszipin belegt. Ritualisierte Opferungen werden bis heute in den Weltreligionen praktiziert, mit dem Matagh in Armenien, am indischen Kalighat-Tempel oder durch den islamischen Eid ul-Adha kardinal veranschaulicht.

Die Pferdeopfer gehören expressis verbis als von den Zeitepochen losgelöste transnationale Konstante hinsichtlich der Tieropferriten aufgeführt und in den Diskurs getragen. Betrachten wir das vedische Ashmavedha, als dediziert den indischen Königen bei deren Königskrönungen oder -bestattungen ein Pferd geopfert wurde, neigt sich den Diskursteilnehmern als ostensive Konklusion der Argumentationsgriff entgegen, die Rossopfer auf das jeweilige Establishment zu fokussieren. Und in der Tat, das Ashmavedha-Opfer war im indischen Kulturkreis stets dem Radscha vorbehalten oder erhielt durch die Honoratioren eine Renaissance, wie unter Maharajadhiraja Samudragupta aus der nordindischen Gupta-Dynastie im 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung geschehen. Ganz der Verbreitung und dem Wesen der indogermanischen Sprachfamilie Rechnung getragen, werden ähnlich gelagerte Rossopferzeremonien auch bei den Turkvölkern oder in Kontinentaleuropa von hochgestellten Persönlichkeiten initiiert worden sein. Ob Primär- oder Sekundärbestattungen, Einzel- oder Mehrfachbestattungen oder das Rossopfer als Ausdruck regaler Bestattungsriten, die Affinität nach dem deutschen Philosophen Jakob Friedrich Fries muss vorgelegen haben, nicht nur in der Intention, sondern auch – der Archäologie Genüge zu tun – in der Plastizität der Überreste. Und hier setzt der archimedische Punkt meiner Ausarbeitung an.

Das Hillefeld gehört verwaltungstechnisch zur Verbandsgemeinde Welver, im Landkreis Soest gelegen. Es handelt sich dabei um eine Flurparzelle im Süden der Gemeinde Scheidingen. 2015 wurden auf dem Hillefeld unter der Regie des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe, Archäologie für Westfalen (LWL) Ausgrabungen durchgeführt hinsichtlich der Dokumentation mittelalterlicher Besiedlungsspuren in Ausmaß, Form und daraus ableitender Funktionalität. Im Fokus dortiger archäologischer Aktivitäten stand im Sommer 2015 ein Grundmauerzug, den es galt freizulegen. Während dieser archäologischen Tätigkeiten konnte in einer Abfallgrube ein Pferdekopf – in den Ausmaßen fast schlechthinnig erhalten –  ausgegraben und dokumentiert werden. Bisher konnten weder fachliche Diskurse, gar dezidierte Versuche dahingehend, noch evidente literarische Annäherungen bezüglich jedweder Interpretationen zur Präsenz dieses Biofaktes perzipiert werden. Billigermaßen? Ich will den Versuch unternehmen, über ausgewählte Exempla Analogien aufzuzeigen, um diesen Pferdeschädel nach archäologischen und historischen Gesichtspunkten argumentativ in das Potpourri belastbarer Zuordnungen integrieren zu können. Der Pferdeschädel soll sich vom bloßen Dokumentationsstatus emanzipieren und als Rückgriffbiofakt für das Explizieren von komplexen Zusammenhängen im Scheidinger Umland dienlich sein. Um der Übersichtlichkeit, der Stoffrelevanz und dem Objektivismus einer Ausarbeitung Genüge zu leisten, werden als thematischer Restriktionsrahmen die Konzentration auf das altsächsische und mainfränkische Einzugsgebiet statuiert und die Argumentation nivelliert geführt zur Vermeidung ekstatisch-dogmatischer Argumentationsketten.

Methodisch ist dabei der Werdegang vom Allgemeinen zum Speziellen eine Notwendigkeit hinsichtlich der Charakterisierung eines Pferdeschädels. Das Aufzeigen von (über-)regionalen Analogien und übereinstimmenden Parametern – sofern sie denn existieren – erleichtert die Zuordnung oder die eben aus der Abwägung heraus resultierende Verneinung einer Funktionszuordnung für den Hillefeldschen Pferdeschädel. Der Anspruch auf Vollständigkeit im Aufzeigen von Analogien ist aber keine Zielkomponente dieser Ausarbeitung, denn der Plastizität wegen bedarf es einer didaktischen Reduktion. Wenn ich ein Biofakt, ein Überrest allgemein der Adjunktion zuführe, bedarf es dabei idealiter objektiver Parameter zur Eingrenzung oder Identifikation bezüglich der Zeit- und Kulturepochen. Die Krux mit dem Hillefeldschädel liegt dabei im Tatbestand des Nichtvorliegens direkter Bezugsgrößen, da die Befundmasse exzeptionell und autark auf einer Ackerfläche vorzufinden war. Lediglich die angrenzenden Überreste von Besiedlungsspuren und Biofakten geben Halt in den Interpretationsansätzen für mögliche Funktionalitätszuordnungen. Daher legt die Ausarbeitung den Akzent auf das Setzen von Signifikanzen und Konklusionen aus den Besiedlungsspuren und dem abseits gelegenen Pferdeschädel. Sine ira et studio, dieses für Diskurse notwendige Kriterium in Darbietung und Beantwortungsszenarien eines (selektiven) Leitfragenkonglomerates ist der eigene Anspruch für diese Ausarbeitung. Die nie unsichtbare Diskrepanz besitzt dabei eine pikante, persönlich motivierte Note, denn thematisch können von mir initiierte und eigene archäologische Tätigkeiten integriert werden in die Ausarbeitung. Autochthone Beatifikationen werden aber nicht skizziert.

Samantha Seithe

 

Die Pferdebestattungen sind keine Marginalie!

Zunächst soll ein Abriss über diese Biofakte das Bewusstsein stärken für die Legitimation im merklichen Befundkatalog der Archäologie. Und einige Pferdebestattungen sind in der archäologischen Befunddokumentation vorlegbar. In Kontinentaleuropa waren die Pferdegrabriten bis in das Hochmittelalter hinein präsent. Waren in der Spätantike Pferdebestattungen überwiegend in Pannonien, im Bulgarenreich, in Thüringen und den alamannisch-bajuwarischen Einzugsgebieten zu beobachten, expandierte der Pferdegrabritus zunehmend über den kompletten Herrschaftsbereich der Merowinger und konnte sich auch in Mainfranken oder im Südwestfälischen etablieren. Es ist anzunehmen, dass diese heidnische Sitte im Rahmen der Völkerwanderungsbewegungen in den gallorömischen und rechtsrheinischen Siedlungsgebieten entweder durch ein Oktroy oder durch die Synthesis Platz fanden in den Regularien der Bestattungsriten. So ist auch zu erklären, dass es gerade die Nachfahren der heidnischen Sachsen waren, die bis in das 11. Jahrhundert diesen Grabritus praktizierten, sozusagen als theodiske Plastination des Ursprünglichen, des den romanisierten Germanen und Franken Konträrem. In Anspielung auf die romanisierten Bevölkerungsgebiete kann man dann aber auch Tacitus heranziehen, der schon davon berichtete, dass die Germanen in den Pferden die Vermittler von Vorzeichen und Weissagungen sehen würden. Wie heißt es doch treffend an der entsprechenden Stelle im 10. Kapitel der Germania zum öffentlichen Leben:

Et illud quidem etiam hic notum, avium voces volatusque interrogare; proprium gentis equorum quoque praesagia ac monitus experiri.[1]

Abbildung 1: Das Pferdegrab von Wulfsen.

Der Ur- und Frühhistoriker Michael Müller-Wille dokumentierte bereits in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts beinahe über 250 Reihengräberfelder mit Pferde- und Pferdeteilbestattungen, wobei geographisch der altsächsische Raum majorativ vertreten ist. Alamannen, Bajuwaren und Rheinfranken waren dem quantitativ nachgelagert. Und Gräberfelder wie das im niedersächsischen Wulfsen (Abb. 1) waren da noch nicht aufgenommen. Auch die Anzahl der bestatteten Pferde ist facettenreich und nicht nach Regularien in der statistischen Masse kategorisierbar.[2] Die Einzelbestattungen ragen deutlich hervor, die Mehrfachbestattungen sind majorativ im geographischen Gürtel vom Friesländischen in das Anhaltinische anzutreffen. Die Dreifachbestattungen sind nicht als statistischer Ausreißer zu interpretieren ob ihrer quantitativen Marginalität, aber zahlenmäßig unterrepräsentiert, jedoch geographisch im Altsächsischen behei

Abbildung 2: Die dem „Fürstengrab von Beckum“ zugeordneten Pferdegräbern.

matet (Beckum in Nordrhein-Westfalen, Wulfsen in Niedersachsen, Griefstedt in Thüringen). Die profane Einschachtung war dabei die obligatorische Bestattungsmethode, konnte jedoch bautechnisch auch Transnormalitäten aufweisen, so zu beobachten auf den westfälischen Gräberfeldern von Beckum (Abb. 2) und Bremen-Ense mit holzverkleideten Gruben. Auch Kreis- und Rechtecktgräben als Umwallungen oder Pfostenanlagen sind dokumentiert.[3]

Und die Ausrichtung der Pferde? Auch hier gibt die statistische Masse keine signifikante Kategorisierung preis. Aufgestützte Köpfe, Bestattungen mit rechts- oder linkslagiger Rumpfausrichtung, Bauch- oder Rückenlage und Ausrichtungen nach allen Himmelsrichtungen können sind dokumentiert. Lediglich in Clustern kann man schwerpunktmäßig im alten Sachsen nach Regionen die Ausrichtung angeben, die aber versetzt sind mit zahlreichen statistischen Ausreißern. So kam im alten Ostsachsen, also in Teilen des heutigen Mitteldeutschlands, schwerpunktmäßig die Ost-West-Ausrichtung zum Einsatz, in Engern und Westfalen dagegen majorativ die Nord-Süd-Ausrichtung zum Vorschein.  Allerdings liegt in toto dieser Einteilung keine sklavische Kategorisierung zugrunde, denn das Vorhandensein mehrerer Bestattungsrichtungen ist in allen altsächsischen Gebieten anzutreffen, auf dem Gräberfeld von Grone in Niedersachsen sogar mehrere Bestattungsrichtungen. Geschlechtsspezifische Kategorisierungen sind nur bedingt möglich, da osteologische Analysen nicht für alle Befunde vorliegen. Wo osteologische Befunde vorliegen, kann klar ein Votum für den Hengst oder für den Wallach gegeben werden. Aber auch hier können weibliche Exemplare nicht ausgeschlossen werden, wie im sachsen-anhaltinischen Schönebeck schon in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts vom Museologen Wolfgang Wanckel aufgezeigt wurde. Auch im brandenburgischen Gröditsch (Abb. 3)

Abbildung 3: Pferdegrab aus Gröditsch, Bef. 35.

wurden 2001 neben Rindern trächtige Stuten und ein Fohlen entdeckt. Darüber hinaus wurde dort ein ausgewachsenes Pferd dokumentiert, dass mit unter dem Körper angewinkelten Beinen in einer in Nord-Süd-Ausrichtung gelegenen Grube lag.[4]  Die Spannweite hinsichtlich des Alters ist jedoch ungewöhnlich hoch. Das oberbayerische Wielenbach kann ein halbjähriges Fohlen vorweisen, das niedersächsische Grone ein mehr als rüstiges Exemplar von stattlichen 20 Jahren. Um robust sich den statistischen Ausreißern entgegenzustellen, kann auch der Modalwert Verwendung finden für diese statistische Masse und irgendwo zwischen vier und acht Altersjahren platziert werden für die Bestattungspferde. Die partiellen Pferdebestattungen – und hier zählt Hillefeld zu den Kandidaten – treten untergeordnet in Erscheinung. Verena Freiin von Babo zählt beispielsweise ohne Berücksichtigung des Hillefeldes 26 Kopfskelettbefunde in ihrer Dissertation von 2004 auf.[5]

Um der Nennung aller Besonderheiten gerecht zu werden, auch Knochen anderer Tiere sind als Beigaben in Pferdegräbern dokumentiert, oft im Zusammenhang mit der Dekapitation der Pferde. Nehmen wir das unterfränkische Zeuzleben. Anfang der achtziger Jahre im 20. Jahrhundert kamen bei Erdarbeiten markante Bodenverfärbungen – also ein klassischer Indikator für verfüllte Grabschächte – zum Vorschein und gaben die Initialzündung für eine systematische Bodenanalyse. Das Ergebnis war ein frühgeschichtliches Gräberfeld mit Menschen- und Tiergräbern. Die Pferde waren größtenteils enthauptet, Hundegräber den Menschengräbern beigefügt. Da zahlreiche Tierknochen auch zur Befundmasse der Menschengräber gehören, liegt die Vermutung nahe, hier eine rituelle Begräbnisstätte anzusetzen oder zumindest die enthaupteten Pferde als elementaren Bestattungsritus zu interpretieren. Auffallend ist dabei – und zugleich als Verstärkung geeignet für die These des rituellen Bestattens – die Beobachtung auf dem Zeuzlebener Gräberfeld, dass in einem Grabschacht ein menschliches Skelett unterhalb eines vollständigen Pferdeskelettes lag.[6]

Das ebenfalls in Unterfranken gelegene Kleinlangheim im Landkreis Kitzingen verfügt über ein ganzes Arsenal an Tierskeletten, die bereits ausführlich in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts von den Münchener Tiermedizinern Joachim Boessneck und Angela von den Driesch-Karpf osteologisch vollumfänglich in die Befundaufnahme überführt wurden. Neben den dekapitierten Pferdeschädeln gehören ein Rinderschädel, ein Widderschädel, ein Wolfsskelett und ein Rothirschgeweih zur Ausstattung des Tierfriedhofes.[7] Da allen Pferdeskeletten in Kleinlangheim der Schädel fehlt, kann hier eine Verwendung der Pferdeköpfe zu kultischen Zwecken angenommen werden. Nicht unüblich war, dass die Pferdeköpfe auf Pfähle oder Firste gesteckt wurden. Offensichtlich wurden die Pferde als Kameraden interpretiert, die den beigesetzten Menschen als Transportmittel in einem wie auch immer gelagerten Jenseits dienen sollten. Auch hier lag geschlechtsspezifisch die männliche Ausprägung vor, möglicherweise waren es Wallache. Warum? Die Beckenknochen waren der Indikator, das Geschlecht der Pferde als männlich zu bestimmen.  Da das Os pubis eines Pferdeskelettes auf dem Gräberfeld eine leichte Eindellung besitzt nahe der Mediane an Stelle des Tuber dorsale, kann auf eine Kastration geschlossen werden, da die Beckenformtransformation eine direkte Kastrationsfolgeerscheinung von Hengsten ist. Ob es für alle Pferdeskelette zutrifft, kann aber nicht mit Sicherheit formuliert werden, da Schambeinanomalitäten lange Vorlaufzeiten haben, und die Pferdeskelette wurden nicht in Kleinlangheim als vollständig adult katalogisiert, so dass noch kein anatomischer Unterschied zwischen Hengst und Wallach bestehen muss.[8] Da der Hillefeldfund nicht zur Dekapitationsbefundmasse gehört, soll es bei diesem Exkurs bleiben mit dem Schaffen eines Bewusstseins, dass die Interpretationsindikatoren für den Pferdeschädel auf dem Hillefeld nicht vollumfänglich nutzbar sind wegen des Fehlens anatomischer Charakteristika.

Das Pferdegeschirr ist nicht obligatorisch für die dokumentierten Pferdebestattungen, aber eben auch nicht unbekannt. Trensen, Zaumzeugbeschläge oder Steigbügel gehören zur Asservierung. Ein Musterbeispiel derartiger Grabbeigaben ist im westsächsischen Schleenhain dokumentiert, als Ende der neunziger Jahre im letzt

Abbildung 4: Grube mit Pferdebestattung aus Schleenhain.

en Jahrhundert nahe der mittelalterlichen Wüstung Cossa eine Grabgrube entdeckt wurde, in der ein Pferdekadaver stehend ausgerichtet bestattet wurde. Hierfür waren die Grubenvertiefungen dienlich, in denen sich die Vorder- und Hinterläufe befanden. Und der Pferdekopf ruhte leicht erhöht auf einem

Abbildung 5: Pferdeschädel mit eiserner Trense aus Schleenhain.

Sockel (Abb. 4). Das Kuriosum an diesem Pferdeschädel lag nicht in dem mit Steigbügeln und Trense ausgelegtem Grab, sondern in der Aufzäumung des Pferdes mit diesen typischen Grabbeigaben (Abb. 5).[9] Hilfreich waren diese obligatorischen Grabbeigaben durchaus, denn die dortige Ringtrense zeigt eine ungefähre Gebissweite von zehn Zentimetern. Zudem erschien die Verdickung der Gebisshaltung, mittig platziert, als Schlussfigur dienlich zu sein für Knebeltrensen, da die Verdickung die für Knebeltrensen typische Durchlochung aufweist. Eine tragbare Konklusion wäre damit die Annahme einer Gebissbreite von nur knapp sieben Zentimetern. Nimmt man die Spannweite der durch die Trensen vorgegebenen Gebissweiten, läge Schleenhain im untersten Datencluster, für die frühmittelalterlichen Artefakte sogar außerhalb der katalogisierten Messdaten. Ob aus diesen Widersprüchen oder Nichtpassungen Konklusionen hinsichtlich der zeitlichen Einbettung getroffen werden können, bleibt vorerst abzuwarten, trübt aber keineswegs die ausführliche Dokumentation der stehenden Pferdebestattung.[10] Auch wenn Grabbeigaben wie die Trensen in Schleenhain zur Verwirrung beitragen können, bleibt doch der Positivismus nicht dem Einsturz zwingend zugeführt. Der Steigbügel aus dem Schleenhainer Pferdegrab offenbar eine interessante Vernetzung in den asiatischen Raum. Da hier der Riemendurchzug zur Befestigung des Steigriemens in den Bügelkörper integriert ist, kann der Fund frühestens in das beginnende 11. Jahrhundert verlegt werden, da bis zum Ende des ersten Jahrtausends der Riemendurchzug am Bügel an- oder aufgeschmiedet vorzufinden war, zumindest in der Restriktion zulässig auf Grundlage der katalogisierten Steigbügelfunde. Abgesehen von einer technischen Finesse, blieb diese Technik nur zwingend in der Konstruktion für Panzerreiter, die durch die neue Riemendurchzugstechnik die Bügel einer größeren Belastung zuführen konnten und damit die Pferdekraft vollständig ausschöpfen konnten in Kampfsituationen oder für leichte Reiterei mit ihren leistungsfähigen Kompositbögen. Vielmehr kann in dieser Steigbügelform auch eine Verbindung zu den Steppenomaden im Einzugsgebiet der Kiewer Rus und der byzantinischen Schwarzmeergebiete gezogen werden, die diese vornehmlich nutzten. Lokale Fürsten bedienten sich dieser Steppennomaden als Reservoir für eine Soldateska, Söldnertätigkeiten der einzelnen Turkvölker sind quellentechnisch belegt für den polnisch-ungarischen Raum im Mittelalter.[11]

Diese Grabbeigaben gehören nicht nur aufgelistet, um der Vollständigkeit des Befundes gerecht zu werden, sie lassen auch Rückschlüsse zu hinsichtlich der Funktionalität eines Pferdes. Ob Reitpferd, Waffenpferd oder ein in der Landwirtschaft eingesetzte Allrounder auf vier Hufen, die Interpretationen können verwirrend ambigue sein.  Mit Blick auf die weiteren Ausführungen scheinen hier einige Anmerkungen hilfreich zu sein hinsichtlich der Wertschätzung und der Position des Pferdes zu seinem Besitzer. Grundsätzlich diente das Pferd als Transportmittel und zwar in der Form, dass die Bestatteten auch die Reise in das Jenseits hätten antreten können oder im Jenseits ein Pferd zur Verfügung gehabt hätten. Im Rahmen von Bestattungsfeierlichkeiten gehörte das Pferdefleisch zum standardisierten Begräbnismal, das Fell und der Schädel wurden jedoch symbolisch in die rituelle Begräbniszeremonie aufgenommen als Begräbnisinventar. Es war durchaus üblich, dass der Pferdeschädel auf Stangen am Grab aufgesteckt wurde oder wenige Meter vom Körpergrab abseits eine eigenständige rituelle Bestattung erfuhr. Als pars pro toto wurde das Pferd in der Bestattung als Fortführung der diesseitigen Symbiose geopfert.[12] Nehmen wir hier das Grab des „Herrn von Beckum“ aus dem westfälischen Landkreis Warendorf als repräsentatives Beispiel für die Zurschaustellung einer sozialen Stellung des Bestatteten über die Beigabe von Pferdegräbern. Alleine zwölf Pferde und ein Hund wurden diesem Mann beigegeben, und die qualitativ hochwertige Menge an Grabbeigaben wie Waffen, Geschirr oder Schnallen weisen den Mann zweifellos als Angehörigen der Oberschicht aus. Der Ango, das Replikat einer Goldmünze Justinians aus Byzanz, eine eiserne Streitaxt, ein Ringknauf-Schwert, eine bronzene Pinzette, eine Bronzeschale oder die Goldbeschläge einer Tasche aus aufgelöteten Golddrähten sind Belege für den elitären Stand des Verstorbenen.[13] Die Bedeutung dieses Fürstengrabes liegt gerade darin, dass mit diesen Utensilien eine zeitliche Datierung relativ exakt vollzogen werden kann. Die zum Grabbeigabeninventar gehörenden Bronzeschnallen mit punzverziertem Laschenbeschlag ermöglichen die Einordnung in die merowingerzeitliche Gräberfeldkultur um Chilperich I. und Chlothar I. am Ende des 6. Jahrhunderts.[14] Offensichtlich war das Pferd als zusätzliches Statussymbol gedacht. In der Fachwelt werden die zugehörigen Pferdebestattungen als Opfer interpretiert für den Ritt nach Walhall oder als waffentragendes Tier. Auch die Qualität des Zaumzeugs in den Pferdegräbern – insbesondere mit den Notationen 34/110 und 10/10 auf dem Beckumer Gräberfeld  – entspricht der Qualität der Grabbeigaben aus dem Grab des „Herrn von Beckum“.[15]

Signifikante Verbindungen zwischen den Menschengräbern und den Pferdegräbern können nicht aufgezeigt werden. Ob gesondert, im Verbund oder zentriert auf den Gräberfeldern, bleibt vermutlich den örtlichen Besonderheiten vorbehalten. Die quantitativ merkliche Existenz von Ausnahmen verbietet dahingehend Kategorisierungen, zumindest für die Bereitstellung allgemeingültiger Konklusionen. Nehmen wir die großflächige Verteilung der Pferdegräber an auf den Gräberfeldern, belehren uns die Pferdegräber im niedersächsischen Bovenden oder die niederländischen Zweeloo und Loveen eines Besseren.[16] Auch die Suche nach einem System, um die Menschengräber in einen funktionalen Zusammenhang zu bringen mit den Pferdegräbern, bleibt verwehrt, da willkürliche Abstände zwischen den Bestattungsparteien keine Korrelation zulassen oder für wenige Pferdegräber sowohl Frauengräber als auch Männergräber Bezugspunkte sind. Und dabei sind noch nicht einmal die zahlreichen Pferdegräber auf den Gräberfeldern berücksichtigt, bei denen die dort lokalisierten Menschengräber das jeweilige Geschlecht nicht preisgaben. Dieses Faktum der Willkürlichkeit und die asyndetischen Cluster wirken wie Blei auf den Argumentationstragflächen dieser Ausarbeitung, müssen jedoch fachwissenschaftlich angenommen werden.

