Chronologie der Scheidinger Schulgeschichte

Chronologie

der

Scheidinger Schulgeschichte

1648 – 1968

 

Abb. 1: Alte Schule in Scheidingen

Teil 3: 

1925 – 1945

Im Jahr 1925 wurde endgültig eine kulturelle und verwaltungstechnische Symbiose in Scheidingen zum Schlussakkord angesetzt. Die Trennung der Küster- und Schulstelle wurde von Amts wegen eingeleitet. Das ging naturgemäß nicht reibungslos, da die Gemeinde Illingen offenbar noch aus dem Dotationsvermögen der zu trennenden Stelle Ansprüche erhob, die aber logisch schlüssig abgewiesen wurden im September 1925 von der zuständigen Abteilung in Arnsberg. Die dortige Argumentation gegen die Sicht der Illinger Gemeinde kann aus der betreffenden Stellungsnahme vom 17. September 1925 herausgelesen werden:

Regierung, Abteilung für Kirchen und Schulwesen, II 8 Nr. 1034

Kasten 216

Auf das dortige Schreiben vom 21. Mai 1925 betreffend Trennung des vereinigten Schul,- und Kirchenamtes erwidern wir ergebenst. Wir haben keinen Anlass gefunden, die Gemeindevertretung von Scheidingen in der Trennungsangelegenheit nicht als selbstständig vertretungsberechtigt anzusehen. 

Der angeführte Abs. 1 des § 47 des V.U.G. sagt, dass der Schulverband in Landgemeinden, welche einen eigenen Schulverband bilden, für die Verwaltung der Angelegenheiten der Volksschule ausschliesslich der im § 46 Abs. 1 bezeichneten einzusetzen ist. Absatz 1 § 46 bestimmt, dass die vermögensrechtliche Vertretung nach aussen durch die verfassungsmässigen Organe der Gemeinde d.i. Gemeindevertretung zu erfolgen hat.

Scheidingen und Illingen bilden je einen selbstständigen Schulverband. Die combinierte Lehrstelle, um die es sich handelt, gehört dem Schulverband Scheidingen, nicht Illingen an. Dementsprechend ist die Gemeindevertretung Scheidingen über das Dotationsvermögen in der trennungsfrage verfügungsberechtigt. Zwischen den Schulverbänden Scheidingen und Illingen hat s. Zt. Eine Auseinandersetzung stattgefunden, bei der Illingen abgefunden wurde, und bei der das Dotationsvermögen der vereinigten Stelle verblieb, die wie gesagt nach der Abtretung, was den Zusammenhang mit der Schulstelle angeht, lediglich mehr dem Schulverband Scheidingen angehört. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die politische Gemeinde Illingen noch Ansprüche auf das Dotationsvermögen der vereinigten Stelle im Schulverband Scheidingen haben soll.

Es trifft zwar zu, dass das Pfarrgebäude und das Küstereigebäude gemeinschaftliches Eigentum der Politischen Gemeinde Scheidingen und Illingen sind, doch sind diese Gebäude nicht dem Dotationsvermögen der in Frage stehenden vereinigten Stelle zuzurechnen.

(siehe auch § 6 Ziffer 3 des alten Lehrerbesoldungsgesetzes)

Wohl erstreckt sich die Kirchengemeinde über den Bereich desjenigen Schulverbandes hinaus, dessen Schulamt mit ihr verbunden ist. Die daraus für die Einwohner von Illingen entsprechenden Rechte und Pflichten bleiben durch die vorstehenden Ausführungen unberührt. Insoweit werden die Rechte der Illinger Einwohner durch ihre Vertretung im Kirchenvorstande gewahrt.

Wir können deshalb die Ungültigkeit des beanstandeten Beschlusses der Gemeindevertretung von Scheidingen nicht anerkennen.

Falls Seitens der Kirchengemeinde sonst keine Bedenken in der Sache selbst vorliegen, kann das Trennungsverfahren seinen Fortgang nehmen.

Der Bedeutung dieses Ereignisses Rechnung getragen, hier ein Auszug aus dem Protokoll des Kirchenvorstandes von Scheidingen hinsichtlich der Verhandlung der Trennung des Dotationsvermögens vom 14. Februar 1926:

Der Kirchenvorstand besteht aus dem Pfarrer als Vorsitzender und zehn gewählten Mitgliedern. Gegenwärtig waren unter dem Vorsitze des Pfarrers Ortner

  1. A. Ammermann stellvert. Vorsitzender
  2. J. Bettermann
  3. J. Stratmann
  4. F. Lutter
  5. C. Sauer
  6. Heinrich Vickermann.

Die Gemeindevertretung von Scheingen als Vertreterin der Schulgemeinde besteht aus dem Gemeindevorsteher und sechs gewählten Mitgliedern.

Es waren anwesend

  1. B. Hagemann stellvert. Vorsitzender
  2. J. Schulte – Bisping
  3. Wilhelm Schulte Euler
  4. Paul Sürig

Die Gemeindevertretung von Illingen als Vertreter der Schulgemeinde  die mit der Gemeindevertretung von Scheidingen das Kirchenspiel Scheidingen / Illingen vertritt, besteht aus dem Gemeindevorsteher und sechs gewählten Mitgliedern.

Es waren anwesend unter dem Vorsitz des Gemeindevorstehers Fr. Foschepoth

  1. Theodor Wilm
  2. Heinrich Deitel
  3. Theodor Notz
  4. Franz Hagedorn

In der heutigen gemeinsamen Sitzung des Kirchenvorstandes des katholischen Schulverbandes von Scheidingen vertreten durch die Gemeindevertretung von Scheidingen / Illingen wozu die Mitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung vorschriftsmäßig eingeladen und in beschlußfähiger Anzahl erschienen waren, wurde über die Trennung des Vermögens der kombinierten Küster und Lehrerstelle vorbehaltlich der Genehmigung der kirchlichen und staatlichen Aufsichtsbehörden folgendes verhandelt und beschlossen.

1.) Der Beschluß der Gemeindevertretung Scheidingen vom 14. März 1924 wonach 2/3 der Ländereien der Küsterei und 1/3 der katholischen Schulgemeinde zufallen sollen, unter der Bedingung dass, das an dem Schulplatz grenzende, der Küsterei gehörende Gärtchen Flur 3, Nr. 698/298, 3 ar 17 qm groß der Schulgemeinde zu erkannt werde, wird als undurchführbar zurückgenommen.

2.) Das unter No. 1 genannte Gärtchen, dass nach dem Grundbuch Eigentum der Küsterei ist, verbleibt bei der Küsterei, weil es zu dieser gehört, nicht an den Schulplatz, sondern an die Küsterei gehörende Düngestätte grenzt und beim eventuellen Neubau des Küstereigebäudes nicht entbehrt werden kann.

3.) Die katholische Schulgemeinde Scheidingen zerfällt zu alleinigen Besitze:

a.) Den ganzen Raum zwischen der Schule und dem Küstereigebäude: Flur 3 N Nr. 601/296 3 ar 8 qm groß, Flur 3 Nr. 602/296 19 qm groß, Flur 3 No. 603/296, 38 qm groß. Die auf den beiden ersten Parzellen, die nach dem Grundbuch Eigentum der Schule sind, eingetragene Erbpacht von jährlich 12 Mark wird gelöscht, die letzte Parzelle ist nach dem Grundbuch Eigentum der Küsterei.

6.) Nach dem Abbruch des Küstereigebäudes Flur 3, No. 604/297 — 605/297 2 ar 57 qm des Eigentum der Kirchspielgemeinde Scheidingen / Illingen ist, zur Erweiterung und Gradelegung des Schulplatzes der Stücke bis zum westlichen Posten des Scheunentores ( 2m75 cm breit) der Küsterei von der Kirchstrasse bis zum Patoratgarten, das nach der Kirchstrasse hin sich etwas erbreitert und am Pastoratgarten mit dem westlichen Ecke des Küstereigebäudes abschliesst.

Ca 40 – 50 qm) Vgl. zeichung

c.) den Garten Flur 3 No. 215, 4 ar 75 qm groß und No. 216, 6 ar 30 qm groß, damit die Lehrperson einen Garten Dorfe haben. Der Garten ist nach dem Grundbuch Eigentum der Küsterei und Schule.

4.) Die katholische Kirchengemeinde erhält:

a.) ¾ der übrig bleibenden Ländereien des kombinierten Vermögens nämlich der Parzellen, die nach dem Grundbuch Eigentum der Küsterei und Schule sind.

Flur 2 No. 179. 17 ar 32 q, No. 183. 11 ar 66 qm, No. 210 14 ar 9qm

Flur 3 No. 200. 39 ar 87 qm, No. 902/328 18 ar 83 qm

Flur 3 No. 373/11 97 ar 84 qm, No. 329/124 11 ar 58 qm

Diese Forderung ist abgesehen von dem unter No. 3 gebotenen Entgegenkommen der katholischen Kirchengemeinde durchaus berechtigt, denn:

1.) die hiesige Schule ist nach ihrer historischen Entwicklung zweifellos eine sogenannte Küsterschule, weßhalb auch der Inhaber der kombinierten Ämter bis auf Herrn Lehrer Ammermann, nicht Lehrer sondern Köster, Küster genannt wurden, das Stellenvermögen also nicht Schulvermögen sondern Kirchenvermögen. Vgl. Reichsgerichtsentscheidung vom 13. Juni 1888.