Analogien im altsächsischen Raum

Starten wir mit dem Gräberfeld in Ense-Bremen, einem Bestattungsplatz südwestlich der westfälischen Stadt Soest nahe der Möhne gelegen. Nicht nur die räumliche Nähe zum Hillefeld erlaubt eine Einordnung in den Diskurs, sondern die dem Bestattungsfeld zugeordneten Bestattungsinventare aus verschiedenen archäologischen Phasen von annähernd 2000 Jahren. Schon in der späten Bronzezeit erlebte dieser Bestattungsplatz eine ritualisierte Grabbeigabenkultur, wie die zahlreichen dokumentierten Grabeinhegungen belegen. Ob Kreis-, Schlüsselloch- oder Langgräbenformationen, die auf dem Gräberfeld die Körper- und Brandgräber mit teils Leichenbrand einhegten, den Menschen in der Bronze- und Eisenzeit oder der Römischen Kaiserzeit war ein vorchristlicher Bestattungsritus für deren

Abbildung 6: Eine Urne aus Ton im Gräberfeld von Ense-Bremen.

Erinnerungskultur ostensiv ein realisiertes Desideratum. Auf dortigem, vorchristlichem Boden erfolgte exemplarisch durch Urnen aus gebranntem Ton (Abb. 6) als Depositorien für den rudimentären Leichenbrand ein generationenübergreifender Bestattungsritus. Zudem konnte über vergleichende Methoden der keramischen Überreste eine Affinität zur Niederrheinischen Grabhügelkultur aufgezeigt werden. Auch die insbesondere aus den Körpergräbern des Frühmittelalters dokumentierten Grabbeigaben wie Scramasaxe, Schildbuckel oder das Potpourri an Alltagsgeräten müssen in der merklich umfänglichen Bedeutung für den experimentellen Historiker und für den Archäologen ostentativ formuliert werden.[17] Aus der Relevanz des westfälischen Gräberfeldes – nicht nur dieses Gräberfeldes –  generieren sich Blickwinkel für die nachfolgenden Betrachtungen zu Pferdegräbern respektive Pferdeschädeln. Die natürlich bedingte Putreszenz in den Gräberfeldern führt apodiktisch zur Vernichtung von Grabbeigaben, und damit liegt für die Rekonstruktion ganzheitlicher Zusammenhänge ein Malus vor. Diese fragmentarischen Überreste tragen per se den Charakterzug der fragilen Konklusionen in sich. Wenn wir Ense-Bremen in den Diskurs tragen, dann sind die zahlreichen organischen Aufbewahrungsbeigaben wie Holzgefäße oder Lederutensilien in den Gräbern mit Leichenbrand entweder unwiderruflich gelöscht aus der Inventarliste oder widerrechtlich dem tatsächlichen Inventar zugefügt worden, ganz zu schweigen von osteolytischen Prozessen in den Körper- und Pferdegräbern. Zudem werden durch externe Faktoren wie landwirtschaftliche Tiefpflüge, Dedunation, Deflation und umfängliche Umbaumaßnahmen ohne genügende Tieflage der Gräber der archäologische Modus ponens im Übermaß traktiert. Und dieses Konglomerat an Annihilationen ist zum Leidwesen der Archäologen für das Hillefeld in destruktiver Analogie vollumfänglich zu übernehmen. Nimmt man die konstruktive Analogie als Prämisse, kann alleine aus dem Vorhandensein der Grabeinhegungen in Ense-Bremen die Existenz einzelner Pferdeknochenfragmente auf dem Hillefeld in den Bedeutungsrahmen der in den Diskurs gestellten Pferdegräber aus Niedersachsen und Westfalen getragen werden. Werden die Langgräben als Ruhestätten von Familienoberhäuptern, Schöffenbarfreien, vielleicht auch von Semperfreien interpretiert, gehören die Pferdegräber als Sekundärbestattungen in die vorchristliche Ahnenkultur mittels der Totenhäuser, also als bauliches Parergon im Bestattungsritus interpretiert oder als Marginal verwendet in der altsächsischen Variante der Gräber der Noblen aus dem Alten Ägypten.

Das dingliche Konkretum liegt nun in Ense-Bremen in langrechteckigen Gruben, und die Ausrichtung der Pferde in den Gräbern kann dabei aus der Lage der Schneide- und Hakenzähne sowie aus der Lage der Prämolaren und Molaren geschlossen werden, die nicht der Zerstörung des Hydroxylapatits zum Opfer fielen. Die Ausrichtung der dortigen Pferdegräber war mehrheitlich so angelegt, dass die Pferde mit dem Kopf nach Norden bestattet wurden. Drei Pferdeköpfe zeigten auch nach Osten. Ob die Ausrichtung nach standardisierten Normen erfolgte oder die statistische Datenmenge quantitativ nach den Himmelsausrichtungen als Auswertungsmenge nicht dienlich ist, kann dem archäologischen Status quo nicht entnommen werden in Ense-Bremen, aber die Pferdekopfausrichtungen waren konträr zu den Körpergräbern.[18] Auch die zusätzlichen Nischen für die Pferdeköpfe waren in den langrechteckigen Gräbern anzutreffen. Das Grabbeigabeninventar aus den Pferdegräbern verdeutlicht zudem signifikant einen Bezug zum Totenkult. Eine ahnenkultige Ingredienz sollte dem Verstorbenen als – seinem Stand entsprechend –  adäquates Transportmittel zur Verfügung stehen, um den Weg nach Walhall antreten zu können.

Und das niedersächsische Wulfsen? Der Fund des Pferdegrabes im Landkreis Harburg südlich von Hamburg 1974 bedeutete nicht, den Leitfaden in der Interpretation derartiger Dreifachbestattungen (Abb. 1) als Phoenix aus der Asche gefunden zu haben, da das Hillefeld eine noch nicht skizzierte Einzelbestattung aufzeigte. Aber der Hillefeldsche Fund hätte gut daran getan, sich der Methoden zur Dokumentation der Pferdeskelette anzunehmen. Was war passiert nach der Freilegung in Wulfsen? Der Archäozoologe Hans Reichstein aus Kiel taxierte die drei Pferdeskelette zunächst auf ein Alter zwischen fünf und sieben Jahren, und die Hengstzähne ermöglichten eine geschlechtsspezifische Einteilung. Auch die Widerristhöhe wurde ermittelt und lag mit bis zu maximal 138 Zentimetern nicht im überdurchschnittlichen Bereich. Vielleicht waren es Artverwandte der Großponys oder Abzweigungen der Islandponys.[19] Gedankengänge und dergleichen Assoziationen dahingehend scheinen im germanischen Kulturkreis nicht abwegig zu sein. Diese Charakteristika können als Basis für belastbare Konklusionen dienen. Bleiben sie nur in der Aufzählung schon verwehrt, sind die archäologischen Überreste nicht in die Nomenklatur aufzunehmen und bleiben interpretatorisches Streuobst mit einer zügigen Halbwertzeit des Erinnerns. In der Präparation in situ zeigten die Archäologen in Wulfsen ihr Bewusstsein für die Sensibilität des Grabfundes. Brüchige Knochen und die wenig stabile Haftung des Untergrundes verlangten zunächst die Knochentränkung mit Leim bis zur Sättigung. Der Boden und die Grubenwände mussten verfestigt werden mit Speziallack, Polyurethan- Hartscham stabilisierte den Grubenhohlraum. Anschließend erfolgten der Einbau eines umfassenden Holzkastens und das Ausschäumen des Zwischenraumes zur Stabilisierung. Dieses aufwendige Verfahren – und das weitere Freipräparieren vom Hartschaum im Museum ist nicht frei von unerheblichem Arbeitsaufwand – kann nicht den Anspruch auf Übernahmeverpflichtung statuieren, aber überregionale Querverbindungen hinsichtlich der Pferdebestattungen können nur durch eine lückenlose Dokumentation erfolgen. A priori sind die archäologischen Corpora Delicti somit für Analogien perforat. Ob und in welchem Ausmaß sich der Hillefeldsche Fund dieses Defizitäre eingestehen muss, bleibt den Ausführungen zum Hillefeld in dieser Ausarbeitung vorbehalten. Interessant sind auch die Beobachtungen von Werner Haarnagel bezüglich des Gräberfeldes in Feddersen-Wierde, nahe Cuxhafen. Er kategorisierte die dortige Befundmasse nach Abfallgruben mit Tierknochen als Speisereste und Grubentypen mit Tierskelettresten. Ihm fiel auf, dass in länglich-rechteckigen Gruben oft vollständige Skelette lagen, in Pfostengruben und Gruben unterschiedlicher Ausprägung dagegen majorativ nur Pferde- oder Rinderschädel. Zudem ging er davon aus, dass nur Tiere wie Pferde, Rinder und Hunde geopfert wurden, da offenbar nur diese Tiere über sorgfältig errichtete Beisetzungsgruben verfügten[20]. Der Aufenthalt im altsächsischen Einzugsgebiet ist auch deshalb urbar, da bei Vorliegen entsprechender Grabbeigaben in Pferdegräbern gute Datierungen, Charakteristisches aus jenen Zeitepochen und Vereinfachungen hinsichtlich der Interpretationsschübe für die Einbettung des Pferdegrabes in den Gesamtzusammenhang möglich sind, unabhängig von den Erkenntnissen aus Schleenhain. Nehmen wir die Reitergräber aus dem niedersächsischen Sarstedt. Bereits zu Zeiten der Weimarer Republik dokumentierte der Archäologe Hans Gummel ein Reitergrab in Sarstedt, in dem neben dem menschlichen und dem Pferdeskelett auch ein Schwert, eine Lanze, ein Schildbuckel und eine Rippzange aus Bronze enthalten waren. Augenzeugenberichte zu jener Grabung berichteten von einem Pferd, das auf der rechten Körperseite in Südost-Nordwest-Ausrichtung verharrte, der Reiter dagegen in Südwest-Nordost-Ausrichtung bestattet lag. Und der skelettierte Schädel befand sich zwischen den Gliedmaßenknochen des Pferdes.[21] Nicht nur die Überkreuzausrichtung der beiden Weggefährten nach Walhall war dabei von Belang, sondern die Grabbeigaben wurden als Artefakte der Schlacht am Süntel 782 beschrieben, als sich der heidnische Widukind gegen die Franken erfolgreich zur Wehr setzte. Auch 2001 wurden zwei Reitergräber im Sarstedter Stadtteil Heisede entdeckt, in denen in Kammergräbern neben den Kriegern Pferde, Stoßlanze, Sax und Schild aufzufinden waren. Da beide Krieger Spuren von malignen Verletzungen aufweisen (Schädelfraktur, Unterschenkelamputation), sehen Archäologen diese Begräbnisse im zeitlichen Kontext zu den archäologischen Befunden auf den sächsischen Fliehburgen Barenburg und Amelungsburg, die Sammelstellen für die sächsischen Truppen waren gegen die Franken 782.[22]

Die frühmittelalterlichen Pferdegräber im niedersächsischen Liebenau und Wünnenberg-Fürstenberg sind dahingehend interessant, da hier in beiden Fällen detaillierte Zahn- und Skelettaltersbestimmungen vorliegen zwecks Altersbestimmung. In Liebenau wurden die langen Gliedmaßenknochen mit der Methode von Ludwig Kiesewalter ermittelt und die Widerristhöhen katalogisiert.[23] Das Fehlen jeglicher Schädel- und Beckenfragmente machte die Bestimmung des Geschlechts und die Geschlechtsverteilung unmöglich, aber Schädelfragmente und Zähne deuteten auf Hengste oder Wallache hin. Schnittspuren an den Occipital- oder Atlasfragmenten konnten nicht beobachtet werden, daher konnten für die dortigen Pferdeskelette Dekapitationen ausgeschlossen werden. Die Epiphysensensynostosierung ergab, dass die Hälfte der Probanden höchstens fünf Jahre war, wenige Exemplare waren älter als 6 Jahre. Zudem ergab die Knochenanalyse keinerlei Indizien für pathologische Veränderungen wie Arthritiden oder Spondylarthrosen, die als Parameter für langanhaltende oder einseitige Überbelastung gelten.[24] In Wünnenberg-Fürstenberg wurden neun Pferdegräber dokumentiert, in zwei Gräbern gab es nur die Schädel und fragmentierte Gliedmaßenknochen. Es gab verschiedene Orientierungen in der Ausrichtung, allerding lagen tendenziell die Pferde auf der rechten Körperseite mit angewinkelten Gliedmaßen. Lediglich in zwei Gräbern kamen Grabbeigaben zum Vorschein. Rainer Springhorn beschäftigte sich ausführlich mit den Kenndaten der Pferdeskelette wie Größe, Alter oder Geschlecht. Das Stockmaß erhielt wieder eine Vorgabe durch Ludwig Kiesewalter, und das Alter wurde nach dem Zahnstatus und dem Zahnabrieb ermittelt. Die Ausformung des Tuberculum pubicum dorsale und des Ramus acetabularis ossis pubis des Beckens und die Hakenzähne dienten als Beleggrundlage für die geschlechtsspezifische Katalogisierung.

Ein Potpourri an Leitfragen für den Pferdeschädel vom Hillefeld

(Leitfrage 1) War der Hillefeldsche Pferdeschädel ein Bauopfer? Diese Frage kann nicht aus der bloßen Existenz des Schädels konkludiert werden, sondern gehört als eine Staffage in die Ausgrabung und Dokumentation einer komplexen Bebauungsstruktur des archäologischen Grabungsgeländes. Es ist keine apodiktische Determinante, aber die Überreste von Baustrukturen dienen als für fachwissenschaftlich intonierte Diskurse belastbare Gradmesser auf der Suche nach Funktionalitäten der Artefakte. Schauen wir uns zunächst im Abriss das oberbayerische Ingolstadt an für die Bereitstellung von Vergleichswerten. Hier konnten zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf dem Ingolstädter Rathausplatz stratigraphische und topographische Erkenntnisse gewonnen werden durch das Auffinden mittelalterlicher Überreste. Die detailliert dokumentierte Ausgrabung brachte im alten Fließwasserareal des Flusses Schutter ein archäologisches Überraschungsmoment zum Vorschein, als ein mittelalterliches Holzhaus freigelegt werden konnte. Alleine die facettenreiche Dokumentation war für den Städtebauhistoriker ein Damaskus

Abbildung 7: Hausgrundriss Ingolstadt.

hinsichtlich unterstellter mittelalterlicher Profanbautechniken. Das Holzhaus verfügte mindestens über eine horizontale Querschnittsfläche von 60 Quadratmetern, war West-Ost orientiert und als Überreste konnten eine zentral gelegene Herdstelle, Teile des Fußbodens und der Schwellenkranz des Ständerbaus gesichert werden (Abb. 7). Auch die Nutzungsdauer muss von Konsistenz geprägt gewesen sein, da mehrlagige Lehmtennen dokumentiert wurden. Zudem erfolgte die Errichtung auf einer künstlichen Insel im Schutterwasser, realisiert durch einen Bohlenkasten mit Lehmabdichtungen und Kiesauffüllungen. Das Intermezzo in die Ingolstädtter Stadtbaugeschichte sei nun beendet, aber das objet de désir

Abbildung 8:  Das Pferdeskelett aus Ingolstadt, Bef. 159.

findet selbstverständlich Erwähnung. Im Bohlenkasten fand sich zentral gelegen als Bauopfer das Skelett eines Pferdes mit sauber platziertem Pferdeschädel auf dem Skelettrücken unter der Kiesverfüllung des Holzkastens (Abb. 8).[25] Eine weitere Festigung der Querverbindung von Pferdeschädelfunden und Besiedlungsartefakten liefert das unterfränkische Trappstadt, das 2014 bei Grabungen auf dem Schlosshof der dortigen Schlossanlagen interessante mittelalterliche Besiedlungsspuren aufzeigen konnte.

Nebengrabenartigen Strukturen fielen insbesondere die beiden Grubenhäuser in die archäologische Relevanz und bereicherten den Befundkatalog. Beide Grubenhäuser waren bis zu einem halben Meter eingetieft in den Keuper mit Abrundungen der Wände zum Bodenbereich. Das Grubenhaus mit der Notation 6 (Abb. 9) verfügte über eine südliche Hauswandlänge von über drei Metern, die östliche Grubenhauswand konnte zumindest auf ungefähr zwei Metern freigelegt werden. Da sich am Profil ein Pfostenloch abzeichnete, konnten für die östliche Grubenhauswand natürlich weitere Wandlaufmeter unterstellt werden, aber die grundsätzliche Anordnung der Gebäude mit paralleler oder rechteckiger Anordnung blieb durch das lückenhafte Ausgrabungssubstrat in der Erkenntnis verwehrt. Lediglich Überbleibsel reiner Holzkohle konnten auf dem Grubenhausboden der Notation 6 ermittelt werden. Ob es sich dabei um belastbare Indizien für Feuerstellen handelt, bleibt unklar und gehört nicht in den Fokus der Ausarbeitung. Interessanter scheint – auch mit Blick auf die Pferdeschädelproblematik – das Grubenhaus mit der Notation 7 (Abb. 9) zu sein. Zunächst komplettieren sich dessen Ausmaße zu etwa fünf Metern in der Länge und zu dreieinhalb Metern in der Breite. Gebäudeecken und Schmalseiten verfügten über Pfostenlöcher, die etwas über dreißig Zentimeter eingetieft waren. An der nördlichen Längswand war zentral ein weiteres Pfostenloch angebracht. Ein bautechnischer Zwilling auf der gegenüberliegenden Seite konnte durch den dort verlaufenden Sondagegraben nicht mehr explizit aufgezeigt werden, bleibt aber – schon der Symmetrie wegen –  kein Element aus einer obskuren Vorstellungskraft. Notation 7 war darüber hinaus im südlichen Areal gekennzeichnet durch holzkohle- und kalkenthaltende Bodenschichten, durchzogen von schmalen Lehmbändern. Die dort aufgefundenen Keramikfragmente

Abbildung 9: Übersichtsplan der Grabung in Trappstadt.

führen dazu, dass dieser bauliche Überrest in die Hochmittelalterepoche datiert werden kann. Die Funktionalität kann über das Nichtvorhandensein jeglicher Feuerstellen erschlossen werden, und die durchaus nachgewiesenen Schlackteteilchen schließen trotzdem metallverarbeitende Funktionstrakte aus wegen des Fehlens eben jeglicher Hitzequellen. Die Grubenhäuser mit Webhäusern zu identifizieren, liegt naheliegend aufgrund der dort gefundenen Webüberreste wie Webgewichte und Spinnwirtel.[26] Das für die Ausarbeitung interessante unterfränkische objet de désir lag in der Notation 7 (Abb. 9),

 

Abbildung 10: Pferdeschädel im Grubenhaus in Trappstadt, Bef. 7.

 

aufbewahrt in der obersten Ostwand und ausgerichtet nach Osten. Der vollständig erhaltene Pferdeschädel war bedeckt durch das Verfüllmaterial (Abb. 10). Auffallend in der Anatomie ist der gezackte Oberkiefer, der als Indiz für ein beträchtliches Alter des Pferdes gewertet werden kann, da die Knochen im Zahnbereich mit dem Alter spitzer werden; sozusagen ein natürlicher Gradmesser für die Datierung eines Fundobjektes. Hier bleibt – in Anbetracht der Fundmasse – die Deutung nur als Bauopfer oder ähnlich gelagerte rituelle Niederlegung hinsichtlich einer Schutzfunktion gegen das Übernatürliche oder kaum Erklärbare.[27]

Die Grundlage für diesen Thesenbestand ist das Vorliegen baulicher Strukturen auf dem Hillefeld. Und hier können eigene archäologische Aktivitäten einen Beitrag leisten, damit der Pferdeschädel nicht ohne Bezugspunkte in die Geschichte der Katalogisierung eingeht. Im Rahmen eines Forschungsprojektes zum Salzbach hatte ich 2014 öfters am Salzbachufer um Hof Stemmerk in der Scheidinger Gemarkung zu tun und noch in Erinnerung, dass Steinhügel auf einer der landwirtschaftlichen Pachtflächen eines alteingesessenen Einheimischen namens Bernd Vickermann lagen. Dort stand ich nun seinerzeit mit der Frage nach der Herkunft dieser Steine vor diesen Steinaufschüttungen. Ich musste mir schon eingestehen, dass man aus der bloßen Existenz von Steinrestehalden ohne intensive Materialprüfung keine großartigen Erkenntnisse ziehen sollte und apodiktische Konklusionen in die Diskursmasse hätte werfen können. Aus einem regen Informationsgespräch gab mir der Landwirt Vickermann in jenen Tagen aber Informationen, die die Funktionalität des Pferdeschädels ermöglichen. Wir standen zwar vor den Steinaufschüttungen, aber auf dem “Königskamp”, einem Königshofland. Das war eine Bezeichnung, die unbekannt war, da offenbar nirgends gelistet. Hier korrigierte mich der Landwirt. In seinem Privatbesitz gab es noch eine Katasterkarte aus der Wilhelminischen Ära mit dieser Bezeichnung, die er mir dann später auch freundlicherweise zur Verfügung stellte. Bernd Vickermann berichtete, dass er in all den Jahrzehnten auf dem benachbarten Hillefeld (!) beim Umpflügen seine liebe Mühe mit “diesen Gesteinsbrocken” hatte und auf dem Königskamp zentral lagerte.