In der Kommissionsberatungen des Abgeordnetenhauses zum V:U:G: ist von einem Vertreter der Unterrichtsverwaltung ausdrücklich anerkannt worden dass das gegenwärtige Vermögen solcher Stellen zum größten teil aus kirchlichen Quellen herrühre.

Die Regierung zu Arnsberg hat diese auch schon anerkannt, da sie dem zwischen einem Vertretung der Regierung, dem Herrn Lehrer Ricke und Herrn Pfarrer Ortner getroffenen Uebereinkommen, wonach Herr Lehrer Ricke von dem 330 Mark jährliche Zinsen seinem Stellvertreter als Küster pro Jahr 300 Mark vom 1. Dezember 1923 an jährlich auszuzahlen muß, zugestimmt hat.

b.) Das Grundstück Flur 2 No. 4 der Gemeinde Werl 46 ar 96 qm groß, das irrtümlich im Grundbuch auf den Namen der Schulgemeinde Scheidingen eingetragen ist, wofür diese aber keinen Erwerbstitelaufweisen kann, da dasselbe am 20. August 1751 der Kirche für die Unterweisung armer Schulkinder vermacht und nie von der Schulgemeinde, sondern von Herrn Küster Lehrer Ammermann und dessen Vorgängern stets selbst bewirtschaftet ist.

Der Gemeindebezirk Scheidingen gehörte bekanntlich zum alten Herzogtum Westfalen, welches bis 1803 zum Erzbistum Köln und von da an zum Großherzogtum Hessen gehörte und erst 1814 bezw. 1816 zur Krone Preußens kam.

Durch patent vom 2. Juni 1825 ist der A.B.R. eingeführt und erst von dieser Zeit an von einer Schulgemeinde im Sinne 7/2 Tittel 12 die Rede sein, die aber erst 1829 mit Marogorativen Rechten gebildet ist. Nach kanonischen Rechte welches bis 1803 unzweifelhaft Anwendung fand, waren die niederen Schulen rein kirchliche Institute. Das fragliche Grundstück ist hiernach zweifellos Kircheneigentum. Vgl. Entscheidung des Reichsgerichts V Zivilsenat vom 26.6.1924 V. 909/23. Eine Verjährung liegt nicht vor, weil die Kirchen und Schulgemeinden durch die Küster und Lehrer in einer Person das Grundstück genutzt hat.

c.) Das Grundstück Flur 1 No. 36 im Elsbruch, Gemeinde Sönnern, 12 ar 96 qm groß, dass im Grundbuch erst im Jahre 1917 irrtümlich auf den Namen der Schule eingetragen ist, aus dem unter 4b angegebenen Grunde, weil nämlich das Grundstück schon im 18 Jahrhundert der katholischen Kirchengemeinde Scheidingen gehörte und daher stets vom Herrn Küster und Lehrer Ammermann und dessen Vorgängern, aber nie, von der katholischen Schulgemeinde bewirtschaftet wurde.

5.) Die Tilgung der Grundstücke soll nach den von der Generalkommision für die Separation von Scheidingen fest gesetzten Bonitierungsweite erfolgen.

6.) Das Küstereigebäude soll auf Abbruch verkauft und den Erlös für den Neubau des Küstereigebäudes verzinslich angelegt werden.

7.) Der Organistendienst der nicht fundiert ist, sondern stets aus der Kirchenkasse bezahlt wurde, soll mit der Lehrstelle organisch verbunden bleiben.

Der Kirchenvorstand

Gez. Ortner Pfr.

  1. Ammermann

Bettermann

Weißmann

Franz Lutter

  1. Palz

Stratmann

Die Gemeindevertretung von Scheidingen

Gez. Kaiser Vorsteher

Schulte – Bisping

Hagemann

Paul Sürig

Wilh. Schulte

Den unter 3b gefassten Beschlüsse dem zufolge nach Abbruch des Küstereigebäudes das genannte Stück zum Schulplatz kommen soll, stimmen wir unter der Bedingung zu, dass die katholische Kirchengemeinde die unter 4 a und b und c genannten Grundstücke erhält.