Offensichtlich konnte man dem Hillefeld über Jahrzehnte hinweg Reste baulicher Strukturen entnehmen. In einer anschließenden Archiv- und Internetsuche war es mir möglich gewesen, Informationen zu einem ominösen, nicht konkret lokalisierbaren Steinwerk zu erhalten. als Ergebnis der Recherche konnte ich damals eine Urkunde aus dem Jahre 1316 ermitteln, bei der der Hof Stemmerk aus der Dreiteilung einer größeren Hofanlage namens Steinwerk hervorging.[28] In einer Tauschurkunde von 1348 gab es mit “…bi der stayt to Werle tuyschen Werle unde dem steynwarcke…”[29] nicht nur eine weitere Schreibweise vorgesetzt, sondern indirekt auch eine mögliche Standorteingrenzung eben für das Steinwerk als Anlage oder einzelnes Gebäude. Der Hofflerke als Tauschobjekt lag zwischen Werl und eben diesem “steynwarcke“, dem Steinwerk. Dieser Hof existiert wie Stemmerk aber heute noch. Es war also naheliegend, das Terrain um Stemmerk näher zu begutachten. Und so geschah es seinerzeit auch in Eigenregie! Einen weiteren Motivationsschub hinsichtlich der Stemmerkschen Ausgangsstellung ergab sich über eine ergänzende Literaturrecherche, aus der heraus die Urkunden des Klosters Oelinghausen für die Jahre 1308, 1402 und 1421 mit “Haupthof Steinwerk”, “Hof zum Steinwerke (Sten-) mit Gericht und Herrlichkeit” oder “mit der Herrschaft der Höfe zu Flerke[30] schon Umschreibungen liefern und damit eine größere Hofanlage verortet wird. Tatsächlich wurden die damaligen Absuchmanöver erfolgreich begleitet, und im Herbst 2014 konnte zumindest bezüglich des Vorliegens baulicher Überreste eine Verzugsmeldung attestiert werden mit den GPS-Daten 51,594391 und 7,939498. Dort konnte ich mehrere Steine nebeneinander vorfinden, und nach weiterem Aushub kamen Teile einer Grundmauer zum Vorschein. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe-Archäologie in Westfalen mit Außenstelle Olpe übernahm anschließend unter Professor Baales und Frau Doktor Cichy die weiteren Untersuchungen und identifizierte die Überreste als ein polygonales Bruchsteinmauerwerk. Zudem wurden die dortigen Scherbenfunde als Irdenware identifiziert und Pferde-, Schweine- und Rinderknochen gefunden bei weiteren Untersuchungen. Eine hofartige Ansiedlung war bei diesen Überresten nicht nur bautechnisch möglich. Weiterführende Ausgrabungen hatten

Abbildung 11: Übersichtsplan der Grabung Welver-Flerke.                      Abbildung 12:  Ausschnitt aus dem Übersichtsplan der Grabung Welver-Flerke mit besonderem Augenmerk auf Bef. 4.                    Abbildung 13:  Pferdeschädel aus Bef. 4 der Grabung Welver-Flerke, Draufsicht.                                Abbildung 14: Pferdeschädel aus Bef. 4 der Grabung Welver-Flerke, Profilsicht.

dann auch Pfosten, Pfostengruben und eine Wasserleitung hervorgebracht, also Überbleibsel eines Grubenhauses (Abb. 11). Losgelöst vom Umfang und Funktionalität der Überreste, kann der Pferdeschädel also im Zusammenhang mit Baustrukturen auf dem Hillefeld genannt werden. Eine Fundabqualifizierung ist ausgeschlossen, zumal sich die Lage des Pferdeschädels direkt unterhalb der Reste des Grubenhauses befindet, aber der Ausgewogenheit der Argumente geschuldet, bleibt das Resümee hinsichtlich einer Bauopferstrategie nicht evident. Die Abfallgrube ist ein Grubenhaus, welches ein rechteckiges Format angenommen hat und westlich des Eingangs des ausgegrabenen Steinfundaments gelegen war (Abb. 12). Der Pferdekopf war mit Blick nach Norden ausgerichtet, was in Analogie zur majorativen Ausrichtung im frühmittelalterlichen Sachsen steht. Der Schädel war umgehen von der Befundfüllung des Grubenhauses, deponiert auf einem Plateau (Abb. 13). Aufgefunden wurde er lädiert, was man entweder auf die obere Befundfüllung oder auf ein absichtliches Zerdrücken hindeutet (Abb. 14). Auffällig hierbei ist, dass dem Pferdekopf der untere Kiefer abhanden ist. Während des weiteren Verlaufs der Grabung konnte in der zu untersuchenden Fläche kein Unterkiefer ausfindig gemacht werden. Ob dieser als Werkzeug weiter benutzt oder anderweitig Verwendung hatte, bleibt ungelöst. Umgeben mit weiteren Knochen vom Pferd, Schwein und Rind, teils bearbeitet, teils unbearbeitet, ist davon auszugehen, dass der Pferdeschädel in dieser Grube vom restlichen Körper abgetrennt und entweder als Symbol deponiert oder weggeworfen wurde. Sine dubio, der Schädel gibt ein Rätsel auf. Ein auffallendes Analogon existiert jedoch, und zwar handelt es sich dabei um die bereits erwähnte Gräberlandschaft in Gröditsch. Siedlungsspuren mit vergrabenen Tierkörpern sind nicht nur dort dokumentiert. Bereits wenige Jahre zuvor konnte man im brandenburgischen Senftenberg aufzeigen, dass die dortigen Tiergräber an den Grundstücksgrenzen vergraben wurden.[31] Und Gröditsch ermittelte Tiergräber im Hofbereich der Besiedlungsspuren. Es gab zudem einen weiteren Umstand im Gröditscher Ausgrabungskomplex, als in unmittelbarer Nähe eines Pferdegrabes Überreste zweier Brunnen entdeckt wurden. Brunnen und Bauopfer sind dabei im Skizzieren von Signifikanzen in der Literatur keine Unbekannte. Dieter Warnke proklamierte für die Skelettreste eines Pferdes aus der Wüstung Miltendorf im brandenburgischen Reetz einen Bauopferritus.[32] Nimmt man nun noch den Tatbestand in die Wertung, dass das dortige Gröditscher Pferdegrab unter einem Gebäude aus dem Spätmittelalter lagerte, bleibt der Gang zum Bauopferritus nicht unvorstellbar. Seit dem Neolithikum sind diese Opferriten bekannt, verfügen aber nicht über eine Kodifizierung. Da für den Erkenntnisgewinn hinsichtlich eines Bauopfers noch keine adäquate Literatur zur Verfügung steht, aus der sich eine Systematik für den Definitionsrahmen ableiten lassen würde, sichern archäologische Funde den Erkenntnisgewinn ab, allerdings restriktiv in der Analogieanwendung. Vergleichsweise zu anderen Funden, kann dem Pferdekopf vom Hillefeld hier aber keine Bauopferdeponierung oder Bestattung in stringenter Analogie nachgesagt werden. Bei einer Bauopferdeponierung wäre der Schädel im Gebäude oder an einer der Außenwände deponiert und umrahmt, jegliche Beigaben fehlen. Der auf dem Hillefeld aufgefundene Pferdeschädel zeigt keinerlei dieser Besonderheiten und stellt hierdurch etwas Apartes dar. Dieser Fund reiht sich ad libitum in die Kategorisierungsversuche der Pferdeschädelbefundmasse ein.[33]

(Leitfrage 2) Gehörte der Pferdeschädel zur Beigabenmasse eines sozial Höhergestellten, wie etwa am Grab des „Herrn von Beckum“ ersichtlich? Dieser Punkt steht im direkten Zusammenhang zur ersten Thesensetzung und legt den Fokus auf die möglichen Hauptakteure der in Überresten vorliegenden Besiedlungsspuren. Gehen wir zum Königskamp zurück. Der offenbar in Vergessenheit geratene Königskamp ermöglicht eine neue Blickwinkelöffnung, da ein Königskamp problemfrei in die Versorgungseinrichtung eines Königs einzuordnen war, und damit geht es in das Wanderkönigtum und die Pfalzeinrichtungen der Ottonenzeit, die weit vor der ersten urkundlichen Erwähnung Scheidingens von 1233 lagen.[34] Ob es eine Pfalz in Scheidingen gab, ergibt sich als Indizienkette aus dem Quellenstudium. Schon zu Zeiten Karls des Großen wurden am Hellweg Königshöfe errichtet.[35] Werl war civitas regia, und Heinrich I. weilte oft auf der curtis regia des Werler Grafen.[36] Interpretationsreich ist mit “…Sie [die entsprechende Vöhde] liegt nördlich vom Hellwege bei Werlaha…”[37] die Lage von den Unterkünften des Königs. Kann man nun noch dem Weimarer Reichskanzler Franz von Papen Glauben schenken, dessen Vater auf Haus Köningen geboren wurde, dann lagen diese Wiesen bei Haus Köningen und Heinrich der Sachse erhielt dort das Angebot zur Königskrone 919. Haus Köningen liegt in der Gemarkung Scheidingen und gehörte nach Aussage v. Papens zum “Regum domus“.[38] In diesem Zusammenhang sollte man sich auch die Wortbedeutung Werls vergegenwärtigen, da sich aus der alten Bezeichnung Werla eine Beziehung zum Eichenwald ablesen lässt, und heute noch zieren Teile eines alten Eichenwaldes die Gemeinde Scheidingen bei Werl, zu Werl oder eben im Norden von Werl, aber nicht in Werl. Der bereits erwähnte Königskamp oder die Flurbezeichnung “Königslandwehr” in Scheidingen reihen sich dort nur nahtlos in die geographische Argumentationskette ein…gute Ansätze für zukünftige Untersuchungen auf diesem Gebiet.[39]

Und diese res historica besitzt weiterführendes Potenzial für Interpretationen. Selbstverständlich stehen die Eliten in Verbindung zu Gebäuden, die ihrem Anspruch gerecht werden. Hilfreich können hier Heimatforscher oder die Aufzeichnungen von Regionalhistorikern sein, so geschehen bei Franz Joseph Mehler. Schon in seinem Buch von 1891 zur Werler Stadtgeschichte sprach er von einem Schloss im Zusammenhang mit einer Belehnung von 1411.[40] Der Kölner Erzbischof Friedrich von Saarwerden verwendete offenbar zu Beginn des 15. Jahrhunderts in den entsprechenden Lehensbekundungen den Schlossbegriff zur Bezeichnung einer größeren Anlage. In einer der Regestensammlungen der Kölner Erzbischöfe können in der Lehensbekundung an einen gewissen Hermann Freseken aus dieser Urkunde von 1411 mit “…sein Schloss Scheidungen (-dongen) mit allen Bauwerken, Herrlichkeiten, Renten, Gülten, Nutzungen, Gefällen,…” Begriff, Beschreibung und Ausmaß herausgelesen werden.[41] Das Schloss existierte also. Die urkundliche Erwähnung an anderen Stellen zu anderen Zeiten zeigt auf, dass das Schloss als Gebäude auch als solches wahrgenommen wurde bis zu seiner Zerstörung 1445 in der Soester Fehde (1444-1449).[42] Bei einer Internetrecherche im Landesarchiv NRW konnte ich aus einer Verkaufsurkunde von 1689 mit “…, ehemals zum Schloss Scheidingen gehörigen 15 ½ Morgen Land bei Werl…” noch einen weiteren Bezug auf eine Schlossanlage finden, die aber in das Konglomerat an unklaren Indizien verfrachtet werden muss.[43] Warum gab es mehr als zwei Jahrhunderte nach der Zerstörung einer Gebäudeanlage noch einen Vermerk in einer Verkaufsurkunde aus der frühen Neuzeit? Die Langlebigkeit kann nur als Indiz Verwendung finden für den ehemals eminenten Habitus, der mit diesem Gemäuer in Concordia stand. Es ist evident, dass bei einem möglichen Wiederaufbau nach 1445 eine größere Anzahl an Erwähnungen in nachfolgenden Aufzeichnungen hätte erwartet werden können. Dieser Sachverhalt gehört keiner weiteren Prüfung unterzogen. Es ist zudem keine abstruse Imagination, dass durch eine Namensbindung zum Burgbegriff der Schlossbegriff “überlebt” haben könnte, vielleicht auch als Synonym in der Frühen Neuzeit Verwendung fand. Es war nicht unüblich, dass aus mittelalterlichen Burganlagen Schlösser entstanden, und Erzbischof Friedrich Saarwerden hatte sicher in der Lehensbekundung an Fürstenberg aus dem Jahre 1405 seine Gründe für die Schlossbezeichnung, die wenig wahrscheinlich als Wortattitüde des Erzbischofs seinerzeit zu interpretieren gewesen wäre.[44] Verweigert man die Denkstrukturen des Kölners, zynisch die Belehnung eines maroden, baulichen Schreckgespenstes beurkundet zu haben, bleibt nur die Existenz einer burgähnlichen Anlage als gegeben vorauszusetzen. Der bereits erwähnte Hermann Freseken hatte 1397 noch “Haus und Burg zu Scheidingen mit Zubehör” erworben.[45] Der Burgbegriff bei Pachtverträgen war auch nach 1445 aus Scheidingen nicht verschwunden.[46]

„Nomen est omen“, das lateinische Zitat ist für diese Leitfragenkultur evident. Werden die Hinweise in den Quellen als archimedisches Punktinferno interpretiert unter Hinzufügung der existierenden Überreste, gäbe es für den Pferdeschädel auf dem Hillefeld eine Involvierungsthese in die Bestattungsriten der regionalen Noblesse. Dass das mit der regionalen Elite auch in Bogenspannung zu den Liudolfingern im Altreich hinausläuft, wäre für den Schädel nicht abträglich. Fahren und Reiten waren im Verhaltenskodex der Oberen fest verankert, berittene Krieger waren – ob vorkarolingisch oder im etablierten Personenverbandsstaat des Altreiches – nur in der Anzahl wenige Personen. Und diese elitäre Oberschicht zeichnete sich auch durch entsprechende bauliche Dimensionierungen aus. Es ist somit nicht vorstellbar, dass eine singuläre, von allen Bezügen zur sozialen Alltagsgeschichte losgelöste Pferderestebestattung auf dem Hillefeld vollzogen wurde. Der Malus auf dem Spielfeld dieses Leitfragenblickwinkels stellt aber apodiktisch das Fehlen jeglicher Bezüge zu Menschengräbern in das Panorama der Leitfragenkritik. Denn nur mit dieser Querverbindung kann die (partielle) Pferdebestattung thesenfest in den fachlichen Diskurs überführt werden. Da konkrete Altersangaben für den Pferdeschädel noch fehlen, Menschengräber auf dem Areal (noch) nicht existent sind oder der starke Fragmentierungsgrad die Einordnung in die Biofakttypen erschwert, bleibt nur durch die angrenzende Fundzusammensetzung die Möglichkeit der relativen Datierung übrig, sozusagen eine Seriation auf lokaler Ebene. Das Ausmaß an Artefakten ist jedoch nicht hinreichend für derartige Vorgehensweisen. Die Hintergründe bleiben somit vorerst facettenreich in der Darstellung. Wurde das Pferd um seiner selbst willen für den Trap nach Walhall bestattet? Liefert der fragmentierte Pferdeschädel auf dem Hillefeld als Biofakt ein Indiz, den Pferdeschädel zu interpretieren als eine Opferhandlung auf einem Kultplatz? Auch ist gegenwärtig nicht zu entscheiden, ob der Pferdekopf ein Biofakt nachbestatteter Pferde darstellt, als turnusmäßiges Ritual zu Ehren einer sozial exponierten Persönlichkeit.[47]

(Leitfrage 3) Ist das Equus caballus auf dem Hillefeld Ausdruck einer profanen Haustierhaltung? Oder: Ist der Pferdeschädel überrestlicher Ausdruck eines wie auch immer deponierten Tierkadavers? Liegt etwa eine Tierkadaverstelle vor? Schauen wir uns im Befundkatalog für das Hillefeld die dokumentierten Knochen genauer an.[48] Die dort dokumentierten Pferde-, Schweine- und Rinderknochen

Abbildung 15:Auswahl der Tierknochenfunde der Grabung Welver-Flerke.

spiegeln durchaus das Bild einer Tierrestehalde wieder (Abb. 15). Der schmale Metatarsus (Mittelfuß) eines Pferdes wurde im Außenbereich des polygonalen Bruchsteinmauerwerkes gefunden. Dabei war ein Ergebnis des Befundes, das der Metatarsus zwar in der Erscheinung komplett, aber eben auch distal abgekaut war. Zudem lagen die beiden zugehörigen Nebenstrahlen (Griffelbeine) in verkümmerter Erscheinung vor. Diese Verkümmerung ist Ausdruck entweder einer stetigen Überlastung des Griffelbeinköpfchens oder der langlebigen Unterlastung, was jedoch einer majorativen Untätigkeit des Pferdes im Alltag entsprechen müsste. Vielmehr scheint hier die Alltagswahrscheinlichkeit Fuß zu fassen, und die Degeneration ist Ausdruck einer permanenten Nutzung des Fesselträgers. Auch der dokumentierte Astragalus (Sprungbein, auch Talus genannt) zeichnet sich durch einen verbrauchten Zustand aus. Die Oberseite des Astragalus zeichnet dabei ein Bild einer maroden Sprungbeinrolle, die natürlich als zwingende Konklusion Auswirkungen auf die Schienbeinrolle in der Knöchelgabel hätte, was zu Gelenkinstabilitäten des oberen Sprunggelenks geführt haben könnte im normalen Stand. Da aus der Befundmasse auch die Lädierung des Pferdeschädels entnommen werden kann, gab es also offensichtlich externe Faktoren für das degenerative und lädierte Erscheinungsbild der überrestlichen Pferdeknochen. Nach jetzigem Erkenntnisstand lag mindestens ein adultes Pferd in seinen Überresten auf dem Hillefeld begraben. Es liegen zwar keine korrelativen Ergebnisse vor zwischen Pferdeschädel und Pferdeknochen, aber die Läsionen passen nicht zur Symbolhaftigkeit einer dem Verstorbenen angetragenen Pferdebeibestattung, um den sozialen Rang des Verstorbenen zu dokumentieren oder das passable Transportmittel nach Walhall zu erhalten. Grundsätzlich wurden Pferde als Arbeits- oder Reittiere gehalten, und die vorliegenden Knochen auf dem Hillefeld liefern keine Anhaltspunkte für juvenile oder subadulte Zustände. Adäquate Altersbestimmungen dahingehend könnten durch verwachsene Epiphysen untermauert werden, liegen aber als Knochenmaterial nicht vor. Und die fragmentierte Tibia (Schienbein) oder Schnittspuren an einer Phalanx könnten Auskunft geben zu Zerlegungen oder Fleischlieferanten.[49] Diese Interpretationsmöglichkeiten bleiben dem Hillefeldfund nach gegenwärtiger Befundmasse verwehrt.