Die Gemeindevertretung von Illingen  gez. Foschepoth, Vorsteher, Heinrich Deitel, Theodor Wilm, Franz Hagedorn, Theodor Notz

In fidem Scheidingen, den 17. Februar 1926

Gez. Ortner Pfarrer

Abbildung 2: Zeitungsartikel Versteigerung Abriss Küstereigebäude

Der Trennungsakt war dann doch zähflüssiger als gedacht. Das Küstereigebäude wurde auf einer öffentlichen Auktion im Oktober 1926 veräußert. Und noch 1928 wies man in einem Schreiben an die Amtskasse in Werl auf die Auseinandersetzung zwischen Kirchen- und Schulgemeinde hin bezüglich der weiterzuleitenden Pachterträge:

Abbildung 3: Pachtvertrag
Abbildung 4: Schulklasse 1925

Die Schule in Scheidingen hatte in den zwanziger Jahren eine hohe Fluktuation an Lehrern. Besonders prägend waren offenbar nach Überlieferung die Lehrer Ricke, Langenhorst und Pfaffhausen, die mit Disziplin und Menschlichkeit die Kinder zu nehmen wussten. Gerade Ricke (hier auf einem Bild von 1925) hatte einen Wandlungsprozess hingelegt vom Mauerblümchen im Schatten des großen Ammermann hin zu einem selbstbewussten, auf Neuanfang setzenden Junglehrers. Gerade die Streitigkeiten mit der Wohnsituation im Lehrerhaus zu Beginn der zwanziger Jahre polarisierte die Schulgemeinschaft. Aber Ricke konnte verlorenen Kredit zurückerobern mit seinem Einsatz für die Pflege des Schulaußengeländes und bei schulisch organisierten Freizeitaktivitäten für die Kinder. Distanzierter, aber stets mit seinem non multa, sed multum im Sprachgepäck, agierte Lehrer Pfaffhausen (hier auf einem Bild von 1927) geradlinig. Er redete stets Fraktur und konnte so seinen Schützlingen ein wahrhaftes Vorbild in Ehrlichkeit und Anstand geben. Legendären Status erarbeitete sich aber – wobei die Leistungen und der Leumund für die beiden Vorgenannten in keiner Weise                                                                                                          Abbildung 5: Schulklasse 1927

Abbildung 6: Schulklasse 1929

traktiert werden sollen – Lehrer Langenhorst, der 1929 mit seinen Sieben- und Achtklässlern – wie hier auf dem Bild –  den Schulalltag bereicherte und den  Laissez-Faire-Erziehungsstil vorlebte, jedoch im Mathematikunterricht klar das quod erat demonstrandum am Ende einer Herleitung sehen wollte. Wenigstens hier wollte er seine Passivität aufgeben und die Initiative übernehmen. Seine Schüler dankten es ihm aber. Ob dieser Dank heute von Schülern ausgestellt wird, bleibt dem Leser überlassen. Als Langenhorst 1930 versetzt wurde, waren die Schüler mit einer Traurigkeit ausgestattet. Zahlreiche Hilfslehrer waren bis zum Ende der Weimarer Republik zeitlich befristet in Scheidingen aktiv. Lediglich ein Joseph Esser konnte sich langfristig etablieren und blieb bis 1952. Wie übrigens zu jener Zeit ein probléme urgent in der Scheidinger Lehrerwohnung bearbeitet wurde, geht aus einem Erlass vom 31. Mai 1931 hervor:

Amt Werl J.Nr. 2888

Werl, den 30. Mai 1931

Einmaligen Ergänzungszuschuss den Schulverband Scheidingen

Ohne Verfügung

Die Lehrer – Dienstwohnung in Scheidingen hat keine Abortanlage. Die beiden Wohnungsinhaber ( 1 Lehrer und 1 Lehrerin) müssen, um zu der Klosettanlage zu gelangen, dass für die Schulkinder geltende Abortgebäude aufsuchen. Dieses Gebäude ist etwa 20 Meter vom Eingange der Lehrerdienstwohnung entfernt. Das Fehlen einer Abortanlage in der eigentlichen Dienstwohnung wird von den Wohnungsinhabern hart empfunden, insbesondere in Krankheitsfällen. Dabei trägt dieser Übelstand in gesundheitlicher und hyginischer Hinsicht  schwerwiegende Bedenken in sich.

Weiter hat der Schulhof, der auch als Spielplatz der Kinder dient, keine Einfriedigung. Auch ist das Schulgrundstück nächst der nachbargrenze nicht eingefriedigt.

Der Schulhof liegt an einer sehr verkehrsreichen Straße (Kreisstraße) die insbesondere viel von Autos befahren wird, sodass die Nichteinfriedigung eine direkte Gefahr für die Kinder bedeutet.

Der Schulvorstand bezw. die Gemeindevertretung hat sich, trotz der wirtschaftlichen Nöten der Steuerzahler der Notwendigkeit nicht verschließen können, beide Übelständen abzuhelfen und die Ausführung einer Abortanlage in der Lehrer Dienstwohnung, sowie die Einfriedigung des Schulplatzes beschlossen. Wie aus den Anlagen hervorgeht, belaufen sich die gesamtkosten auf 2545.—Reichsmark. Der Schulverband ist ausserstande, diese Kosten aus eigenen Mitteln voll aufzubringen-

Die Schulverbandsmitglieder betreiben vorwiegend Ackerbau und sind, abgesehen von der wirtschaftlichen Notlage im allgemeinen, durchweg erheblich verschuldet. Ein kleiner Teil gehört dem Arbeiterstande an. Neben der sehr erheblichen gemeindlichen Belastung sind noch rund 40.000 Reichsmark Separationskosten zu verzinsen bezw. zu decken.