Es existieren weitere Augenscheinlichkeiten hinsichtlich der Taphonomie bei den gefundenen Tierknochen. Nehmen wir das Sus scrofa domesticus, also das domestizierte Schwein. Sollten Knochenreste über einen längeren Zeitraum auf dem Terrain liegen und den Witterungseinflüssen ausgesetzt sein, dann entstehen charakteristische Spaltenmuster, die von der Knochenoberfläche zu den inneren Gewebeschichten vordringen. Diese Beobachtungen sind für ein Gelenkende und für den medialen Unterkieferast als Befundstücke des Hillefeldes nur bedingt zu beobachten. Würde man als Bezugsgröße die Verwitterungsgrade von Anna Kay Behrensmeyer aus dem Jahr 1978 nehmen[50], dann liegen im ungünstigsten Fall abgeblätterte äußere Compactaschichten vor, was einer Liegezeit von höchstens 6 Jahren entsprechen würde. Auf dem Hillefeld haben die Befundstücke des Hausschweines in facettenreicher Ausprägung ein Konglomerat an oberflächigen Längsrissen in Collagenfaserrichtung, Einrisse an der Gelenkfläche oder die Defizite bei den Compactaschichten, teils sogar verwitterungsfrei. Offenliegende Compactaschichten, Oberflächenabspaltungen oder Einblicke bis zur Markhöhle sind nicht zu erkennen. Eine stabile Konklusion kann aus dieser Plastizität nicht gewonnen werden, denn einerseits ist die Spannweite von 0 bis 6 Jahren ein für alle Interpretationsrichtungen nutzbares Indiz ohne Ausschlusspotenzial und andererseits kann ich nicht jedem Biofakt die Verwitterungsgrade von Behrensmeyer aufoktroyieren, denn diese Systematisierung war das Resultat von Untersuchungen, die die tropische Klimazone als meteorologische Rahmenbedingung vorfanden.[51] Nach der Einbettung in den Erdboden ist der Verwitterungsprozess aber nicht konserviert. Die Osteolyse besitzt als externe Katalysatoren Bakterien, Pilze oder bodenchemische Reaktionen. Betrachten wir an der Fundstelle die Bodenzusammensetzung, erkennen wir schwach schluffigen, hellgrauen Ton mit ockerbeigen Einschlüssen. Zudem sind Rotlehmfilter und –stückchen sowie Kalkstein und kleinstückiger Sandsteinbruch der Hillefeldschen Ausgrabungsstelle zu entnehmen. Suboptimale Bodendurchlüftung, alkalische Bodenreaktionen und entweder trockene oder wasserführende Bodenfeuchte sind des Weiteren augenscheinlich dem Hillefeld zu entnehmen. Tendenziell können die vorgenannten Kriterien subsumiert werden unter die für ein Biofakt guten Erhaltungsparameter.[52] Für das Hillefeld kann deutlich formuliert werden, dass etwaige Tiefwurzler oder durch Pflanzen verursachte Ätzspuren an den Tierknochen nicht zu beobachten sind und daher kein signifikanter Einfluss vorliegt auf den Erhaltungszustand und die Oberflächenveränderungen. Bleibt noch das Hausrind (bos taurus). Der Unterkieferast lag nur in Fragmenten vor, allerding mit Bezahnung. Aus den Prämolaren und Molaren konnte geschlossen werden (Zahnabrieb), dass es sich bei diesem Rind um ein relativ junges Tier gehandelt haben muss, da der hintere Backenzahn M3 praktisch nicht abgekaut war. Zudem konnte ein abgekauter Milchzahn mit passendem durchbrechendem Prämolar (vorderer Backenzahn) identifiziert werden. Nimmt man nun den Erhaltungszustand des Pferdeschädels als Vergleichsgröße mit dem lädierten Oberschädel (Cranium superior), dem fehlenden Zahnmaterial und der Nichtexistenz des kompletten Unterkiefers, bleibt wenig Spielraum für vergleichende Analysen. Anzunehmen ist – als Bezugsmasse gilt hierbei das Tierknochenkonglomerat – das der Pferdeschädel zu einem Pferd gehörte, das als mindestens adult angesehen werden muss. Die abseitige Lagerung auf einem Plateau kann noch nicht in der Funktion zugeordnet werden, da Signifikanzen zwischen den Tierknochen so nicht möglich sind. Ob Tierrestehalden oder Tierbestattungsszenarien vorlagen auf dem Hillefeld, kann nicht apodiktisch formuliert werden. Auch die Kategorien zur Differenzierung sind ambigue und konträr. Gut möglich ist, dass auch vorchristlich-heidnische Aspekte die Tierknochen auf dem Hillefeld erklären können. Lesen wir bei einer Heimatforscherin doch Folgendes zu einem ominösen Teufelsweg:

Der Haupt- Teufelsweg beginnt an der Ruhr im Ortsteil Waltringen an der Mündung der Daimeke (Daiwels- Duiwelsbieke), führt über Günne parallel zum Haarweg nach Osten, über Wamel, Oberbergheim, Mülheim, Belecke, Drewer, Rüthen und endet in Obermarsberg. Unser Deiweg, ein Nebenteufelsweg, beginnt in der Nähe des ehemaligen Hofes Schulte- Steinwerk (Stemmerk) am sogenannten Flurstück Teufelsküche. Nach Schoppmann galt dieser Ort als unheimlich, wo Spukgestalten ihr Unwesen trieben.[53]

Einer der Teufelswege lief also am Hillefeld entlang. Und auch eine kleine Flurparzelle namens Teufelsküche befindet sich beim Hofe Stemmerk. Zufall? Rudimente heidnischer Kulte? Und wie das so mit den Sagen ist, handelt es sich um eine die Realität überzeichnete Darstellung lokaler Besonderheiten, aber es bleibt bei realen Komponenten. Hier könnte für zukünftige Untersuchungen eine interessante Querverbindung aufgebaut werden, da insbesondere das Alter des Pferdeschädels wegweisend sein könnte für rituelle, mythische Handlungen auf heidnischen Plätzen. Nehmen wir als Exemplum die vorfränkische Gerichtsbarkeit in Westfalen. Die Pagi, ursprünglich Rechtsdistrikte der Germanen mit dem Gaugericht als oberstes Rechtsorgan, erhielten nach den Sachsenkriegen Karls des Großen einen personellen Amtsträger namens grafio, den späteren Grafen.[54] Für Westfalen sind dabei die pagi pagus Westfalon und pagus Angeron belegt zur Ottonenzeit. Und die Grenze dieser Rechtsbezirke lag bei Werl entlang des Salzbaches, also am Hillefeld. Einer dieser Gogerichte, also Rechtsdistrikte innerhalb der Grafengerichtsbarkeit, mag tatsächlich dieses Hillefeld gewesen sein, denn in der Überlieferung standen dort nicht nur die Gerichtsbäume[55], sondern exekutive Einrichtungen. Und eine dieser Bezeichnungen lautete Heidengalgen. Die möglichen Attribute für den Pferdeschädel dürfen aus angeblicher Furcht vor unwissenschaftlichen Anekdoten nicht der Selektion zugeführt werden, da diese reservierten Blickwinkel eine Fron darstellen für die Rekonstruierung komplexer Zusammenhänge.

Ein sagenhaftes Parergon

Die Klimax dieses Zuganges an Interpretation liefert übrigens einen weiteren Beitrag zu einer der bekanntesten mittelalterlichen Sagen auf deutschem Boden, der Vogelherdlegende, nach der Heinrich aus Sachsen am Vogelherd saß, als ihm eine Abordnung im Auftrag Konrads I. die Königswürde für den spätostfränkischen Herrschaftsraum antrug. Können diese Betrachtungen einen utilitären Charakter in sich tragen bezüglich des Pferdeschädels? Ja, denn durch das Aufzeigen von historischen Tatsachen und Erwähnungen in der Literatur können durch die Vernetzung von sozialen und baulichen Strukturen Artefakte und Biofakte nicht mehr den Status einer gegenständlichen Anthropophobie für sich deklarieren. Und wie kommt es nun zur Verortung der Finkenherdgeschichte in die Scheidinger Flur?[56] Der Vermessungsrat Hugo Schoppmann 1940 und der ehemalige Soester Landrat Fritz Schulze 1982 erwähnten Vogelherdaktivitäten Am Krummen Duike, einem Flurstück in der Scheidinger Gemarkung nordöstlich von Werl. Schoppmann argumentierte noch ohne zeitlichen Bezug ( „…soll früher an dieser Stelle [Anmerkung: Am Krummen Duike] nahe dem alten ´Haus Köningen´, das ehemals sächsisches Königsgut war, ein Vogelherd gestanden haben, wo der Vogelfang betrieben wurde.“[57] ), aber bei Schulze erfolgte eine Personalisierung mit Heinrich, durch die sächsische Königsgutvergangenheit bedingt:

Eine Flurbezeichnung in der Feldmark Scheidingen ´Am krummen Duike´. Hier soll ein Vogelherd gestanden haben. (…), dass König Heinrich dort den Vogelfang betrieben hat, wenn er in Haus Köningen zu Besuch weilte.[58]

Geschichtsschreiber wie Georg Christian Crollius 1778 oder Leopold von Lebedur 1863 sahen im niedersächsischen Werlaburgdorf bei Goslar im Einzugsgebiet des Bistums Hildesheim das alte Werla, das sächsischen und salischen Kaisern als Aufenthaltsort in Ostfalen diente.[59] Die von Crollius angeführte Kaiserurkunde Heinrichs IV. vom 1. Januar 1086[60] bedeutete faktisch für den Hof Werla eine geographische Zuordnung in das Ostsachsen, und die durch von Lebedur nach Datum und Ausstellungsort der verfassten Kaiserurkunden aus der Ottonenzeit begünstigen diese Verortung.[61] Für Werl spräche die Bemerkung des Geschichtsschreibers Johann Dietrich von Steinen, wonach Heinrich 924 vor den Hunnen in die Fliehburg Werl flüchtete und von Johann Suibert Seibertz als „castrum“ titulierte wurde.[62] Diese Argumentation ist historisch patrouilliert, denn die Fachwissenschaft legt die Gründung einer Wehrburg am Hellweg in das beginnende 10. Jahrhundert. Turnusmäßige Aufenthalte muss es auf der curtis regia geegeben haben, allerdings ohne konkrete Lagebeschreibung. Majestätische Besitzungen werden nördlich von Werl angesiedelt ( „…liegt nördlich vom Hellwege bei Werlaha…[63] ) im Einzugsgebiet des Rittergutes Koeningen, auch „villa ducalis“ oder „königlicher Meierhof“ genannt.[64] Kann man dem Handbuch der historischen Stätten Deutschlands Glauben schenken, dann scheint die Werler Burganlage mit der curtis dicta Aldehof in Verbindung zu stehen, altem gräflichen Besitz.[65] Franz Josef Mehler zählte übrigens den Aldehof zu den äußeren Pfarrbezirken der Stadt Werl, was der Lage einer Pfalz auch entgegenkommen würde. Die westfälische Kartograph Albert Hömberg verortet in seinem Kartenmaterial eine Abzweigung des Hellweges in die Scheidinger Gemarkung.[66] Nach Rücksprache mit Dr. Kreucher vom Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen besaß der dabei auffällige Teich in winkelförmiger Anlegung zwischen den Fluren möglicherweise die Funktion einer Gräfte. Interessant ist, dass nach Blick in das Güterverzeichnis für zumindest Teile der Flur Fischteich-Wiesen angegeben waren.[67] Die Fischteichwiesen waren ein gutes Argument für einen königlichen Wirtschaftshof. Heinrich war Zeitgenosse der spätkarolingischen Ära, hier orientierte man sich in unterschiedlicher Ausprägung an der Capitulare de villis.[68] Die Indizienkette für eine pfalzähnliche Anlage ist damit gelegt. Verba docent, exempla trahunt!

Tacheles zum Epilog

„Quod caput sit sine nomine“, mag der Leser denken. Und wahrlich, der Pferdeschädel auf dem Hillefeld wird nicht den Mythos eines Bernsteinzimmers erlangen, keinen Charme versprühen wie die Exponate im Dinosaurier-Park Altmühltal, geschweige denn jemals in einen namhaften Ausstellungskatalog einen Platz finden oder die Archäozoologen zum Heureka bewegen. Das Equus caballus ist aber weder im Ansehen noch im Deutungspotenzial inferior. Die Pferdebestattungen, ob nun pars pro toto oder in vollständiger Skelettmontur auf den Gräberfeldern, sind eine fixe Größe im Sammelsurium der nach Biofakten strebenden Archäologen. Ein Konglomerat an Parametern ermöglicht die Skizzierung eines Datierungsrahmens und die Charakterisierung der Befundmasse aus dem entsprechenden Pferdegrab. Die Pferdegräber im Altsächsischen und Bajuwarischen wie das westfälische Fürstengrab des „Herrn von Beckum“ oder die Pferdegräber im unterfränkischen Zeuzleben offenbaren jedoch einen genetischen Nachteil der Pferdegräber hinsichtlich der Konklusionsgenese. Zunächst muss konstatiert werden, dass spätestens mit den Liudolfingern die Pferdegrabsitte ihren Zenit überschritten hatte. Salier und Staufer konnten über ihr Verständnis von Metropolfunktionen ohnehin wenig anfangen mit dem heidnisch-merowingischen Begräbnisritual. Waren die Grabkammern themengerecht majorativ mit organischem Material versetzt, blieben durch externe und osteolytische Faktoren oft nur lädierte Fragmente zurück, die gerade bei Einfachbestattungen erschwerend signifikante Beziehungen aufbauen können zu benachbartem Befundmaterial. Nach eigenem Gusto und asyndetisch können Clusterbildungen mit den Charakteristika eines Pferdegrabes und in überregionaler Kartographie vollzogen werden. „Quo vadis?“, bleibt dort nur den Beteiligten in Diskursen zu resümieren. Und auch das slawische Schleenhain ist trotz vorzüglicher Dokumentation nur bedingt für Analogien hinsichtlich des Hillefeldschen Pferdeschädels geeignet.

Die auferlegte territoriale Restriktion mit einem Regionalbezug für die Rahmensetzung einer belastbaren Funktionalitätsanalyse des Hillefeldschen Pferdeschädels augmentiert über die altsächsischen Gräberfelder von Ense-Bremen, Wulfstedt, Sarstedt, Feddersen Wierde Liebenau oder Wünnenberg-Fürstenberg nur den Interpretationsmalus, mit dem der Pferdeschädel auf dem Hillefeld ausgestattet ist. Vielmehr erscheint mit dem Hillefeld der Malus noch exzessiv herausgearbeitet zu sein, da vergleichende Grabeinhegungen, fehlendes Knochenmaterial, verwertbare Zahnsubstanzen oder anorganische Grabbeigaben völlig fehlen. Auch das Bauopferszenario bleibt vage. Die brandenburgischen Gräberfelder in Gröditsch und in Senftenberg liefern allerdings ein augenscheinliches Analogon. Die entsprechenden Gedanken stehen jedoch in Abhängigkeit zu den Besiedlungsspuren, die noch einer weiteren Untersuchung bedürfen. Ist dieser Phoenix aus der Asche vom Hillefeld etwa ein Vorabkommando einer noch archäologisch unerforschten Begräbniskultur mit Totenbezug? Der Konstruktivismus und die Suche nach einer Verknüpfung sind zuträglicher als die Theorien, die sich aus dem Nihilismus ergeben. Wenig Verwertbares bedeutet nicht in der Konklusion die Einstellung der Suche nach Funktionalitäten. Der Pferdeschädel auf dem Hillefeld ist nach Norden ausgerichtet, abgelegt auf einem Plateau und abseits gelegen zu archäologisch noch nicht vollumfänglich erfassten Besiedlungsspuren. Der vergleichende Knochenbefund mit angrenzend lokalisierten Tierknochen charakterisiert den Pferdeschädel als adult. Die Fragmentierungstendenzen (Cranium superior), das Fehlen ganzer Pferdeschädelpartien (Unterkiefer, Zahnreihen) und die Fundläsion im Allgemeinen rechtfertigen aber keine Abqualifizierung im Sinne eines abgehalfterten Hauspferdes mit Teillagerung auf dem archäologischen Abort.

Wenn Grabartefakte oder Biofakte nicht existent oder aussagefähig sind als Vergleichsgrößen für die Funktionalität eines Objektes, dann ist die Inklusion von benachbarten Besiedlungsspuren ein konstruktiver Schritt auf der Suche nach dem Attribut. Die mediävale Herkunft der Tierknochenreste, der Besiedlungsstrukturen, der Flurbezeichnungen in den angrenzenden Gemarkungen und die Quellenhinweise für Referenzen wie „Pfalz“, „Burg“ oder „Schloss“ sind statuiert und dienlich als archimedischer Punkt zur Thesensetzung. Und so sind die Voglerlegende oder der regionalgeschichtlich bedeutsame Teufelsweg als urdeutsche Elemente mit dem Habitus des Involvierten ein Ertrag auf der Suche nach einer indirekten Funktionszuordnung für den Pferdeschädel.

Anhang

Literaturverzeichnis

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Hyperlinks

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[1] Tacitus: Germania (10,2).

[2] Müller-Wille, 1970/71, 119-248.

[3] Freiin von Babo, 2004, 17.

[4] Tessmann, 2013, 131-146.

[5] Freiin von Babo, 2004, 17-26.

[6] Rettner, 2007, 522-526.

[7] Boessneck, 1967, 193-215.

[8] Kuncaitis, 1939, 66-72.

[9] Goßler, 2012, 203-216.

[10] Nawroth, 2001, 81-82.

[11] Göckenjan, 1972, 93-95.

[12] Steuer, 2007, 50-96.

[13] Bersch, 2014, 89-104.

[14] Oexle, 1992, 54-55.

[15] Vgl. hierzu die Anmerkungen auf https://www.lwl-landesmuseum-herne.de/blog/das-grab-des-herrn-von-beckum (zuletzt aufgerufen am 10.12.2018).

[16] Freiin von Babo, 2004, 19.

[17] Deiters, 2007, 5-7.

[18] Ein archäologischer Suchschnitt im Osten des Gräberfeldes konnte die ursprünglichen östlichen Abgrenzungen aufzeigen. Die weiteren Ausmaße können gegenwärtig nicht rekonstruiert werden.

[19] Ahrens, 1977.

[20] Haarnagel, 1979, 223-230.

[21] Gummel, 1926, 18-32.

[22] Cosack, 2017, 233-246.

[23] Kiesewalter, 1888, 5.

[24] Freiin von Babo, 2004, 25.

[25] Wolters, 2004, 139-140 und die Ausführungen des Ingolstädter Stadtarchäologen Gerd Riedel von 2005 unter https://www.ingolstadt.de/stadtmuseum/scheuerer/arch/starch16.htm (zuletzt aufgerufen am 10.12.2018).

[26] Pelikan, 2014, 103-105.

[27] Pelikan, 2014, 105.

[28] Vgl. hierzu http://www.archive.nrw.de/LAV_NRW/jsp/findbuch.jsp?archivNr = 1&klassId = 1&id = 0487 (zuletzt aufgerufen am 21.07.2018).

[29] Vgl. hierzu http://www.archive.nrw.de/LAV_NRW/jsp/findbuch.jsp?archivNr = 1&tektId = 104&id = 0585&klassId =5&seite = 1 (zuletzt aufgerufen am 21.07.2018).

[30] Koske, 1960, 168 und  http://www.archive.nrw.de/LAV_NRW/jsp/findbuch.jsp?archivNr = 1&klassId = 8&tektId = 104&id = 0585&bestexpandId = 103 (zuletzt aufgerufen am 21.07.2018).

[31] Eickhoff, 1998, 99-103.

[32] Warnke, 1995, 123-128.

[33] Der Befundkatalog Welver-Flerke 2015, Stemmerk, AKZ 4413,294 kann vom LWL-Archäologie in Westfalen offiziell auf Nachfrage bezogen werden und zum Komplex der Bauopferriten siehe Capelle, 1985, 498-501.

[34] Preising, 1970, 27 und zur Pfalzthematik Seibertz, 1846, 171.

[35] Thoss, 1943, 20.

[36] Kampschulte, 1861, 222.

[37] Rübel, 1902, 237. Hinweis: Werlaha kann sich auch auf die bei Goslar gelegene Pfalz beziehen. Einen Bezug zum Hellwege konnte ich allerdings nicht ermitteln, und die geographischen Argumente verlieren „glücklicherweise“ nicht an Bedeutung für den Pfalzstandort Scheidingen. Das bedeutet aber nicht, dass man die Werlaha-Problematik als belanglosen Historikerstreit abwertet. Die zukünftigen Forschungen werden sich dazu intensiver äußern (müssen), und mein Projekt bewertet zum jetztigen Zeitpunkt und Stand diese Problematik nicht als Schlüsselansatz oder festen Hauptteilstoff.

[38] v.  Papen, 1952, 14.

[39] Vgl. hierzu ausführlich meinen Beitrag zu alten Gebäuden in der Scheidinger Flur, der im Rahmen des Bundeswettbewerbes Jugend forscht 2014 erstellt wurde, in: Seithe, 2014, 1-13.

[40] Mehler, 1891, 524.

[41] Andernach, 1995, 9.

[42] Archiv Frhr. v. Fürstenberg Herdringen/Westf. Rep. IV, Fach 10 Nr. 49 und Klose, 1963, 559.

[43]Vgl. hierzu http://www.archive.nrw.de/LAV_NRW/jsp/findbuch.jsp?archivNr = 1&id = 0410&tektId = 12&klassId = 25&expandId = 5&bestexpandId = 4&suche = 1&verzId = 1904 (zuletzt aufgerufen am 21.07.2018).

[44]Archiv Frhr. v. Fürstenberg Herdringen/Westf. Rep. IV, Fach 10 Nr. 49.

[45] Preising, 1970, 43.

[46]Vgl. hierzu http://www.archive.nrw.de/LAV_NRW/jsp/findbuch.jsp?archivNr = 1&klassId = 22&tektId = 12&id = 0410&bestexpandId = 4&expandId = 5 (zuletzt aufgerufen am 21.07.2018) und Mehler, 1891, 47.

[47] Steuer, 2007, 51-52.

[48] Befundkatalog Welver-Flerke 2015.

[49] Heinrich, 1995, 117.

[50] Behrensmeyer, 1978, 150-162.

[51] Andrews, 1990, 10-16.

[52] Müller, 1992, 32-72.

[53] Risse, 1999, 39.

[54] Schmeken, 1961, 20-43.

[55] Gerichtsbäume waren sehr alte und lokal markante Bäume, die bereits vor der fränkischen Invasion eine mythologische oder mystische Funktion bei den heidnischen Sachsen hatten. Eichen, oft als Femeeichen bezeichnet, bildeten dabei das Naturpanorama, Relikte der germanischen Gerichtsbarkeit.

[56] Vgl. hierzu ausführlich meinen Beitrag zu historischen und archäologischen Aktivitäten bezüglich der Vogelherdproblematik, der im Rahmen des Bundeswettbewerbes Jugend forscht 2015 erstellt wurde, in: Seithe, 2015, 1-13.

[57] Schoppmann, 1940, 165.

[58] Schulze, 1982, 72.

[59] Mehler, 1891, 26-28.

[60] v. Gladiss, 1952, 504.

[61] Mehler, 1891, 31.

[62] Mehler, 1891, 27-28 und Seibertz, 1864, 172.

[63] Rübel, 1902, 237.

[64] Mehler, 1891, 31.

[65] Petri, 1970, 768.

[66] Hömberg, 1967, Karte.

[67] Die Informationen ergaben sich aus dem Emailkontakt mit Dr. Kreucher bezüglich meiner Anfrage zur Flurkartennummer 1792-UR-18.

[68] Günther, 1974, 45.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: C. Ahrens, Das Pferdegrab von Wulfsen, in: Helms-Museum (Hrsg.), Hamburgisches Museum für Vor- und Frühgeschichte (Faltblatt 38) (Hamburg 1977).

Abb. 2: A. Bersch, Fenster Europa: Das „Fürstengrab“ von Beckum in Westfalen. Zum Stand der Forschung eines Altfundkomplexes, in: Berichte zur Archäologie in Rheinhessen und Umgebung 7, S. 89-104.

Abb. 3: B. Tessmann, Grabungsergebnisse einer Trassenbegleitung. Gab es Tieropfer im spätmittelalterlichen Gröditsch (Lkr. Dahme-Spreewald)?, in: Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie,. Ethnologie und Urgeschichte (34) (2013), S. 131-146, S. 141.

Abb. 4: N. Goßler, Steppennomadische Einflüsse im hoch- und spätmittelalterlichen Mitteleuropa? Neues zur Pferdebestattung von Schleenhain, Kr. Leipzig, in: F. Biermann u. a. (Hrsg.), Transformationen und Umbrüche des 12./13. Jahrhunderts. Beiträge zur Sektion der slawischen Frühgeschichte der 19. Jahrestagung des Mittel- und Ostdeutschen Verbandes für Altertumsforschung in Görlitz, 01. Bis 03. März 2010, Sonderdruck aus: Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 64 (Langenweissbach 2012), S. 203-216, S. 204.

Abb. 5: N. Goßler, Steppennomadische Einflüsse im hoch- und spätmittelalterlichen Mitteleuropa? Neues zur Pferdebestattung von Schleenhain, Kr. Leipzig, in: F. Biermann u. a. (Hrsg.), Transformationen und Umbrüche des 12./13. Jahrhunderts. Beiträge zur Sektion der slawischen Frühgeschichte der 19. Jahrestagung des Mittel- und Ostdeutschen Verbandes für Altertumsforschung in Görlitz, 01. Bis 03. März 2010, Sonderdruck aus: Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 64 (Langenweissbach 2012), S. 203-216, S. 204.

Abb. 6: S. Deiters, Das Gräberfeld von Ense-Bremen. Begleitheft zur Ausstellung „Das Gräberfeld von Ense Bremen“ vom 20. November bis 10. Dezember 2007 im Rathaus der Gemeinde Ense in Ense-Bremen (Münster 2007), S. 10.

Abb. 7: S. Wolters, „Eine Insel unter dem Pflaster“ – Überraschungen auf dem Ingolstädter Rathausplatz, in: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege und von der Gesellschaft für Archäologie in Bayern (Hrsg.), Das Archäologische Jahr in Bayern 2004, S. 139-140, S. 139.

Abb. 8: S. Wolters, Grabungsbericht Rathausplatz Ingolstadt, Bildanhang.

Abb. 9: M. Pelikan, Ein Pferd unterm Stall … Erste Spuren einer früh- und hochmittelalterlichen Besiedlung Trappstadts, in: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege und von der Gesellschaft für Archäologie in Bayern (Hrsg.), Das Archäologische Jahr in Bayern 2014, S. 103-105, S. 105.

Abb. 10: M. Pelikan, Ein Pferd unterm Stall … Erste Spuren einer früh- und hochmittelalterlichen Besiedlung Trappstadts, in: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege und von der Gesellschaft für Archäologie in Bayern (Hrsg.), Das Archäologische Jahr in Bayern 2014, S. 103-105, S. 104.

Abb. 11: Archiv LWL-Archäologie für Westfalen, AS Olpe.

Abb. 12: Archiv LWL-Archäologie für Westfalen, AS Olpe.

Abb. 13: Archiv LWL-Archäologie für Westfalen, AS Olpe.

Abb. 14: Archiv LWL-Archäologie für Westfalen, AS Olpe.

Abb. 15: Archiv LWL-Archäologie für Westfalen, AS Olpe.

Chronologie der Scheidinger Schulgeschichte 1840 – 1892

Chronologie

der

Scheidinger Schulgeschichte

1648 – 1968

 

Abb. 1: Alte Schule in Scheidingen

Teil 2: 

1840 – 1892

Das Jahr 1840 war eine Zäsur in der Scheidinger Schulgeschichte. Erstmals trat die jüdische Gemeinde mit der Bitte zur Einstellung des jüdischen Lehrers Jakob Scharf an die Schulobrigkeit. 27 jüdische Einwohner und 6 schulpflichtige Kinder waren nicht das ausschlaggebende Moment, aber zeigten trotz der umfänglichen Reichsrechte für Juden im Deutschen Bund den seltenen Stellenwert hinsichtlich dieser Schulpersonalie. Auch die Vormärzdekade zeichnete sich in der Scheidinger Schulhistorie aus durch die Auflistung von mehr oder weniger interessanten Ereignissen, die aber den klassischen Schulalltag mit seinen typischen Eigenarten widerspiegelte:

  • Am 13. Februar 1840 nahm der Pfarrer Kook die Prüfungen mit Zufriedenheit ab. Auch lagen keine nennenswerten Versäumnisse vor. Belegt ist auch ein Schaden am Schuldach, verursacht durch einen Sturm. Und die Information ist hinterlegt, dass der Vorsteher die Reparatur zu organisieren hätte. Weiteres ist nicht aus der Chronik zu entnehmen.
  • Im Mai 1840 gab es ebenfalls keine Beanstandungen bezüglich der Prüfungsergebnisse, aber Lehrer Ammermann wurde angehalten, den zu dieser Zeit merklichen Fehlzeitenstand zu melden und Sanktionierungen durch die Eltern zu veranlassen. Im September des gleichen Jahres war nur erwähnenswert, dass Rechentafeln angeschafft werden mussten, wofür auch der Lehrer – nach Absegnung durch die Schuloberen – Sorge zu tragen hätte.
  • Im Jahr 1841 wird ein Mann namens Jacob Schiff als Praktikant an der Scheidinger Schule geführt, offiziell war er als Hauslehrer der Familie Nordheim angestellt. Diese Personalie ist nur deshalb ungewöhnlich, weil dieser Lehrer Schiff noch im 18. Lebensjahr war. Die pädagogische Ausbildung – wenn diese Begrifflichkeit überhaupt so formuliert werden darf – konnte selbst bei gutem Willen nicht heutige Maßstäbe erreichen. Weiteres ist zu Lehrer Schiff nicht notiert.
  • Die steigenden Schülerzahlen 1841 veranlassten die Schuloberen, neben Lehrer Ammermann einen Hilfslehrer einzustellen. Das war zunächst nicht als Zäsur einzustufen, nur dass es sich dabei um den eigenen Sohn handelte mit Namen Clemens Ammermann, und beide Lehrer unterrichteten gemeinsam bis 1847 in einem Schulzimmer; eine durch räumliche Not gezwungenermaßen neuzeitliche Form des Teamteachings. Erstmals wird das Lehrerjahresgehalt aufgeführt mit 75 Talern, finanziert über das Schulgeld der Kinder in Höhe von 18 Silbergroschen und 6 Pfennigen und Beträgen aus der Armenkasse. Es wurde ebenfalls eine Wohnung zur Verfügung gestellt.
  • Die Prüfungsjahreseinträge 1841 (4. Februar, 2. Juni und 27. Oktober) geben gänzlich Auskunft über gute Prüfungsergebnisse und problemfreie Fehlzeiten der Schüler. Das Problem mit den aus dem Vorjahr aufgeführten Rechentafeln muss jedoch noch nicht gelöst worden sein, da man Lehrer Ammermann anregte für die Beschaffung Sorge zu tragen.
  • Die Schülerzahl wird 1841 mit 170 geführt, und Clemens Ammermann, bis dato Hilfslehrer an der Scheidinger Schule, geht im Juli 1841 erfolgreich vom Bürener Lehrerseminar ab. Bedingt durch die hohe Schülerzahl erfolgt eine Vergrößerung des Schulzimmers. Auch ein zweiter Heizofen ist Aussicht gestellt.
  • Die Lehrerstellen waren auch zu der Zeit offiziell ausgeschrieben, und der nachfolgende Auszug aus den Amtsblättern der Regierung Minden gibt einen Einblick in die damaligen Bewerbungsszenarien der Seminarabgänger, also durchaus Parallelen zu heutigen Lehrereinstellungsverfahren:

 

                                                                                   Abbildung 1: Lehrereinstellungsverfahren

  • Die Prüfung im Februar 1842 war ohne Beanstandung, und die Schulversäumnisse lagen in einem akzeptablen Bereich. Der zweite Ofen – 1841 in Aussicht gestellt – war nun angeschafft und aufgestellt (im August 1842
    Abbildung 2: Schullandkarte des Kreises Soest

    erfolgte die neue Schornsteinlegung). Auch die Schulutensilien waren in der Ausstattung zufriedenstellend (u. a. eine Schullandkarte des Kreises Soest). Übrigens, Clemens Ammermann unterrichtete bereits eine Schulklasse in Eigenregie. Die Schaffung neuer Lehrerstellen war dringend geraten bei amtlich 213 Schülern (Stand: Februar 1848).

  • Kurz vor Weihnachten 1842 wurde eine Schulinspektion durchgeführt unter Führung des Landrates Bockum-Dollfs. Er bemängelte, dass der Schulvorstand 1842 nicht einmal die obligatorische Schulvisitation vornahm. Außerdem kam der Landrat vorbereitet zur Inspektion, denn er bemerkte die Abwesenheit von 6 Mädchen und 14 Jungen. Und die Abwesenheitslisten standen ebenfalls zur Disposition, denn die ordnungsgemäße Führung war seit dem Herbst 1842 von mangelhafter Natur. Dieses Ereignis verdeutlichte die Problematik im Scheidinger Schulalltag, denn der Landrat kam nicht ohne Grund mit dieser grundsätzlich negativen Einstellung zur Inspektion.
  • Im März 1843 erfolgten wiederum Prüfungen, wobei die Kopfrechenleistungen positiv herausragten. Und lediglich Caspar Hagedorn aus Illingen hatte nennenswerte Schulversäumnisse. Auch die Einführung einer Schulsteuer wurde verhindert, da das Schulgeld als sach- und zweckgebundene Abgabe ausreichend erschien.
  • Die Maiprüfungen 1843 müssen noch erfolgreicher gewesen sein, denn neben Kopfrechnen waren auch die Deutschleistungen und das Lesen erfolgreich im Abschluss. Der Illinger Hagedorn, noch im März als wuchtiger Absenter verschrien, konnte nachträglich seine Fehlzeiten legitimieren durch ein ärztliches Attest. Lehrer Ammermann hatte aber bereits mit den zu der Zeit schulpflichtig gewordenen Kindern seine größten Probleme, denn weder die Eltern noch die Kinder hatten eine ausgeprägte Neigung zur Schulpflicht. Ende Mai 1843 besuchten offiziell 157 Kinder die Scheidinger Schule.
  • Die August- und Novemberprüfungen 1843 verliefen ohne Beanstandungen, und die Versäumnisse hatten keine strafbaren Dimensionen erreicht. Einzelnen Kindern attestierte man jedoch ein Nervenleiden. Ob diese „nervlichen Belastungen“ im Zusammenhang mit den Prüfungen standen, konnte nicht geschlussfolgert werden, war aber zumindest aktenvermerkwürdig. Das jährliche Lehrerjahresgehalt von 75 Talern wurde vom Schulgeld der Kinder finanziert, das des Hilfslehrers aus der örtlichen Schulkasse.
  • Ob in der Scheidinger Schulordnung verankert oder als direkte Sofortmaßnahme für die Schulversäumnisse, die Einnahmen aus dieser Ordnungswidrigkeit betrugen 1844 7 Groschen und 6 Pfennige. Pfarrer Kook nahm ohne nachträgliche Kritiknahme die Prüfungen ab im Februar 1844. Einem Salinenbaumeister namens Wegener gab man den Auftrag, Reparaturarbeiten an der Scheidinger Küsterei durchzuführen. Im April 1844 wurde der Antrag auf Einführung der Sonntagsschule abgelehnt. Ob es eine organisatorische Notwendigkeit zur Kompensation der Schulversäumnisse sein sollte, war aus den Überlieferungen nicht zu deuten, aber der Sonntag war dann doch trotz möglicher Nachvollziehbarkeiten nicht in seiner Funktion als arbeitsfreier Wochentag im katholisch geprägten Scheidingen eine feste Institution.
  • Die Prüfungstermine im August und November 1844 verliefen ohne nennenswerte Beanstandungen. Am 8. November 1844 wurden die Ortsvorsteher von Scheidingen und Illingen, Vickermann und Ostermann, zu ständigen Mitgliedern des Schulvorstandes ernannt.
  • Im Kalenderjahr 1845 wurden 9 schulpflichtige Kinder gezählt, und die Prüfungssitzungen im Juni und August wurden ohne größere Beanstandungen durch den Pfarrer Kook abgenommen. Dem Polizeidiener wurde lediglich angeraten, die Eltern einiger schulsäumiger Kinder aufzusuchen als pädagogische
    Abbildung 3: Schulalltag, prügelnder Lehrer

    Erziehungsmaßnahme. Dass das mit den pädagogischen Erziehungsmaßnahmen auch kritisch gesehen werden konnte, zeigt die nebenstehende Abbildung aus dem Schulalltag einer – und Scheidingen stand dem in nichts nach – beliebigen Dorfschule. Die Theorie kann auch vertreten werden, dass die Fehlzeiten in Scheidingen durch solche oder ähnliche Lehrer ursächlich waren, denn die Prügel war immer schon ein demotivierendes, zur Flucht neigendes Element. Ende August kam der Schulvorstand überein, die Ferien vom 6. September bis zum 20. Oktober anzusetzen, um notwendige Umbaumaßnahmen zur Schulbauerweiterung durchzuführen. Pfarrer Kook erklärte sich hinsichtlich des Baulandes bereit, Teile seines Gartengeländes abtreten zu wollen nach vorheriger Genehmigung durch das Generalvikariat. Jährlich 4 Taler Mietentschädigung wurden dafür vom Schulvorstand als angemessen veranschlagt. In den Herbstferien hatte der schon erwähnte Salinenbaumeister seine Bautätigkeiten an der Küsterei durchgeführt. Die Prüfungsperiode im November 1845 verlief ohne besondere Vorkommnisse. Die Anmerkung, wonach strafbare Schulversäumnisse eingereicht werden sollten, lässt nach wie vor der Vermutung freien Lauf, dass die Umsetzung der Schulpflicht in der Scheidinger Schule ein konstantes, unterschwelliges Defizit bildete.

  • Im Februar 1846 gab es keine Beanstandungen der Prüflinge, und die Genehmigung hinsichtlich der Abtretung einer Parzelle des Kirchengartens wurde durch die zuständige Behörde gegeben. Im Juni 1846 gab man erneut die vorbildliche Führung der Fehlzeitenliste bekannt, und die Herbstferien wurden für den Zeitraum vom 7. September 1846 bis zum 19. Oktober 1846 festgelegt. Seit 1846 war auch ein Pfarrer Wernig namentlich erwähnt. Ob als reguläre Vertretung oder in Abkommandierung für den Prüfungsausschuss, war im Kalenderjahr 1846 bei dieser Personalie nicht zu erkennen. Am 13. August 1846 gab es offenbar wieder eine Durchsicht der Fehlzeitenliste. Entweder waren die Schulbehörden im 19. Jahrhundert völlig fixiert auf die Einsicht in die Fehlzeitenlisten oder – und das ist naheliegend – Scheidingen hatte schlichtweg ein Problem mit den Versäumnissen. Dieser Umstand kann nur aus der geringen Verankerung für die Schulpflicht innerhalb der Dorfbevölkerung erklärt werden, da jahrzehntelange Epidemie- und Erkältungswellen mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden konnten, weil nicht existent. Die schon erwähnte Prügelstrafe muss – der Multiperspektivität einfach geschuldet – noch als Erklärungsmodell herhalten, aber einen signifikanten Zusammenhang gäbe es nicht, da allerorts die Prügelstrafe zum pädagogischen Repertoire gehörte. Im November 1846 konnten die Schulvorstandsmitglieder die Einweihung des Schulneubaus in Augenschein nehmen, allerdings ohne Bezugsfertigkeit für den Unterrichtsbetrieb. Bis zur Nutzung sollten als Überbrückung die Unter- und die
    Abbildung 4: Spucknapf

    Oberklasse zu verschiedenen Zeiten im alten Klassenraum unterrichtet werden. Übrigens, der nicht mehr zeitgemäße Spucknapf gehörte auch in Scheidingen zur Standardausrüstung eines Klassenzimmers, da noch bis in das 20. Jahrhundert hinein die medizinische Laiensicht dominierte, wonach das Speichelschlucken ungesund wäre. Anekdoten zu diesem Spuckabort sind nicht überliefert, aber es war zumindest hygienischer als das typische Bodenbeschießen mit dem Speichel.

  • In den Jahren 1847 bis 1850 gab es keine weiteren Auffälligkeiten oder besonderen Vorkommnisse, und Lehrer Ammermann und Pfarrer Werning leiteten den Scheidinger Schulstandort nach bestem Wissen und Gewissen. Schulvisitationen, Fehlzeitenlisten und Prüfungen bestimmten den gängigen Schulalltag. Lediglich eine Bemerkung aus dem Jahr 1848 zeigte deutlich auf, dass die Pfarrinstitution im Schulalltag stark verankert war, da der Pfarrer vom Lehrer eine Erklärung verlangte für einen eigenmächtigen Unterrichtsabbruch. Die Unterrichtsmaterialien wurden immer bebildeter. Offenbar war – in heutiger Zeit als ikonische Darstellungsebene bezeichnet – dieser Zugang zur Wissensvermittlung stark verbreitet; zeitlos besonders in unteren Jahrgängen kann diese Inanspruchnahme immer befruchtend sein, da abstrakte Zugänge belastend sein können und zu Schulverweigerungen führen. Die Abbildungen geben einen Einblick in damalige Unterrichtswerke, wie sie in Scheidingen sicher auch oder in ähnlicher Form Verwendung fanden.

                

                 Abbildung 5: ABC – und Lesebuch

  • 1850/51 gab es lediglich zwei Bemerkungen mit erwähnungswürdigem Charakter. Zum einen wurde am 29. August 1850 vermerkt, dass die Eltern hinsichtlich der Erntehelfertätigkeiten ihrer Kinder nicht wegen vieler Schulversäumnisse zur Rechenschaft herangezogen werden sollten und zum anderen eine Bemerkung vom 11. Dezember 1851 wonach, der Schulhof mit Steinschlag oder Sand ausgelegt werden sollte.
  • Abbildung 6: Bürgermeister Franz Wilhelm Fickermann

    1852 waren der Bürgermeister Franz Wilhelm Fickermann und der Pfarrer Werning als ständige Mitglieder des Schulvorstandes mit der Suche nach zeitlich befristeten Bestellungen von Schulvorstandmitgliedern beschäftigt. Geeignete Kandidaten waren in Scheidingen und Illingen (Quotenregelung) gefunden (Landwirte Sauer und Menze) oder wurden bestätigt (Landwirt Gerwin)  und nahmen die Wahl an, wobei die zeitliche Befristung auf maximal vier Jahre festgelegt wurde. Quartalsvisitationen, Reparaturarbeiten und die leidlichen Absenzen prägten ansonsten – oder wie üblich – den Schulalltag.

  • Die fünfziger Jahre waren geprägt durch die Umsetzung königlicher Erlasse und organisatorischer Verpflichtungen seitens des Schulvorstandes[1] (Einführung neuer Schulbücher 1853, Umbau des Schulzimmers 1855 oder Einbindung der weiblichen Handarbeit in den Fächerkanon 1858). Lediglich die Personalie Wilhelm Ammermann ragte aus der Eintönigkeit eines standardisierten Schulalltages heraus, denn zunächst bewilligte man ihm 1856 eine Gehaltserhöhung in Anbetracht verteuerter Lebensmittel, finanziert aus der Schulkasse in Höhe von 15 Talern und zeitlich nicht viel später 1858 vom zuständigen Kreisgericht verurteilt zur Strafzahlung von 35 Talern, ersatzweise auch 14 Tage verschärfte Arrestierung wegen Regierungsdienerbeleidigung. Dieser Hilfslehrer hatte offenbar ein vielschichtiges Gemüt.
  • Die sechziger Jahre waren durch eine institutionelle Personalie Ammermann geprägt. 1863 feierte Adolf Ammermann fünfzigjähriges Jubiläum, und zu Beginn des Kalenderjahres 1863 beantragte Franz Wilhelm Ammermann die Beendigung seiner Hilfslehrertätigkeit, gültig ab den Herbstferien desselben Jahres.
  • Franz Wilhelm Ammermann starb allerding nur wenige Tage nach seiner
    Abbildung 7: Todesanzeige Franz Wilhelm Ammermann 1863
    Abbildung 8: Todesanzeige Adolph Ammermann 1866

    Ankündigung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  • Cui honorem, honorem, aber auch die Familie Ammermann konnte die natürlichen Dinge nicht ändern, denn contra vim mortis non est medicamen in hortis. Adolf Ammermann verstarb schon 1866 mit 70 Jahren. Das bedeutete aber nicht
    Abbildung 9: Lehrer Wilhelm Ammermann 1867

    das Ende der Lehrerdynastie Ammermann, da im November 1867 bei 100 Talern Grundgehalt ein Wilhelm Ammermann als 1. Lehrer in der Scheidinger Schule angestellt wurde (siehe Porträt) und zu Beginn von einem Lehramtsanwärter namens Wilhelm Osthoff unterstützt wurde. Er war recht ambitioniert, denn schon wenige Monate später konnte er unter Mitwirkung und Vormundschaft des Pfarrers Müller für einen Schweinestall mit angrenzender Backstube werben…eine Form des praktischen Lernens.

 

Abbildung 10: Zeichnung Stallung und Backstube

 

 

Abbildung 11: Fräulein Ferdinande Beine

1868 gab es eine weitere Zäsur in der Scheidinger Schullandschaft. Fräulein Ferdinande Beine, eine überaus attraktive und gesellige Frau, wurde im Februar 1868 mit der zweiten Lehrerstelle versehen zum Zeitpunkt der Errichtung einer Mädchenschule vor Ort. Vermutlich titulierten Zeitgenossen sie nicht abwegig und etwas despektierlich mit Fräulein, wie aus einem untenstehenden Zeitungsartikel der Streitbericht im November 1868 herauszulesen war. Difficile est saturam non scribere, jedoch muss man konsternieren, dass dieses pädagogische Fräulein nach den Aussagen mancher Zeitgenossen den Dienst mit Ehrgeiz und Hingabe absolvierte und als „Tante Lehrerin“ in die Scheidinger Dorfchronik einging. Aber Herr Lohmann aus dem Zeitungsbericht hatte sicher auch so seine Argumente bei diesem Tantenwunder. Der Leser möge hierzu selbstverantwortlich Stellung nehmen.

 

    • Abbildung 12: Zeitungsartikel, Abbildung im Privatbesitz von Samantha Seithe.