Ich überreiche hierbei:

  1. a) 2 Kostenanschläge
  2. b) 2 Zeichnungen über die beabsichtigten baulichen Anlagen
  3. c) die Beschlüsse der zuständigen Körperschaften

mit der Bitte, einen einmaligen Ergänzungszuschuss zu gewähren.

Der Bürgermeister

Abbildung 7: Propagandaplakat Hitlerjugend

Schon vor der Machtübernahme 1933 gab es wie andernorts auch die Hitlerjugend in Scheidingen. Alle wurden uniformiert, militärisch eingeteilt und im Dienst soldatisch ausgebildet. Die ganze Art und Weise der Bestätigung dieser Organisation wies darauf hin, dass man über kurz oder lang mit einem Krieg rechnete. Auch die Jugend – und Volksfeste erhielten einen militärischen Charakter mit Umzügen und Paraden. Hinter dem sogenannten Dienst musste alles andere wie Schule, Elternhaus, Religion und Kirche zurückstehen. Ein Zeitzeuge berichtete, dass es der Hitlerjugend Spaß machte, vor der Wallfahrtskirche zu singen, besonders das Lied:

Auf seinen Säcken Goldes sitzt,

der vollgefressene Jud.

Doch wenn das Blut vom Messer spritzt,

doch wenn das Blut vom Messer spritzt,

dann geht’s nochmal so gut.

Hängt die Juden, hängt die Juden! Stellt die Pfaffen an die Wand.

Abbildung 8: Bund deutscher Mädel

Vordergründig sah man in der Schule – und Werl stand dem in nichts nahtlos zur Verfügung – den Vermittlungsort für die Rassenideologie und als Vorstufe für die Wehrmacht. Die Bildungsideale wie Mündigkeit, Kritikfähigkeit und Selbständigkeit gehörten nicht in den Zielkatalog der Nationalsozialisten, sondern die Erziehung zu fanatischen Nationalsozialisten. Hier wollte man aus Sicht der Staatsführung so früh wie möglich beginnen. Die Hitlerjugend und der Bund deutscher Mädel lieferten den Organisationsrahmen für die Gleichschaltung und den vormilitärischen Drill. Bereits im Frühjahr 1933 mussten die ersten Lehrer aus dem Staatsdienst, denn durch das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom April 1933 befreite sich die neue Führung von den pazifistischen und kommunistischen Gruppierungen unter den Lehrern. So wurde nach Verabschiedung des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums « im Regierungsbezirk Köln im Frühjahr 1933 ein Ausschuss von »Vertrauensmännern« damit beauftragt, die politische Zuverlässigkeit aller Lehrkräfte zu überprüfen.

Abbildung 9: Das neue Schulgesetz

In den folgenden Monaten wurden nicht nur die jüdischen und kommunistischen Lehrer entlassen, sondern zahlreiche politisch missliebige Pädagogen versetzt oder vorzeitig pensioniert. Bis Ende 1933 waren hiervon an den Kölner städtischen höheren Schulen und Berufsschulen rund zehn Prozent des Lehrpersonals betroffen. Allerdings verfügte das NS-Regime in der Lehrerschaft über erheblichen Rückhalt, und der größte Teil auch jener, die ihm nicht nahestanden, passte sich ohne größere Widerstände der neuen Situation an. Tatsächlich lässt sich in den Kölner Schulen Gegenwehr gegen Forderungen nationalsozialistischer Schulpolitik kaum nachweisen. Innerhalb kurzer Zeit änderten sich die Lerninhalte, wobei die NS-Ideologie nicht zu einem eigenen Fach, sondern zum Unterrichtsprinzip für alle Fächer wurde. Vermittlung von »Rassenkunde«, besondere Gewichtung des Sportunterrichts, spezifische Mädchenausbildung zur Hausfrau und Mutter sowie vormilitärische Erziehung der Jungen wurden so auch Kennzeichen nationalsozialistisch geprägter schulischer Ausbildung. »Weltanschauliche« Schulungen, Schulfeiern mit eindeutig politisch-ideologischem Hintergrund –

Abbildung 10: Propagandaplakat

etwa die Feiern zum »Geburtstag des Führers« oder zum »Tag der nationalen Arbeit« – und Rituale wie das morgendliche Hissen der Hakenkreuzfahne auf dem Schulhof prägten bald den schulischen Alltag. Nationalsozialistische Wertesysteme und Symbole wurden damit auch jenseits von HJ und BDM im Bewusstsein der Jugendlichen verankert, traditionelle, insbesondere christliche Werte dagegen verdrängt. Gerade die Sozialisation von Kindern war den Nationalsozialisten eine Herzensangelegenheit. Je früher ein Gedankengut im Denken und Handeln Platz fand, umso größere Erfolgsaussichten waren zu erwarten hinsichtlich einer gleichgeschalteten Bevölkerung. Besonders die Kinder konnten sich dieser Perfidie nicht entziehen. Ein trauriges und entlarvendes Beispiel dieser pervertierten Auffassung von Wissensvermittlung stellte der Giftpilz dar, der hetzerisch im Kinderbuchformat Stimmung gegen die zusatzbürgerlichen Juden machte. Oft war den Lesern, also den kleinen Jungbürgern mit Arierausweis, nicht bewusst,

Abbildung 11: Erziehung in der Schule

wie sie durch die Hintertür zu im Unterbewusstsein gefügigen Nationalsozialisten wurden. Das Kinderbuch war dabei ein starkes Instrument. Nach den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 war es den Nationalsozialisten ein Anliegen, deren von Feindbildern durchsetzte Weltanschauung jeder Bevölkerungsgruppe anzutragen. Der Giftpilz von 1938, von Ernst Hiemer geschrieben, listete „Merkmale“ auf zur Erkennung von Juden. Natürlich wurde hier der Jude als Faktotum des Schlechten, Bösen und Unreinen verunglimpft, womit tiefenpsychologisch auch ein Greuel und eine Antipathie bei den Lesern hervorgerufen werden sollte. Der Verunglimpfungskatalog beinhaltete krumme Nasen, aufgeblasene Lippen, dicke und fleischige Augenbrauen, kurze Beine, Plattfüße und eine schräge Stirn. Das entsprach ganz und gar der Kriminellentypisierung der Nationalsozialisten, die auch am Berufsverbrecher eine schräge Stirn erkannt haben wollten. Beleidigungen, der Vorwurf der notorischen Lügerei und die Nähe zum Brigantentum werden unter Einsatz bunter Bildmotive im Giftpilz als Selbstverständlichkeit in der Darstellung und als Warnsignal für die arischen Kinder angeboten. Böses Ungeziefer galt es auszumerzen und dieses deutsche Unglück über den Jordan zu hieven. Jede Boshaftigkeit wurde im Giftpilz den Juden unterstellt. Jüdische Ärzte wurden diskreditiert und pauschal die jüdische Bevölkerung in die Nähe der Tierquälerei gesetzt.

Abbildung 12: Auszüge aus dem Buch: „Der Giftpilz“.

Im Schlussakkord wurden dann die kleinen Leser fast prophetisch in die alltägliche Judenhetze entlassen:

„Die Welt erwacht in Juda`s Ketten
Deutschland alleine kann sie retten.
Deutsches Denken und Deutsch sein
Wird einst die ganze Welt befreien.
SIEG HEIL!“

Abbildung 13: Auszug aus dem Buch: „Der Giftpilz“.

Ergänzt wurde diese Leitfibel noch durch eine Aussage Hitlers in seinem geistreichen Müllkippenkonglomerat namens „Mein Kampf“, in dem er unverblümt das Verständnis der nationalsozialistischen Erziehung formuliert:

„Der völkische Staat hat in dieser Erkenntnis seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie nicht auf das Einimpfen bloßen Wissens einzustellen, sondern auf das Heranzüchten kerngesunder Körper. Erst in zweiter Linie kommt dann die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten.“

Abbildung 14: Zeitungsartikel Schrift in den Schulen

Im katholischen Scheidingen waren die jüdischen Kinder zu der Zeit schon nicht mehr präsent. Näheres ist zu ihnen aber nicht überliefert. Wie andernorts auch, in Scheidingen galt es mit Beginn des Schuljahres 1934/35 auf die einheitliche, der Sütterlinschrift verwandte Verkehrsschrift zu wechseln. Der erste Jahrgang in Gleichschaltung hatte sich 1934 zum Schuljahresbeginn noch vor der Scheidinger Kirche unbekümmert positioniert, aber die unbekümmerten Bildungsideale waren bereits unwissentlich verkümmert.

Natürlich hatte Lehrer Esser ein Erscheinungsbild, das eine gewisse Ähnlichkeit zum Führer Adolf Hitler aufwies. Nach Zeitzeugenaussagen war der Herr Esser aber kein vorbildlicher NS-Pädagoge gewesen, sondern beschränkte sich auf die Pädagogik mit zwischenmenschlichem Augenmaß und einer merklichen Portion Toleranz gegenüber den Mitmenschen. Die Schüler seiner Abschlussklasse dankten es ihm gebührend und gaben ihm – von ungewollter Vorahnung behaftet – viel Kraft und Durchhaltevermögen mit auf den Weg, der immer mehr von nationalsozialistischen Attitüden zugeparkt wurde.