       

    • Fräulein Beine war sich auch nicht zu schade, 1875 beide Klassen selbstlos zu
      Abbildung 13: Franz Wilhelm Ammermann – genannt Ackermann

      übernehmen, als Lehrer Wilhelm Ammermann in jenem Jahr verstarb.Dessen Sohn, Franz Wilhelm Ammermann – Ackermann genannt – trat zu Beginn des Jahres 1877 seinen Dienst in Scheidingen an. Die Lehrerdynastie hatte ihren Fortbestand gesichert. Passable Leistungen konnte Ackermann vorweisen, wie nachfolgendes Zeugnis zum Ausdruck bringt, wobei Deutsch und Geschichte nicht seine Stärken widerspiegelten. Er war wohl eher der naturwissenschaftlich-mathematische orientierte Turner.

Abbildung 14: Kopie Zeugnis Wilhelm Ammermann
  • Und Ackermann hatte sicher keine Probleme mit Kindern, denn neben seiner beruflichen Tätigkeit war er voll und ganz ausgelastet mit seinen zahlreichen eigenen Kindern, von denen er 8 hatte mit seiner Frau, einer geborenen Vickermann. Ackermann und Fräulein Beine hatten Mitte der achtziger Jahre mehr als 200 Kindern zu versorgen. Es war nur naheliegend, dass eine dritte Lehrkraft den laufenden Unterrichtsbetrieb unterstützen musste. Hierfür wurde Elisabeth Hollenbeck aus Westernkotten zeitlich befristet eingestellt, und 1888 erfolgte mit Gertrud Liese die Einstellung der festen Lehrkraft, für beide Lehrerinnen in den beiliegenden Personalblättern dokumentiert.

 

Abbildung 16 : Personal – Notizen von E. Hollenbeck
Abbildung 15: Personal – Notizen von G. Liese

           
 

 

 

 

  • Ende der achtziger Jahre wurde dem zuständigen Gremium aufgegeben, eine Schule für drei Klassen mit separater Lehrerwohnung in Scheidingen zu errichten. Die Maßnahme nahm bis 1892 Zeit in Anspruch, da der dafür notwendige Baulanderwerb zeitweise stockte und die konkreten Baumaßnahmen mehr Zeit in Anspruch nahmen durch Ergänzungen/Umänderungen. Endgültig konnten die Schuloberen dann 1891 vom Ackerer Wilhelm Schulte, von einigen Dorfbewohnern Euler genannt, Bauland erwerben (2,5 preußische Ruten für etwas mehr als 1300 Mark). Außerdem erfolgte ein Schulneubau in der Gemeinde Illingen. Der Schulverband Scheidingen/Illingen wurde aufgelöst. Als Entschädigung oder pädagogische Mitgift erhielt der neue Scheidinger Schulverband ein Fünftel des Schulvermögens (in Relation zu den Schülerzahlen). Am 8. Februar 1892 erfolgte dort die Neueinweihung mit dem Lehrer Adolf Stolle. Die Grundsteinlegung der Scheidinger Schule erfolgte im November 1891.

 

Abbildung 17: Scheidinger Schule

Offiziell wurde die Scheidinger Schule seit April 1892 mit drei Klassen, über 150 Schülern und zwei Lehrkräften geführt. Fräulein Beine selbst musste seit Sommer 1892 wegen Krankheit vertreten werden; Lehrerin Elfriede Granteier aus Hörde vertrat sie.
[1] In der Schulvorstandssitzung vom 11. Mai 1854 wurde zum Beispiel vermerkt, dass keine größeren Beanstandungen bei den durchgeführten Schulvisitationen zu beobachten waren, die Schulversäumnisse keine bedenklichen Dimensionen erreichten, der königliche Erlass vom 27. Januar 1854 und die Landratsverfügung Vom 9.2.1854 No 480 bindend wären hinsichtlich der angesetzten Schulvisitationen. Auch die Abnahme der Schulkostenrechnung für 1853 und die Terminierung der Herbstferien gehörten zu den Tagungspunkten.

 

Abbildungsverzeichnis:

  • Abbildung 1:

Lehrereinstellungsverfahren

http://www.schulgeschichte.de/die-reumtengruener-schule-nach-dem-saechsischen-schulgesetz-1835.html, abgerufen am 17.05.2016

  • Abbildung 2:

Schullandkarte des Kreises Soest. Das Bild befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 3:

Schulalltag, prügelnder Lehrer

http://www.jmbruhn.de/Lehrerfortbildung/lfbcon/Hauptteil/Teil_2/Schulkonferenzen.htmabgerufen am 19.05.2016.

  • Abbildung 4:

Spucknapf

http://www.tagblatt.de/Nachrichten/Historiker-Ewald-Frie-verglich-bewaffnete-Konflikte-mit-Spucknaepfen-213999.html, abgerufen 24.05.16.

  • Abbildung 5:

ABC – und Lesebuch

http://gei-digital.gei.de/viewer/image/PPN724043551/19/, abgerufen am 24.05.2016.

  • Abbildung 6:

 Bürgermeister Franz Wilhelm Fickermann

https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Wilhelm_Fickermann, abgerufen am 03.04.2016.

  • Abbildung 7:

Todesanzeige von Franz Wilhelm Ammermann, Abbildung im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 8:

Todesanzeige von Adolph Ammermann, Abbildung im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 9:

Lehrer Wilhelm Ammermann 1867. Das Foto wurde mir freundlicherweise von Herrn Meinolf Volke zur Verfügung gestellt.

  • Abbildung 10:

Zeichnung Stallung und Backstube. Das Bild befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 11:

Fräulein Ferdinande Beine, Abbildung im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 12:

Zeitungsartikel, Abbildung im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 13:

Franz Wilhelm Ammermann – genannt Ackermann, das Foto befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 14:

Kopie Zeugnis Wilhelm Ammermann. Das Foto wurde mir freundlicherweise von Herrn Meinolf Volke zur Verfügung gestellt.

  • Abbildung 15:

Personal – Notizen von Gertrud Liese.

http://archivdatenbank.bbf.dipf.de/actaproweb/archive.xhtml?id=Vz++++++7dcefeec-4209-4a56-8261-282f4cd44479&parent_id=#Vz______7dcefeec-4209-4a56-8261-282f4cd44479, abgerufen am 17. 04.2016

  • Abbildung 16:

Personal – Notizen von E. Hollenbeck.

http://archivdatenbank.bbf.dipf.de/actaproweb/archive.xhtml?id=Vz++++++7dcefeec-4209-4a56-8261-282f4cd44479&parent_id=#Vz______7dcefeec-4209-4a56-8261-282f4cd44479, abgerufen am 17. 04.2016

  • Abbildung 17:

Scheidinger Schule, das Foto befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

 

Quellenverzeichnis:

 

 

4. Schlussbetrachtungen mit Ausblick

Der Salzbach lebt. Die schadstoffbelastete Vergangenheit ist zumindest in großen Teilen nicht mehr vorhanden. Die Bachverunreinigungen und das tote Gewässer aus den Zeitzeugenaussagen oder den schriftlichen Quellen stimmen nicht mehr. Die künstlichen Verschmutzungen aus den von mir untersuchten Bodenproben sind natürlich die Abfallprodukte der Industrialisierung, aber der Salzbach erholt sich und zeigt Leben. Die zahlreichen Muschel- und Schneckenfunde, darunter viele Lebendfunde und die vom Aussterben bedrohten Bachmuscheln und Zierliche Tellerschnecken, die beobachteten Fische oder Bisamratten zeigen einen lebendigen Bach.

Dieser Eindruck wird verstärkt durch die Auswertungsergebnisse der Wasserproben. Die Konzentration von Schwermetallen, die unterhalb der Nachweisgrenze liegen, „trinkwasserfreundliche“ Nitrat- oder ph – Werte, die Sauerstoffsättigung und die sich daraus ergebenen Güteklassen sprechen dafür, dass der Salzbach heute in erster Linie ein Lebensraum ist. Die offizielle Einteilung des Salzbaches als kritisch belastetes Gewässer muss nach den zahlreichen Lebendfunden und den Ergebnissen der Wasserproben hinterfragt werden.

Die angedachte Entfernung von Steinschüttungen am Ufer des Salzbaches liefert zwar für die Renaturierung des Gewässers einen Beitrag, würde aber einen Eingriff in die Fauna und Flora des Salzbaches nach sich ziehen. Die Bachmuscheln haben ihren Lebensraum auch zwischen den Steinen am Ufer. Das wäre zumindest eine Beeinträchtigung im Lebensraum einer bedrohten Art. Durch meine Funde habe ich erreicht, dass weitere Gutachten vor der Renaturierung vorgenommen werden, auch wenn sich die Baumaßnahme dadurch verzögert. Eine Naturschutzmaßnahme muss immer produktiv wirken und nicht ungewollte Schäden hervorrufen. Noch weitere genauere Untersuchungen des Salzbaches könnten einen besseren Blick auf den Naturschutz werfen. Wer weiß, vielleicht gibt die intensivere Beschäftigung mit dem Salzbach weitere vom Aussterben bedrohte Arten preis?

Jeder kann aber auch direkt im kleinen Rahmen Naturschutz am Salzbach und dessen Zuflüssen vorleben. Verschmutzungen sind heute noch an der Tagesordnung und vermeidbar!

Am Salzbachabschnitt „Mersch“ zwischen Scheidingen und Welver konnte ich noch im März 2014 Verunreinigungen und Abfalleinlagerungen beobachten (Bildmotive mit roten Markierungen)

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Die zunehmende Wasserqualität und die im Bach lebenden Tiere müssen nicht zwingend solche „Rückschläge“ erleiden. Vielversprechend sind daher auch die bereits erwähnten „Bachpaten“ oder die geplanten Großprojekte zur „passenden Renaturierung“ des Salzbachufers auf Seiten der zuständigen Behörden. Schon in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts kam es bei Projekten zur Fließgewässerbegradigung für schadlose Hochwasserschutzmaßnahmen zu Bedenken hinsichtlich der Zerstörung einer natürlichen Landschaft.18 Ein vernünftiger Hochwasserschutz kann aber problemlos kooperieren mit der natürlichen Uferlandschaft von Fließgewässern. Ausgeschriebene Überschwemmungsfluren sollten genauso ohne Bedenken von der Landwirtschaft akzeptiert werden wie maßvolle Flussbegradigungen an bestimmten Fließgewässerabschnitten.

Als Nebenprodukt meiner Untersuchungen am Salzbach konnte ich tatsächlich eine ockerige Stelle mit einer kleinen Wasserquelle im heutigen Salzbachbett finden. Bei meinen Untersuchungen am Salzbach hatte sich der zweite Blick auch hier gelohnt.

Ich möchte mich recht herzlich bei den Mitarbeitern der Kreisverwaltung Soest und des Landesinstitutes Lippstadt bedanken, die es mir ermöglichten, Einsicht in alle Unterlagen zu nehmen und beim Bestimmen der Muscheln geholfen haben. Weiterhin gilt mein Dank den  Herren Bernd Vickermann und Wilhelm Lückmann, die in einem Interview viele meiner Fragen beantworten konnten.

Samantha Seithe

Anhang

17       Das entsprechende Echo mit Bildmaterial kann unter http://www.soester-anzeiger.de/ lokales/ welver/ samantha – seithe – entdeckte – ihrer –j ugend-forscht-arbeit-erstaunliches – salzbach – wasser – besser – gedacht – 2771546.html, http://www.google.de/imgres?sa = X&biw = 1920&bih = 898&tbm = isch&tbnid = WMV31OW3nhtVvM%3A&imgrefurl = http%3A%2F%2Fwww. soennern. de%2Findex. php%2Fpresse-gesamt%3Fstart%3D15&docid = RDZ2U_uGughy6M&imgurl = http%3A%2F%2Fwww.soennern.de%2Fimages%2Fpresse%2Fpresse – 2013%2F2013-10-12 – salzbach – 2.png&w = 200&h = 184&ei = hfYFU – 2bI8HatAbAzYGIAQ&zoom=1&iact=rc&dur=455&page=1&start=0&ndsp=41&ved = 0CGMQrQMwBA

http://heimatverein – werl.de/ index.php/ 10-jahrbuch2013 oder http://www.google.de/imgres?sa = X&biw = 1920&bih = 898&tbm = isch&tbnid = 0oJHoMVMESZASM%3A&imgrefurl = http%3A%2F%2Fwww.soester-anzeiger.de%2Flokales%2Fwelver%2Fsamantha – seithe – entdeckte – ihrer – jugend – forscht – arbeit – erstaunliches – salzbach – – wasser – besser – gedacht – 2771546.html&docid = 2O6aIL17Ylyc6M&imgurl = http%3A%2F%2Fwww.soester-anzeiger.de%2Fbilder%2F2013%2F02%2F26%2F2771546%2F1919352697 – 280_008_2854453_2owelseith – gC34.jpg&w = 665&h = 498&ei = hfYFU – 2bI8HatAbAzYGIAQ&zoom = 1&iact = rc&dur = 1074&page = 1&start = 0&ndsp = 41&ved = 0CFcQrQMwAA nachverfolgt werden.

 

18             vgl. hierzu den Soester Anzeiger vom 28./29. August 1982.

 Schließmundschnecke 1,1cm258      Erbsenmuschel0,4cm drt    
Kugelmuschel0,7cmnnnn    Wasserschnecke1,2cm 9    
 Flussnapfschnecke1,1cm 769    Knochen1,7cm 1367  
 Knochen4,2cmzui     Knochen4,6cm 4598   

Wasserkörper und Güteklassen:

Quelle:

http://www.niederrhein.nrw.de/ lippe/tab/tab2 1 3 4 3.pdf

der

Wasserproben
Messungen SB 01 SB 02 SB 03 SB 04 SB 05
Lufttemperatur(°C) 11,6°C 9,3°C 9,0°C 9,0°C 9,0°C
Wassertemperatur(°C) 10,0°C 9,0°C 8,9°C 8,8°C 7,8°C
pH-Wert 8,25 8,47 8,05 7,64 7,61
Sauerstoffgehalt(mg/L) 7,3 mg/L67,41% 10,7 mg/L95,62% 10,2 mg/L90,90% 10,6 mg/L94,22% 11,2 mg/L97,22%
Leitfähigkeit(mS/µS) 0,903 mS 0,945 mS 0,941 mS 0,953 mS 0,856 mS
Salzgehalt in Pcnt(%) 0,05% 0,05% 0,05% 0,05% 0,04%
Datum 31.12.2012 31.12.2012 31.12.2012 31.12.2012 31.12.2012
Uhrzeit 11.27 Uhr 11.43 Uhr 12.00 Uhr 12.10 Uhr 12.16 Uhr
Koordinaten(Nord) 51,555869 51,568459 51,584270 51,590411 51,592495
Koordinaten(Ost) 7,909573 7,902079 7,925135 7,932173 7,938520
Wasserqualität klar, salzig Sehr gut, bisschen Müll Klar, sauber Klar, viel Müll klar
Ort der Probe Quelle, Werl Vor alter Kläranlage Werl Hinter Mülldeponie Werler Straße Brücke MündungMühlenbach
Borwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L
Arsenwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L
Nitratwert(mg/L) 40 mg/L 25 mg/L 24 mg/L 24 mg/L 40 mg/L
Phospatwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L
Sulfatwert(mg/L) 90 mg/L 60 mg/L 60 mg/L 60 mg/L 90 mg/L
Zinkwert (mg/L) <2 mg/L <2 mg/L <2 mg/L <2 mg/L <2 mg/L
Ammoniumwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L
Eisenwert(mg/L) <5 mg/L <5 mg/L <5 mg/L <5 mg/L <5 mg/L
Kupferwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L
Nickelwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L
Kobaltwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L
Chlorid 101 mg/l 135 mg/l

 

Wasserproben
Messungen SB 06 SB 07 SB 08 SB 09 SB 10
Lufttemperatur(°C) 9,0°C 9,0 °C 8,5°C 8,5°C 9,0°C
Wassertemperatur(°C) 8,2°C 8,2°C 7,9°C 7,9°C 7,4°C
pH-Wert 7,86 7,90 7,76 7,85 7,95
Sauerstoffgehalt(mg/L) 10,5 mg/L92,02% 11,1 mg/L97,28% 10,8 mg/L93,91% 10,7 mg/L93,04% 10,8 mg/L92,78%
Leitfähigkeit(mS/µS) 0,892 mS 0,891 mS 0,871 mS 0,870 µS 0,882 mS
Salzgehalt in Pcnt(%) 0,05% 0,05% 0,05% 0,05% 0,05%
Datum 31.12.2012 31.12.2012 31.12.2012 31.12.2012 31.12.2012
Uhrzeit 12.20 Uhr 13.05 Uhr 13.15 Uhr 13.25 Uhr 13.45 Uhr
Koordinaten(Nord) 51,599006 51,601877 51,607423 51,619404 51,6254653
Koordinaten(Ost) 7,937570 7,937655 7,940378 7,937049 7,953328
Wasserqualität klar Klar, flach Klarextrem viel Müll Klar, gestautviel Müll Klar, tiefer
Ort der Probe Zollbaum-brücke Mühlen-Brücke Merschbrückelinks Brücke hinterSchulte Euler Kortemühle
Borwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L
Arsenwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L
Nitratwert(mg/L) 25 mg/L 25 mg/L 20 mg/L 20 mg/L 20 mg/L
Phospatwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L
Sulfatwert(mg/L) 50 mg/L 55 mg/L 50 mg/L 50 mg/L 52 mg/L
Zinkwert (mg/L) <2 mg/L <2 mg/L <2 mg/L <2 mg/L <2 mg/L
Ammoniumwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L
Eisenwert(mg/L) <5 mg/L <5 mg/L <5 mg/L <5 mg/L <5 mg/L
Kupferwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L
Nickelwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L
Kobaltwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L 0 mg/L
Chlorid 107 mg/l 140 mg/l 119 mg/l 128 mg/l 112 mg/l

  

Wasserproben
Messungen SB 11 SB 12
Lufttemperatur(°C) 8,0°C 6,7° C
Wassertemperatur(°C) 8,5°C 7,6° C
pH-Wert 7,98 8,59
Sauerstoffgehalt(mg/L) 10,6 mg/L93,55% 9,65 mg/L83,33 %
Leitfähigkeit(mS/µS) 0,856 mS 0,8275 mS
Salzgehalt in Pcnt(%) 0,04 0,04
Datum 31.12.2012 02.01.2012
Uhrzeit 13.50 Uhr 11.10
Koordinaten(Nord) 51,632018 51,365149
Koordinaten(Ost) 7,932423 7,56269
Wasserqualität Klar, tief Klar, tief
Ort der Probe BauernhofNiermöller 600 m hinter der Merschbrücke
Borwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L
Arsenwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L
Nitratwert(mg/L) 25 mg/L 23 mg/L
Phospatwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L
Sulfatwert(mg/L) 55 mg/L 55 mg/L
Zinkwert (mg/L) <2 mg/L <2 mg/L
Ammoniumwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L
Eisenwert(mg/L) <5 mg/L <5 mg/L
Kupferwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L
Nickelwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L
Kobaltwert(mg/L) 0 mg/L 0 mg/L
Die Güteklassen: Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Gew%C3%A4sserg%C3%BCteklasse

Die fünf Gewässergütestufen des Saprobiensystems werden durch drei Zwischenstufen ergänzt, so dass eine biologische Klassifikation eines Fließgewässers in acht Stufen möglich ist:

Güteklasse I (unbelastet bis sehr gering belastet)

Reines, stets annähernd sauerstoffgesättigtes Wasser, nährstoffarm, geringer Bakteriengehalt. Laichgewässer für Salmonidae. Nur in Quellbächen und anthropogen unbeeinflussten Gebieten. Saprobienindex kleiner 1,5. Sauerstoffsättigung in der Regel 95-105 %, BSB5 ca. 1 mg/l.

Güteklasse I-II (gering belastet)

Geringe organische oder anorganische Nährstoffzufuhr, keine nennenswerte Sauerstoffzehrung. Vielfältige und dichte Besiedlung. In der Regel Oberläufe von Gebirgs- und Mittelgebirgsbächen. Saprobienindex 1,5-1,8, Sauerstoffsättigung in der Regel 85-95 %, BSB5 1,0-2,0 mg/l, Ammonium bis 0,1 mg/l.

Güteklasse II (mäßig belastet)

Mäßige Verunreinigung und noch gute Sauerstoffversorgung. Sehr große Artenvielfalt und Individuendichte: Algen, Schnecken, Kleinkrebse, Insektenlarven, insbesondere große Flächen mit Wasserpflanzen. Ertragreiche Fischgewässer. Mittel- und Unterläufe großer Flüsse und sommerwarme Flachlandbäche. Saprobienindex 1,8-2,3, Sauerstoffgehalt mehr als 6 mg/l, BSB5 2-6 mg/l, Ammonium bis 0,3 mg/l.

Güteklasse II-III (kritisch belastet)

Belastung mit organischen sauerstoffzehrenden Stoffen bewirkt kritischen Zustand. Fischsterben wegen Sauerstoffmangels möglich, Artenrückgang bei Makroorganismen, Massenentwicklungen auch von Algen. Saprobienindex 2,3-2,7, Sauerstoffsättigung zum Teil weniger als 50 %, BSB5 5-10 mg/l, Ammonium bis 1,0 mg/l.

Güteklasse III (stark verschmutzt)

Starke organische sauerstoffzehrende Verschmutzung und dadurch meist niedriger Sauerstoffgehalt. Örtlich Faulschlammablagerungen und Kolonien von fadenförmigen Abwasserbakterien. Populationen von Schwämmen, Egeln, Wimpertierchen und Wasserasseln größer als der Algen. Geringe Fischereierträge, periodisches Fischsterben. Saprobienindex 2,7-3,2, Sauerstoffgehalt zum Teil unter 2 mg/l, BSB5 7-13 mg/l, Ammonium über 0,5 mg/l; kann bis zu mehreren mg/l erreichen.

Güteklasse III-IV (sehr stark verschmutzt)

Weitgehend eingeschränkte Lebensbedingungen durch Verschmutzung und geringen Sauerstoffgehalt; verstärkt durch toxische Stoffe. Zeitweilig totaler Sauerstoffschwund. Trübung durch Abwasserschwebstoffe, Faulschlammablagerungen mit Zuckmückenlarven und Schlammröhrenwürmer. Abwasserpilz bedeckt Gewässergrund, deutlicher Abwassergeruch. Kaum Fischpopulationen. Saprobienindex 3,2-3,5, Sauerstoffgehalt unter 1 mg/l, BSB510-20 mg/l, Ammonium mehrere mg/l, oft auch toxische Stoffe.