Abbildung 15: Lehrer Esser mit Abschlussklasse

1935 trat eine Aushilfslehrerin namens Blawath den Schuldienst in Scheidingen an. 1936 stießen noch die Lehrerinnen Klawathaus, Rosenthal und Lehmkuhl dazu. Allen vorgenannten Pädagoginnen konnte man das notwendige Engagement nicht abstreiten, aber sie trugen durch ihre Tätigkeiten zur Verankerung der nationalsozialistischen Erziehungsideale bei. Es soll aber keine unsachliche Kritik geäußert werden, denn sie verhielten sich dem Zeitgeist entsprechend mit den dazugehörigen Werten und Normen. Und dafür brauchen die nachfolgenden Generationen kein „Säbelrasseln“ oder martialische Sprüche wie „Hier wird kein Pardon gegeben“ an die Wertung zu heften.

Abbildung 16: Propagandaplakat

Die Nationalsozialisten mussten für einen generationenübergreifenden und langlebigen Wertewandel auf die Jugend zurückgreifen. Die Erziehung war der archimedische Punkt. Wichtig für die wachsende Bedeutung der Hitler-Jugend (HJ) war auch, dass sie in kürzester Zeit innerhalb des Schulwesens eine starke Machtposition aufbauen und aggressiv ihre Interessen durchsetzen konnte. So wurden Lehrer und Schulbehörden nachdrücklich aufgefordert, die Mitgliedschaft in den NS-Jugendorganisationen zu fördern. Zudem erhielten HJ-Veranstaltungen vielfach Vorrang gegenüber schulischen Belangen.   „Nationalsozialismus ist organisierter Jugendwille“ hieß eine verbreitete Losung der Zeit. Nachdem schon im Kinderzimmer die Indoktrination durch das auf die Ideologie des NS-Regimes ausgerichtete Spielzeug begonnen hatte, sollte anschließend die HJ Standesunterschiede beseitigen und die nationalsozialistische Gesinnung fördern. Die anfangs noch formell freiwillige Mitgliedschaft wurde am 1. Dezember 1936 durch das „Gesetz über die Hitler-Jugend“ zur Zwangsmitgliedschaft. Die HJ – neben Familie und Schule für die

Abbildung 17: Lehrerin Blawath mit einer Schulklasse

Mehrheit der Heranwachsenden die wichtigste Sozialisationsinstanz – stützte sich jedoch nicht nur auf Zwang, sondern vor allem auf attraktive Freizeitangebote. Mit Feldausflügen – wie hier auf dem Ausflugsfoto in der Scheidinger Gemarkung mit Lehrerin Blawath 1935, mit Geländespielen, Zeltlagern, Radtouren oder durch das ansonsten privilegierte Segelfliegen und Reiten wurde das Interesse der jungen Menschen geweckt. Daneben gehörten Sammelaktionen für das Winterhilfswerk sowie mühsame Ernteeinsätze in der Landwirtschaft

Abbildung 18: Propagandaplakat für den Eintritt in die Hitlerjugend

zu den unumgänglichen Pflichten in der Hitler-Jugend. Der HJ schloss sich ab 1935 für männliche Jugendliche der halbjährige Reichsarbeitsdienst  (RAD) an. Ursprünglich diente er der Bewältigung der Arbeitslosigkeit, ab 1936 aber vornehmlich der vormilitärischen Erziehung und körperlichen Ertüchtigung. Das „Heranzüchten kerngesunder Körper“ und die sogenannte Volksgesundheit waren Leitbilder der Nationalsozialisten sowie Bestandteile ihrer Rassentheorien. Körperliche Ausbildung und Körperkult wurden in NS-Organisationen, Schulen und den rund 43.000 ab 1934 im Deutschen Reichsbund für Leibesübungen (DRL) gleichgeschalteten Sportvereinen umgesetzt.