Güteklasse IV (übermäßig verschmutzt)

Übermäßige Verschmutzung durch organische sauerstoffzehrende Abwässer, Fäulnisprozesse vorherrschend. Sauerstoff über lange Zeiten nur in sehr niedrigen Konzentrationen oder nicht vorhanden. Besiedlung nur durch Bakterien und Geißeltierchen, zeitweilige biologische Verödung. Abwasserpilz und Schwefelbakterien lassen Gewässer weiß erscheinen. Saprobienindex größer 3,5, Sauerstoffgehalt gegen 0 mg/l, BSB5 mehr als 15 mg/l, Ammonium mehrere mg/l, auch toxische Stoffe

Ein Beispiel zur Bachverunreinigung durch Brennereiabwasser: Quelle:                                                          Dr. König, J., Die Verunreinigung der Gewässer deren schädliche Folgen sowie die Reinigung von Trink- und Schmutzwasser, Erster Band, Berlin 1899, S. 211.
Art des Wassers Abwasser der Fabrik Uffelbachwasser vor Aufnahme Nach Aufnahme des Brennereiwassers
Organische Schwebstoffe mg 252,3 0 33,4
Unorganische Schwebstoffe mg 223,9 0 33,2
Org. gelöste Stoffe mg 393,4 59,5 89,5
Unorganische gelöste Stoffe mg 420,6 291,6 300,5
Zur Oxydation erforderlicher Sauerstoff in alk. Lösung mg 176,5 3,7 26,2
Zur Oxidation erforderlicher Sauerstoff in saurer Lösung mg 185,3 3,7 26,2
Stickstoff mg 36,3 3,6 9,9
Phosphorsäure mg 17,4 0 3,5
Schwefelsäure mg 58,7 42,2 44,9
Kalk mg 170,4 146,7 158,6
Kali mg 37,3 5,0 11,9
Keime von Mikrophyten in cm 1266170 2453 334560

 

Bohrkerne
  Kern 1Koordinaten:51,597682 N

7,936411 O

Kern 2Koordinaten: 51,597336°N, 7,935955 °O Kern 3Koordinaten:51,597553°N, 7,936384 °O

 

Schicht 1 : 0- 23.5 cm- grau- braun- Wurzeln

– überwiegend Sandkörner ( Quarzsand)

– einheitliche Korngröße

– Feinsand

– stark gerundet

:0 – 12 cm- Quarzsand- hell, einheitlich,  leicht gerundet

– grau braun

– wenige Muschelbruchstücke bis 2 mm

– fest

0 – 15 cm- Quarzsand- hell, einheitlich,  leicht gerundet

– grau braun, sehr fest

– wenige Muschelbruchstücke bis 2 mm im unteren Bereich

– im unteren Bereich heller und weniger fest

Schicht 2 23.5- 30 cm- hellbraun- überwiegend Quarzsand

– einheitlich Feinsand

– stark gerundet

– manche Sandkörner ockergelb

12 – 18 cm- hell grau- einzelne Schnecken bis 1,2 cm Größe

– einzelne Kohlestücke

– wenige Schnecken- und Muschelbruchstücke sowie Kalksteinbrocken          bis 3 mm

– Feinsand

– Quarzsand

– hell, einheitlich, leicht gerundet

– fest

15 – 18 cm- hell braun, weniger fest- Schnecken- und Muschelbruchstücke sowie Kalksteinbrocken bis 3 mm

– Feinsand

– Quarzsand

– hell, einheitlich, leicht gerundet

– Stück roter Lack/Emaille, Draht

– stark eisenhaltige Partikel

Schicht 3 30- 36 cm- weiße Muschelbruchstücke bis 3 mm- weiße Steine( Kalkstein) ca. 3mm Durchmesser

– rostrote Steine( stark eisenhaltig)

– schwarze, glänzende Partikelchen od. Teilchen

– Feinsand

– schwarze Teilchen( stark eisenhaltig)

– Schnecke

– Holzstücke

– Muscheln am Boden der Schicht

– überwiegend grobe Bestandteile

– grüne Partikel

– Zahn

18 – 23 cm- Holzstücke- Kohle

– Wurzeln

– locker

– dunkel grau

– wenig Muschel- und Schneckenbruchstücke

– Einheitlicher, leicht gerundeter, heller Quarzsand

18 – 24 cm- braun, fest- Wurzeln

– Feinsand aus Quarz, hell, einheitlich,  leicht gerundet

Schicht 4 36- 37,5 cm- überwiegend feiner Sand- hell braun

 

23 – 32,5 cm- fest, graubraun- wenig Muschelbruchstücke

– Einheitlicher, leicht gerundeter, heller Quarzsand

: 24 – 30 cm- hellbraun, fest- Muschelbruchstücke vor allem in feinen Schichten im unteren          Teil

– Feinsand aus Quarz, hell, einheitlich,  leicht gerundet

Schicht 5 : 37,5- 41 cm- dunkelgrau- Baumwurzeln

–  wenige Muschelbruchstücke bis zu 1cm groß.

– schwarze Partikel

– feiner Quarzsand

– einheitliche, eckige, helle Quarzkörner

– wenige Schnecken

– viele Holzstücke

32,5 – 43 cm- locker- sehr viele weiße Schnecken-, Kalkstein- und Muschelbruchstücke

– Holz

– viel Kohle

– Einheitlicher, leicht gerundeter, heller Quarzsand

– Grüne Partikel (evtl. Lack/Emaille), Kunststoff

 
Schicht 6 41-48 cm- hellgrau- Wurzeln

– stark eisenhaltige, orangefarbige Konkretionen

– Feinsand

– helle, einheitliche, leicht gerundete Quarzkörner

: 43 – 47 cm- dunkelbraun, fest- Einheitlicher, leicht gerundeter, heller Quarzsand

– einige Holzstückchen

 
Schicht 7 48-52,5 cm- viele Muscheln und Muschelbruchstüke- viele Schnecken

– Kohlestücke

– insgesamt grobkörnig und locker

– rote eisenhaltige Partikel

47 – 51,5 cm- überwiegend weiße Kalksteinstückchen, Muscheln und Schneckenbruchstücke bis 3 mm Größe- locker

– einige schwarze Körnchen (Schlacke?) und Kohle

– Einheitlicher, leicht gerundeter, heller Quarzsand

 
Schicht 8 52,5- 55,5 cm- oberstes wie 7. Schicht aber in Feinsand “eingebacken”- Baumwurzeln

– wenige Muschelbruchstücke

– Kohlestücke

– helle, einheitliche, leicht gerundete Quarzkörner

: 51,5 – 54 cm- fest- hellbraun

– Einheitlicher, leicht gerundeter, heller Quarzsand

 
Schicht 9 : 55,5- 60 cm- Feinsandig- locker

– orange

– Muscheln

– Muschelbruchstücke

– Dichtungsring

– weiße, rote Steinchen

– stark gerundete Quarzkörner

-zwei hauptsächliche Korngrößen

54 – 56 cm- locker, orange- viele ockerfarbene Partikel

– grobe leicht gerundete Quarzkörner

– Holzstücke

– weiße Kalksteinstückchen

 
Schicht 10 60- 80 cmWie 5. und 6. Schicht 56 – 68,5 cm- fest- hellbraun

– Einheitlicher, leicht gerundeter, heller Quarzsand

– Wenige Holzstücke

– orange Beläge

 

 

 

Kern 4Koordinaten: 51,597256°N, 7,935869°O Kern 5Koordinaten51,6254653 N

7,953328 O

Kern 6Koordinaten51,607423 N

7,940378 O

Schicht 1 0 – 13 cm- grau braun- fest

Nach unten  zunehmend locker

Immer mehr Bis 3mm große Kalkstein und Muschelbruchstücke

Schnecken

Einheitlicher, heller, feiner , leicht gerundeter Quarzsand

0 – 18,5 cm- Stück Kunststoff- braun, festeinheitlich, leicht gerundet, hell Quarzsand

– nach unten einzelne Schnecken

– Knopf

– Kabelteil

– eisenhaltige Partikel

0 – 32,5 cm- dunkelbraun, locker- viele Wurzeln, keine Schnecken- / Muschelbruchstücke

– Quarzkörner feinkörnig, einheitlich, leicht gerundet

Schicht 2 13 – 24 cm- hell braunFest

Kaum Muscheln

Quarzsand wie oben

 

3. Schicht: 24 – 32 cm

– wie erste Schicht

18,5 – 19 cm- hell, locker- Quarzsand wie 1

– viele eisenhaltige Partikel

32,5 – 38,5 cm- wie 1. Schicht, fest- wenige orangene eisenhaltige Klumpen bis 2 cm Durchmesser  und Kohlestückchen

– nach unten hin zunehmend tonhaltig

 

Schicht 3 24 – 32 cm- wie erste Schicht 19 – 27,5 cm- wie erste Schicht- nach unten mehr Schnecken- und Muschelbruchstücke bis 2 mm 38,5 – 53 cm- hellgrau, fest mit orangenen eisenhaltigen Klumpen- kalkhaltig, viel Ton, , also Mergel

– keine Muscheln oder Schnecken

Schicht 4 32 – 39 cm- locker- überwiegend Kalkstein stücke,. Muscheln und Schnecken(Bruchstücke) bis 5 mm

– Kohle

– schwarze und eisenhaltige Partikel

Quarzsand wie erste

27,5 – 32 cm- hell braun, locker- grobkörnig

– viele Schnecken- Muschelbruchstücke bis 2mm

Schicht 5 39 – 49 cm- wie dritte nur unterer Teil viel Holz : 32 – 34 cm- wie erste
Schicht 6 49 – 70 cm- wie fünfte- orangene Ablagerungen

– wenig Muscheln

: 34 – 36 cm- hell orange- grobe gelbe Quarzkörner, kaum gerundet
Schicht 7 : 36 – 42 cm- wie erste- viel Eisen

– nach unten Kalksteinklumpen

– Muschel und Schneckenbruchstücke bis 2mm

Schicht 8 : 42 – 49 cm- orange- grobe Klumpen mit eisenhaltigen Partkeln

– Kalksteinklumpen

.- Steine bis 1.5 cm

– Muscheln Schnecken

Schicht 9 49- 61 cm- hell grau- unterschiedlich

– mehr weniger sandig

– sonst wie erste

 

 

 

 

 

 

 

3. Neuzeit (1850-1980)

3.1 Berichte zur verschmutzten Vergangenheit

In einem Bericht aus dem Jahre 1899 hieß es bereits:

Als Beispiel  einer Bachverunreinigung durch Brennereiabwasser mag aufgeführt werden, dass der Uffelbach bei Werl, der im Durchschnitt dreimal mehr Wasser führt, als das betreffende Abwasser, durch das Abwasser einer großen Brennerei im Mittel von 5 Probeentnahmen folgende Veränderung erlitt. „11

Der Uffelbach führt in den Salzbach und dadurch kommen auch die in der Tabelle genannten Verunreinigungen in den Salzbach. ,,Stickstoff“ würde man heute wohl als Nitrat und Ammonium bezeichnen und statt „Phosphorsäure“ Phosphat sagen. Diese Substanzen und die gelösten und ungelösten Stoffe sind Nährstoff für Algen, Bakterien und Pilze. So eine Überdüngung führt dazu, dass im Bach Sauerstoff fehlt. Dieses wurde auch damals schon gemessen. Unter dem Sauerstoffmangel leiden dann Fische und andere Tiere und können in diesem Bach nicht mehr leben. Dann erfährt man aus dem Jahr 1932:

Der Salzbach war in dieser [Zeit] nicht sauber. In den Bach würden die gesamten Abwässer der Stadt Werl, mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe und einer Hefefabrik, die aus einer Brennerei entstand, eingeleitet. Er wird als polysaprob bezeichnet. ”12

  • Die Sache mit der Brennerei…da brennt es ökologisch

Die Hefefabrik Wulf13 (siehe Abbildung 4) gehörte um 1900 herum zu den führenden Industriestandorten im Werler Großraum, die ab 1909 als „F. Wulf A.G.“ geführt wurde. Die Firma hatte ihren festen Platz im Industriebild Werls bis in die siebziger Jahre des dfg20. Jahrhunderts hinein. Was ist nun so interessant an dieser Fabrik? Sie ging zunächst einmal aus einer Brennerei hervor und lag direkt am Uffelbach, einem Zufluss des Salzbaches. Schon 1899 konnte Dr. König in seiner durch Albert von Sachsen preisgekrönten Arbeit zur Verunreinigung von Gewässern aufzeigen, dass Brennereiabwässer erheblich zu Bachverunreinigungen führten, und als Beleg nahm er die Brennerei am Uffelbach, aus der dann später die vorgenannte Wulf A.G. wurde. Zunächst einmal ist aus dieser Arbeit herauszulesen, dass die Ökologie kein junges Kind der Ökonomie ist. Desweiteren sollen nun aber auch in einer Graphik die Auswirkungen des Brennereiabwassers auf die Wasserqualität pro Liter Uffelbachwasser veranschaulicht werden für die oben erwähnte Bachverunreinigung aus dem Jahre 1899 vor und nach Aufnahme des Abwassers durch den Uffelbach:

sssssEine deutliche Zunahme der Belastung des Uffelbaches zeigte sich in den Proben durch die Anzahl der Mikrophyten, die im Mittel von 2453 auf 334.560 pro ccm Uffelbachwasser anstiegen. Unabhängig von der Messgenauigkeit oder der Nichtberücksichtigung der konstanten Abwassermengenzufuhr in den Uffelbach bei den Probenahmen, veranschaulichen diese Werte eine Verschmutzung des Salzbaches über den Uffelbach als Zufluss.

Interessanterweise kamen um 1900 schon Maßnahmen zum Zuge ( z. B. Berieselung ), um die Konzentration der gelösten Stoffe im eigentlich gehaltreichen Abwasser ( denkbar als Futterbeigabe für Tiere ) zu verringern…ökologische Gesichtspunkte in der Wilhelminischen Ära.14

zioDie regelmäßige Verschmutzung des Salzbaches war bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts zu beobachten…und das Brennereiwasser war dabei nicht allein ursächlich. Zahlreiche Zeitungsartikel verdeutlichten die Belastung des Baches auch in der Regionalpresse, wobei stellvertretend ein Artikel aus der Westfalenpost vom 18. April 1981 auch die offenbar jahrzehntelange Hauptquelle der Verunreinigung in der fehlenden Anschlusskanalisation sah. Die Sache mit dem Schaum gehört allerdings nicht der Vergangenheit an. Der gleiche Landwirt, der in der vorangegangenen Westfalenpost zur Sprache gekommen war, wusste in einem Interview kurz vor Einsendeschluss zum Bundesumweltwettbewerb von kleinen Schaumkronen regelmäßig freitags auf Höhe von Hofflerke im Uffelbach zu berichten. 000000000[Anmerkung: Der in der Westfalenpost genannte Werner Lückmann heißt Wilhelm Lückmann. Es handelte sich im Zeitungsartikel um einen Druckfehler.] Ich konnte noch nicht ermitteln, ob die Schaumkronen in Verbindung mit der untenstehenden Aussage von Landwirt Vickermann stehen oder trotz zunehmender Anschlusskanalisation seit Mitte der achtziger Jahre aufgewirbelte Tenside o. ä. für fortgesetzte Verschmutzungen verantwortlich sind…damit hätte dann der Westfalenpostartikel seine Aktualität nicht verloren.

Nach dem Saprobiensystem wird die Belastung eines Fließgewässers nach den biologisch abbaubaren Stoffen bezeichnet. Polysaprob entspricht der Gewässergüte IV, übermäßig verschmutzt. Der Sauerstoffgehalt liegt häufig bei null, Fäulnisprozesse treten auf. Polysaprobe Gewässer sind oft verödet. Laut Aussagen von mehreren Scheidinger Bürgern war auf dem Salzbach ab 1956 häufig ein  1 m – 1,20 m hoher Schaum, der weiß aussah, von fester Konsistenz war und bei Sonnenschein bläulich leuchtete. Außerdem roch es oft nach faulen Eiern.

Freitags nach 18.00 Uhr und Samstag vormittags kam regelmäßig eine braun–schwarze Brühe, der Bach wuchs um 30 cm – 40 cm an. Es dauerte ½ bis 1 Tag bis die Brühe abgeflossen war, am Ufer setzte sie sich fest und blieb das ganze Jahr erhalten. In der Mühle in Scheidingen hatte man zu dieser Zeit sehr viele tote Fische und Schnecken im Rechen, Großmuscheln wurden dabei nie gesehen. Nach kurzer Zeit waren im Salzbach keine Fische, weder Schnecken noch Kröten gesehen.

Bernd Vickermann, ein ortsansässiger Landwirt am Salzbachufer, gab diese Aussage klar und unmissverständlich. Außerdem befand sich zwischen 1920 und 2006 am Uffelbach ein Gelände, auf dem metallverarbeitende Betriebe, im 2. Weltkrieg Rüstungsproduktion und später Panzerwerkstätten angesiedelt waren. Dieses Gebiet war mit Schwermetallen und anderen Giften verseucht, es hat auch das Grundwasser vergiftet und sicherlich auch den Salzbach belastet.15

3.2 Bohrkerne

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Bisher hatte ich nur aus Büchern, Internet oder von Zeitzeugen Informationen über die Wasserqualität erhalten. Um Beweise aus der Vergangenheit zu bekommen, entschied ich mich – wie bei Bohrkernen in der Antarktis – in einem Altarm des Salzbachs in Scheidingen vier Rohre in den Boden zu schlagen, sie wieder herauszuziehen und den Inhalt zu untersuchen. Dieser Altarm hat seit der Bachbegradigung im Jahr 1984 kein Wasser mehr. Deshalb müssen die Sedimente dort mehr als 30 Jahre alt sein und können mir Informationen aus früheren Zeiten geben. Es gibt auch noch einen Altarm bei Kortemühle, dort habe ich auch einen Bohrkern gezogen und zusätzlich noch einen Bohrkern in der Mersch am Ufer des Salzbaches. Alle vier Bohrkerne aus dem Altarm enthalten überwiegend festen, feinen, graubraunen Sandboden. Unter dem Mikroskop erkennt man, dass er aus hellen, einheitlichen, leicht gerundeten Quarzkörnern besteht. Man erkennt unterschiedliche Schichten, die zum Teil viele Muscheln und Schnecken und ihre Bruchstücke enthalten.

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Bild9     Bild10

Außerdem enthalten diese Schichten schwarze Partikel, die beim Verbrennen nach Kunststoff riechen, und Splitter von Lack oder Emaille. Das sind eindeutig künstliche Verschmutzungen.

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Man findet auch viele weiße Kalksteinbröckchen mit einem Durchmesser bis zu einem halben Zentimeter, die man daran erkennen kann, dass sie in Salzsäure sprudeln.  Es gibt viele  Kohlestückchen und eisenhaltige Klümpchen, die man mit einem Test auf „Berliner Blau“ nachweisen kann. Solche Teilchen können natürlichen Ursprungs sein, aber weil sie in den heutigen Bachsedimenten nicht mehr auftauchen, gehe ich davon aus, dass es Industrieabfälle sind.

Die Ergebnisse der Bohrkerne aus der Mersch und aus dem Altarm bei Kortemühle brachten die gleichen Ergebnisse. Aus den alten Berichten erfährt man, dass der Salzbach mindestens 80 Jahre lang stark belastet war. In manchen Zeiten war er bestimmt ökologisch tot, weil er überdüngt wurde und viele verschiedene Gifte in ihn hinein gelangten. Mehrere Schichten mit Muscheln und Schnecken zeigen aber, dass der Bach nicht die ganze Zeit in so schlechtem Zustand gewesen sein kann, denn diese Tiere brauchen sauberes Wasser. Sie haben sich wahrscheinlich in guten Zeiten vermehrt und sind dann massenweise gestorben, als die Wasserqualität schlechter wurde. Wenn sich der Bach erholt hatte, konnten wieder Muscheln und Schnecken einwandern und sich vermehren, bis das Wasser wieder schlechter wurde u.s.w. So lassen sich die Schichten erklären, in denen viele gleichgroße Muschel- und Schneckenschalen zu finden sind.

3.3 Die Salzwasserquelle

Als ich im Internet und in Büchern nach einer frühen Beschreibung des Salzbaches suchte, fand ich eine interessante Information:Salzbach 364

Dann ist da noch der Salzbach zu erwähnen. Das Wasser desselben ist zwar gegenwärtig nicht reicher an Kochsalz als alle übrigen Gewässer jenes Landstriches. In der Gemeinde Scheidingen (nordöstlich von Werl) ist auf der Wiese „am Werler Baum“ eine Stelle, an welcher, wie mir von gut unterrichteter Stelle erzählt wurde, in jedem Frühjahr Salzwasser entspringen soll, welches einen stark ockrigen Absatz bilde und den Graswuchs verderbe. Im Herbste zeigten sich die dortigen Gewässer nicht salzhaltig. Diesen ockrigen Absatz durch Niederschlag von Eisenoxydhydrat beim Entweichen der Kohlensäure, die das Eisen in dem Wasser gelöst hielt, bilden die Quellen in Werl ganz allgemein. „16

Beim Durchlaufen des Salzbaches hatte ich eine ähnliche Stelle gesehen. Nun wollte ich sie weiter untersuchen. Die Stelle befindet sich 8.50 m neben dem alten Salzbachlauf. Der ockerige Absatz ist ca. 1.70 m hoch und ca. 2.50 m breit zu erkennen, es zieht sich von der Sole des Salzbaches bis direkt 15 cm oben am Ufer unter die Grasnarbe. Eine Wiese war damals laut Beschreibungen auch dort. Bei genauerem Hinsehen im Bachbett konnte ich sehen, wie Wasser unter gelblichen und rostigen Steinen aus dem Boden drückte. Die Quelle existiert immer noch, nur liegt sie heute mitten im Salzbach, da der Bach vor Jahren begradigt wurde. Ob es die genau die oben genannte Stelle ist, kann ich mit Gewissheit nicht behaupten, aber die Fakten sprechen schon dafür.

Bilder zur Salzbachquelle

Bild33

     Bild36                      Bild35Bild34

Jeder, ob beteiligt oder nicht, hat immer seinen Vorteil von einer Umwelt, die einen Ausgleich mit den Menschen vor Ort finden kann oder zumindest einen Blick dafür öffnen sollte. Wer soll denn auch mit Muscheln, Fischen oder ganz geringen Schadstoffen im Wasser ein Problem haben? Die Maßnahmen zur Schaffung (mögliche Ausschreibung von Naturschutzgebieten am Salzbach) und zum Erhalt ( vereinzelte Steinschüttungen für die Muscheln oder Zuflusskontrollen der Nebenflüsse) einer vernünftigen Salzbachökologie können von allen Beteiligten konstruktiv formuliert und umgesetzt werden.  Wenn ich mit meinem Projekt auf diesem Gebiet eine Anregung leisten konnte, dann will ich zufrieden sein.17

                                                                       Fortsetzung folgt…

2. Zustandsbeschreibung 2012

2.1 Öffentlicher Tenor, Ufer und Gewässersohle

Die Bezirksregierung Arnsberg stuft aktuell den Salzbach in die Gewässergüte II – III ein . Er gilt damit als kritisch belastet.8

Die Ufer des Salzbachs sind über weite Strecken mit Steinen befestigt. Nur zwischen der Kortemühle und der Mündung in die Ahse bestehen die Ufer aus steilen Lehmwänden. Das Ufer ist mit Bäumen, Sträuchern und Gras bewachsen. Die Sohle des Baches ist nahe der Quelle des Salzbaches und der Mündung in die Ahse zwischen ca. 0,5 m und 5m breit. Je nach Gefälle des Baches ist sie mit Kies, Sand oder Schlamm bedeckt. Die Wassertiefe von der Quelle bis zur Mündung in die Ahse  variiert bei normalem Wasserstand zwischen 20 cm und 2 m.

2.2 Muscheln…Beschreibung, Bezeichnungen und Fundorte

Nachdem ich eine tote Muschel am Ufer des Salzbaches gefunden hatte, ging es los, den Bach nach Muscheln abzusuchen, ich fing am Altarm in Scheidingen an und ging in Richtung Quelle. Auf den ersten 100 m reichten Gummistiefel, doch dann musste eine Anglerhose her, die Muscheln lassen sich fast nur erkennen, wenn man im Bach direkt über ihnen steht, weil sie meistens halb im Untergrund eingegraben sind. In dieser Stellung filtern sie Nahrung aus dem Wasser. Ich fand immer mehr tote Muscheln und Muschelschalen, doch nach 250 m entdeckte ich die erste lebende Bachmuschel von ca. 6 cm Größe. Je näher ich der Mündung des Mühlenbaches kam, desto mehr lebende und tote Muscheln fand ich. Die größte Muschelschale war 14 cm groß. Ich hatte mittlerweile 5 Stellen mit ein oder mehreren Muscheln gefunden, als ich die Mühlenbachmündung erreichte. Weiter Richtung Werl, bis zur Quelle, blieb die Suche erfolglos. Für mich war klar, die Muscheln kommen aus dem Mühlenbach, aus Neugier suchte ich den Mühlenbach ebenfalls ab, auch dort waren viele Muscheln zu finden. Als der Uffelbach in den Mühlenbach mündete, gab es keine weiteren Funde mehr, also durchstreifte ich noch den Uffelbach und fand eine Muschelbank mit ca. 10 großen lebenden Muscheln in der Größe von 6 cm – 17 cm. Es handelte sich um Teich – und Malermuscheln. Nun ging es von der Kläranlage in Scheidingen Richtung Altarm, ich fand auf einer Länge von 700 m viele Schalen und vier lebende Bachmuscheln, darunter eine junge Muschel, die nur ca. 2 cm groß war. Von der Mersch bis zur Kläranlage konnte ich nur mehrere tote Muscheln finden, teilweise war der Bach für mich zu tief, ich konnte ihn nicht genau absuchen. Vor Kortemühle gab es noch einen Lebendfund, bis zu Ahse habe ich dann keine weiteren Großmuscheln gefunden. Der Bach war zum größten Teil nicht mehr begehbar, da er über 2 m tief war, ich konnte nicht einmal zum Ufer hinunter klettern, da die Uferböschung steil ( 2 m – 2.50 m) abfiel. Insgesamt habe ich 8 weit auseinander liegende Stellen mit Bachmuscheln gefunden und mehrere Stellen mit Teich, Maler – und Flussmuscheln. Zusätzlich noch 2 Stellen mit Bachmuscheln und viele Stellen mit anderen Muscheln im Mühlenbach. Anhand von Bildern im Internet konnte ich die Muscheln nicht eindeutig zuordnen, also rief ich Frau Dr. Förster im Landesinstitut für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW an. Sie war sehr interessiert an meinen Funden und identifizierte die Muscheln. Mitarbeiter des Landesinstitutes waren überrascht, da der Salzbach der am längsten und am meisten verschmutzte Bach im Bezirk war. Außer den Muscheln und Schnecken entdeckte ich noch viele Fische und auch Bisamratten.

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Teich- und Malermuscheln

 

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Tote Teichmuschel 14 cm
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Teich- und Bachmuschel
Bild14
Teichmuschel

 

Lateinischer Name Deutscher Name Gewässergüte Rote Liste NRW
Unio pictorum Malermuschel II Gefährdet
Anodonta cygnea Große Teichmuschel / Schwanenmuschel II Stark gefährdet
Unio crassus Bachmuschel I -II Vom Aussterben bedroht
Anodonta anatina Gemeine Teichmuschel II Vorwarnliste
Unio tumidus Große Flussmuschel I – II Gefährdet
Pisidium pulchellum Erbsenmuschel II Keine Angaben
Sphaerium rivicola Fluss- Kugelmuschel II Gefährdet

 

GPS-Daten
Muschelarten Salzbach Nord Ost
Teichmuscheln / Malermuschel 51,603781 7,936767
Bachmuschel / Teichmuschel 51,603623 7,937020
Teichmuschel 51,603360 7,937057
Teichmuschel / Flussmuschel 51,603194 7,937080
Teichmuschel / Malermuschel 51,603119 7,937271
Bachmuschel / Teichmuscheln 51,596379 7,935649
Bachmuschel 51,594945 7,935836
Bachmuschel / Teichmuschel 51,591432 7,938591
Bachmuschel / Teichmuschel 51,591373 7,928445
Bachmuschel 51,595653 7,935753
Bachmuschel Teichmuschel 51,595670 7,936262

2.3 Sediment-und Wasserproben

Bild18Sedimente sind Ablagerungen im Boden. In diesen Ablagerungen wollte ich nachsehen, welche Muscheln und Schnecken im Salzbach vorhanden sind. Ich wählte drei Stellen aus, vorm alten Lauf in Scheidingen, vor der Kläranlage in Scheidingen und bei der Kortemühle. Ich entnahm jeweils zwei Kilogramm Proben vom Boden des Baches. Die Proben bestanden aus Erde , Sand und Kies. Ich trocknete die Masse und untersuchte sie auf Muscheln, Schnecken und was ich sonst noch finden konnte.

4Kugelmuschel           1,2cm 11Tellerschnecke           0,3cm
8  Bachflohkrebs        0,6cm 1Kugelmuschel         0,8cm
Bild19Strudelwurm              1,4cm eeKugelmuschel            0,5cm
Muscheln und Schnecken in den Proben
Lateinischer Name Deutscher Name Gewässergüte-klasse Rote Liste NRW
Ancylus fluviatilis Flussnapfschnecke II Keine Gefährdung
Planorbarius corneus Posthornschnecke II Keine Angaben
Planorbidae Tellerschnecke II Keine Gefährdung
Anisus vorticulus Zierliche Tellerschnecke II – III Vom Aussterben bedroht
Gammarus fossarum Bachflohkrebs II Keine Gefährdung

Dann untersuchte ich auf die gleiche Art einen Bohrkern.  Beim Vergleich stellte  ich fest, alle Kleinmuscheln-  und Schneckenarten waren auch im Bohrkern enthalten.

Bild21Ich habe 12 Wasserproben entnommen und die Daten ausgewertet. Die Tabelle ist im Anhang zu finden. Zunächst aber noch einige Erläuterungen zur Klarheit:

PH Wert

Mit dem pHWert wird der Säuregehalt von Flüssigkeiten angegeben. Er ist der wichtigste Wert um die Qualität des Wassers zu bestimmen.

Sauerstoffgehalt

Die meisten Lebewesen im Wasser benötigen Sauerstoff, der Sauerstoffgehalt ist temperaturabhängig. Durch die  prozentuale Sauerstoffsättigung des Wassers kann die Güteklasse bestimmt werden. Man nimmt eine Probe, misst die Werte, stellt dann das Wasser in einer geschlossenen Flasche im Dunkeln bei 20 Grad fünf Tage lang hin. Nun misst man erneut. Durch den mg/l Wert kann nun die Güteklasse bestimmt werden.

 Leitfähigkeit

Mit der Leitfähigkeit kann die Menge des Salzgehaltes bestimmt werden.

Nitrat

Nitrat  ist eine wertvolle Sauerstoffquelle im Wasser. Bei zu viel Nitrat im Wasser droht Fischsterben und Algenwachstum.

Phosphat

Phosphate sind die Hauptnährstoffe der Algen. Der Grenzwert für Phosphat liegt bei 0,03 mg/l.

Ein geringer Anstieg kann schon übermäßiges Algenwachstum mit sich bringen.

Ammonium

Ammonium kann durch Düngemittel und auch durch Oberflächenwasser in das Gewässer kommen.

Chlorid

In der Werler Region gibt es durch geologische Tatsachen (s.o.) erhöhte Chlorid-Gehalte in Quellen und Bächen. Über Streusalz oder Industrieabwässer kann zusätzlich Chlorid in das Wasser kommen, bei hoher Chlorid-Belastung können nur noch Salzwasserarten leben. Das Wasser des Salzbaches ist bei normalem Wasserstand fast überall klar. Nur in der Mersch hinter Scheidingen ist es trüb. Dort ist auch die einzige Stelle, wo viel Müll (Blumentöpfe, Papier, Flaschen, Autostoßstangen…) zu finden ist. Das Wasser hat überall einen leichten Geruch. Die Messwerte, die ich mit chemischen Schnelltests und dem Kombi-Messgerät PCE-PHD 1 ermittelt habe, sind in der Tabelle im Anhang aufgelistet. Die Konzentrationen der Schwermetalle Eisen, Kupfer, Nickel, Kobalt und Zink sowie auch von Arsen lagen unterhalb der Nachweisgrenze, also weniger als 5 mg/l.

Der pH-Wert liegt zwischen 7,6 und 8,6, damit entspricht es den Werten der Trinkwasserverordnung. Das gleiche gilt für die im Winter gemessene Wassertemperatur zwischen 7,4°C und 10°C. Die Chlorid Werte lagen zwischen 54,5 mg/l und 140 mg/l, dieses sind normale Werte. Der Salzgehalt im Süßwasser ist unter 1%, der Gehalt im Salzbach beträgt 0,05 %. Die Sauerstoffsättigung des Wassers liegt zwischen 83,33 % und 97,28 %, nur an der Quelle habe ich 67,41 %  gemessen. Um Gewässergüteklasse I – II zu erreichen, benötigt man 85 % – 95 %, diese Werte waren bei 7 Proben vorhanden.9 Erstaunlich war, dass bei 3 Proben die Gewässergüte I erreicht wurde, Voraussetzung dafür ist eine  95  bis 105 prozentige Sauerstoffsättigung. Nur hinter der Merschbrücke war das Wasser nicht sauber, es roch nicht gut, sah trüb aus, viel Müll schwamm herum und es zeigte bei den Messungen die schlechtesten Werte von Gewässergüteklasse II. Nach fünf Tagen habe ich erneut den Sauerstoffgehalt und Ammoniumwert gemessen, dabei habe ich festgestellt, dass die BSB5 Werte an fünf Stellen des Salzbaches für die Güteklasse I sprechen und an sieben Stellen für die Güteklasse I – II.10

Ammo-nium Sauer-stoff mg/l Sauerstoff  nach 5 Tagen mg/l BSB mg/l Güteklasse
SB 01 0 7,3 6,32 0,98 I
SB 02 0 10,7 8,77 1,93 I – II
SB 03 0 10,2 8,96 1,24 I – II
SB 04 0 10,6 9,62 0,98 I
SB 05 0 11,2 9,39 1,81 I – II
SB 06 0 10,5 9,67 0,83 I
SB 07 0 11,1 9,74 1,36 I – II
SB 08 0 10,8 9,44 1,36 I – II
SB 09 0 10,7 10,25 0,45 I
SB 10 0 10,8 9,56 1,24 I – II
SB 11 0 10,6 10,15 0,45 I
SB 12 0 9,65 8,35 1,30 I – II

 

Trink-wasser-verordnung Arsen Nickel Nitrat Sulfat PH – Wert Phosphat Amonnium Chlorid
Trink-wasser 0.01 mg/l 0.02 mg/l 50 mg/l 240 mg/l 6,5 – 9,5 6,95 mg/l 0,5 mg/l 250 mg/l
SalzbachHöchster Wert 0mg / l 0mg/l 40 mg/l 90 mg/l 8,3 0mg/l 0,5mg/l 0mg/l

Das Bohrloch, welches heute noch eine Saline versorgt, ist 13 m tief. Der Werler Salinenverein ermöglichte es mir, eine Wasserprobe aus dem Bohrloch zu nehmen. Ich wollte feststellen, wie viel Chlorid das Wasser der Quelle heute noch enthält. Die Werte liegen aktuell bei 1,5 % Natriumchlorid (26.02.13). Dies ist relativ niedrig und hat damit zu tun, dass durch die hohen Niederschläge im vergangenen Dezember/Januar/Februar wie oben erwähnt Verdünnungseffekte resultieren. Frühere Messungen zeigten Gehaltsschwankungen zwischen eben 1,5 bis 6 %. Über Photometrie mit Küvettentests der Firma Hach-Lange Düsseldorf/Berlin ergab sich für die 1/10 verdünnte Sole ein Gehalt von 917 mg/L. Also ist der Chlorid-Gehalt 9170 mg/L. Über die molaren Massen von Chlorid und Natriumchlorid kommt man zum Kochsalzgehalt:

9170 mg/L x 58,5 g/mol   = 15111 mg/L NaCl          entspricht 1,5 %

35,5 g/mol

01 02
1:10 Verdünnung 1:10 Verdünnung

Fortsetzung folgt…

1. Der Salzbach

 1.1 Kurzporträt zum Salzbach

Die Quelle des Salzbaches liegt im Kurpark in Werl ungefähr 90 m über NN, von hier führt sein Weg am Stadtrand durch das Industriegebiet „Auf dem Kreiter“ und dann durch Wiesen und Felder, wo er die Grenze zum Dorf Sönnern bildet und der Sönnerbach zufließt. Nun geht es an der Mülldeponie und an der Werler Kläranlage vorbei durch ein Naturschutzgebiet und nach der Mündung des Mühlenbachs in Flerke in Richtung Scheidingen, wo sich wieder eine Kläranlage am Salzbach befindet. Der Bach fließt danach an Welver vorbei, hat den Bewerbach als Zufluss und mündet in der Gemeinde Dinker bei ca. 65 m über NN nach ca. 13 km Fließstrecke in die Ahse, einen Zufluss der Lippe. Der Salzbach wurde in den Jahren 1982 – 1984 ausgebaut, die Ufer wurden teilweise mit Steinen befestigt, er wurde begradigt und ca 1,20 m tiefer gelegt. Dadurch wollte man Hochwasser vermeiden. Der Feldbach, der Mühlenbach, der Hundsbach, der Landwehrbach, der Sönnernbach, die Lorva, die Reeke, die Rossbierke und der Bewerbach bilden die Zuflüsse zum Salzbach.

Karte Salzbachverlauf (umrandet) Der Salzbach in seinem Bett
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 In Werl fängt die Geschichte des Salzbaches an. Hier kam es an einer wasserundurchlässigen, geologischen Bruchspalte zum Austritt salzhaltiger Quellen, die sich im Salzbach sammelten und wahrscheinlich schon ab der Steinzeit zur Salzgewinnung genutzt wurden. Die Abbildung 2 veranschaulicht das Grundwasserfließmodell. Im Jahr 695 n. Chr. eroberten die sächsischen Teilstämme Westfalen und Engern die Brukterergau und teilten das Land unter sich auf. Der Westen kam zu Westfalen und die Osthälfte zu Engern. Als Grenze bestimmte man den Verlauf des Salzbaches (siehe Abbildung 1).1 fff1588 breitete sich jenseits des Salzbaches unter dem Einfluss der Stadt Soest die Lehre Luthers aus, das war ein weiterer Grund, den Salzbach neben der politischen auch zur konfessionellen Grenze werden zu lassen. Im Kurpark hat der Salzbach später ein Rad angetrieben, welches Pumpen in Bewegung setzte, um die Sole in das Gradierhaus zu bringen. Bei trockenem Wetter hatte der Salzbach zu wenig Wasser, dann mussten Menschen die Pumpen bedienen.2

In der Abbildung wird anschaulich das Flair jener Tage mit Solbad und Gradierwerke noch einmal verdeutlicht.3

hztFür die Brunnen in Werl galt folgendes:

,, 7 10/15 bei voller Solen – Menge, nimmt jedoch wenn im Sommer die Sole in quanto mangelt bis 6 ¼ ab. 8 ½ bei voller Solen – Menge bei Abnahme derselben, 6 7/15.“ 4

Diese Zahlen zeigen die Prozentzahlen des Salzgehaltes in der Sole. Folgte man nun weiter dem Lauf des Baches, kam man zu den drei Wasserburgen in Scheidingen: Haus Scheidingen, Wasserhausen und Gut Aul mit dem großen Schloss. Die Gräften von allen Gütern wurden vom Salzbach gespeist.5 Im Siebenjährigen Krieg 1761 fand eine entscheidende Schlacht zwischen den Franzosen und den Preußen an der Salzbachbrücke in Scheidingen statt. Aufgrund des schnellen Rückzuges der Franzosen war es für sie nicht möglich, ihre Toten zu beerdigen. Es wurde ein Massengrab direkt am Salzbach ausgehoben, noch heute heißt dieses Flurstück ,,Totenkamp“.6 Bild30Später wurde dort eine Mühle erbaut, dafür erhielt eine Familie die Wasserrechte am Salzbach. Ein Stück weiter finden wir in Dorfwelver die Kortemühle. Sie wird erstmals 1252 erwähnt, es war eine Getreide- und Sägemühle. Über die Qualität in dieser Zeit kann ich nur eine Aussage über Fischereirechte und über einen Waschplatz am Salzbach finden.7

Danach muss der Salzbach fischreich und so sauber gewesen sein, dass die Menschen ihre Wäsche darin waschen wollten, außerdem lebten damals in Werl nur 2000 Menschen. Diese wenigen Menschen mit einfacher, bäuerlicher Lebensweise haben sehr wahrscheinlich den Bach damals viel weniger verschmutzt als später während der Industrialisierung. Außerdem steht in der Beschreibung, dass die Umgebung des Salzbachs sehr natürlich war und dass er schnell bei Hochwasser über die Ufer trat. Durch die Erweiterung des Steinkohlebergbaus nach Osten wurden immer mehr salinäre Grubenwasser abgeleitet und es versiegte eine Salzquelle nach der anderen.8 Es kann aber auch sein, dass salzhaltiges Wasser und vermehrt Grundwasser aufeinander stießen, mehr Grundwasser das Wasser der Quelle verdünnte und somit der Salzgehalt der Quellen gesunken ist. Zusammen mit den Problemen des 1. Weltkrieges sowie dem wirtschaftlichen Niedergang danach lohnte das Salzsieden nicht mehr und die alte Werler Salz-Gewinnung wurde eingestellt.

                                                                                                Fortsetzung folgt…

Der schadstoffbelastete Salzbach… Vergangenheit oder Gegenwart?

Samantha Seithe

Betreuer : Heinz Kiko

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1. Einführung

Einführung

Bei einem Spaziergang am Salzbach hatte ich am Ufer eine ca. 7 cm große Muschel gefunden. Freunde und Familienangehörige waren verwundert. Der Salzbach durfte jahrzehntelang nicht nur mit einem verschmutzten Ruf leben, sondern war mit der Gewässergüteklasse II – III offiziell als kritisch belastet eingestuft. Handelte es sich nur um einen Zufallsfund oder steckte doch mehr dahinter? Hatte der Bach mit seiner verschmutzten Vergangenheit abgeschlossen?ggggggggggggg

Um Informationen zum heutigen Zustand des Salzbaches zu erhalten, musste ich den Bach nach weiteren Muscheln absuchen und Sedimentproben entnehmen zur mikroskopischen Untersuchung. Bohrkerne wurden gezogen und schichtenweise betrachtet, damit ein Einblick in vergangene Epochen möglich wurde. Wasserproben wurden an verschiedenen Stellen des Bachlaufes von der Quelle bis zur Mündung genommen für die biologische und chemische Untersuchung, um eine Aussage über die Gewässergüte zu erhalten. Die schriftlichen Quellen und die Zeitzeugenbefragung lieferten weitere Ansätze, um Zustände und mögliche Veränderungen in Lebensraum und Gewässergüte des Salzbaches aufzuzeigen.

Die blau markierten Passagen und Unterpunkte in der Salzbacharbeit liefern ergänzende Informationen für den Bundesumweltwettbewerb 2014. Das Salzbachprojekt wurde ursprünglich für den Wettbewerb „Jugend forscht 2013“ erstellt als regionaler Beitrag für die sich wandelnde Fauna und Flora in der direkten Nachbarschaft. Im ersten Ergänzungsteil will ich dabei noch einmal mit der Zuflussproblematik am Beispiel des Uffelbaches über Brennereiabwasser auf die zum Teil jahrzehntelange Verschmutzung des Salzbaches im 20. Jahrhundert hinweisen. Das zweite Ergänzungskapitel ist allerdings gegenwarts- und zukunftsbezogen. Es wirft einen Blick auf die „Auswirkungen“ des Projektes in der Öffentlichkeit.

                                                                                     Fortsetzung folgt…