Abbildung 19: Schulsport

Pädagogisch korrekt waren die 1936 anwesenden Lehrer Lehmkuhl und Michels, die trotz rigider Umsetzung der Lehrpläne die notwendige Nähe zur Schülererreichung und das pädagogische Maß an Toleranz mitbrachten. Das war eine Gratwanderung, denn die klassischen nationalsozialistischen Themen verlangten eine Positionierung abseits von Menschlichkeit und Toleranz. Hier war zum einen der nationalsozialistische Körperkult eine Barriere auf den Weg zur Verständigung. Wohlwissend, dass das mit der Körperlichkeit eine facettenreiche Individualeigenschaft des Menschen ist, sahen sich auch die Scheidinger Pädagogen in der Körperkulturistik vor einem Dilemma, da eben nicht alle Schüer die notwendige physische Belastbarkeit an den Tag legten. Im Sportunterricht konnten die Lehrer aber

Abbildung 21: Lehrer Michels

noch gut kaschieren. Gerade Lehrer Michels ließ sich einiges einfallen, um nicht die Unterschiede zwischen den Deutschen derart zu veranschaulichen, dass daraus möglicherweise Ausgrenzungstendenzen hätten sich entwickeln können. Schwieriger war es da schon mit der Rassenlehre als nationalsozialistisches Steckenpferd. Die Nationalsozialisten verfolgten eine radikale Rassenlehre. Hinter dieser steckte die Annahme, die in Deutschland lebenden Menschen gehörten verschiedenen Rassen an, veranschaulicht auf Rassetafeln. Die Nazis unterschieden hierbei zwei Rassen: die Arier und die Juden. Die Arier erklärten sie zum menschlichen Ideal und zur Herrschaft über die anderen Rassen bestimmt. Ihre Qualität sahen die Nazis jedoch durch unvorteilhafte Einflüsse gefährdet. Dazu zählten ihrer Meinung nach vor allem die Juden. Der Bevölkerung verkauften sie diese Idee als eine endgültige, wissenschaftliche Wahrheit, auch als Pseudowissenschaft abgestempelt. Die Nationalsozialisten leiteten ihre Rassenlehre aus zwei Pseudowissenschaften ab: der Rassentheorie und der Rassenhygiene. Beide entwickelten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Aus der Rassentheorie übernahmen die Nazis die Vorstellung, die Menschheit ließe sich in verschiedene Rassen einteilen. Sie setzten jedoch den Begriff der Rasse mit dem des Volkes gleich. Das deutsche Volk erklärten sie zu einem Vertreter der sogenannten arischen Rasse. In der Rassentheorie galt diese als vollkommen: Als Urrasse sei sie allen anderen Rassen überlegen und daher zum Herrschen über diese bestimmt. Der Rassenhygiene entlehnten die Nazis die Idee der sogenannten Rassenpflege. Dahinter steckte die Auffassung, die arische Rasse müsse ihre Reinheit und Qualität erhalten. Nur so könne sich die Menschheit zu Höherem entwickeln. Es war klar, dass die mit dem notwendigen Maß an Menschlichkeit ausgestatteten Pädagogen wie Michels in Scheidingen – diese Charakterisierung gilt übrigens auch allgemein und andernorts – hier im Zugzwang waren. Nach Zeitzeugenaussagen wurde mancher Unfug aus dieser Pseudowissenschaft süffisant im Nebensatz ohne Betonung erwähnt … eben für das vorschriftsmäßige Protokoll. Nicht zwingend eine standfeste Form des passiven Widerstandes, aber dieser Unterrichtsstil von Esser oder Michels war in Scheidingen nicht verpönt. Auch die ikonische Heranführung an die Euthanasie gehört zur schwarzen Pädagogik auf deutschem Boden, denn bei solchen „Arierdiagrammen“ aus den „Arierprogrammen“ wie dem Qualitativen Bevölkerungsabstieg… war die blanc de chaux des homo necans in der nationalsozialistischen Sinfonie nicht mehr zu verniedlichen.

Abbildung 22: Entwicklung der Bevölkerung
Abbildung 23: Das Buch vom Mann

Die Juden stellten für die Nazis den Hauptfeind der arischen Rasse dar. Sie erklärten diese zu einer eigenen Rasse und unterstellten ihr, einen schädlichen Einfluss auf die Qualität der arischen Rasse zu haben. Daher müsse sie vernichtet werden. Für die Nazis galt es zuerst, auch das deutsche Volk von einer angeblichen Bedrohung durch die Juden zu überzeugen. Dazu betrieben sie eine gezielte Propaganda. Diese war von einer radikalen Gegenüberstellung geprägt: Auf der einen Seite stand der Arier. Für die Nazis war er der Prototyp der arischen Rasse und das Idealbild. Sie beschrieben ihn als blond, blauäugig, tatkräftig und treu. Im Standardwerk „Das Buch vom Mann“, verfasst von Dr. Hermann Paull, konnte auch im Schulunterricht das Idealbild des Ariers nachgelesen werden. Als sein bedrohliches Gegenbild entwarfen sie den Juden. Er war nach Ansicht der Nazis all das, was der Arier nicht war: dunkelhaarig, dunkle Augen, faul und hinterlistig. Zahlreiche Propagandaplakate lebten von dem Gedankenkonstrukt „Arier gegen Jude“. Die Nationalsozialisten verteilten unter anderem Faltblätter, auf denen sie zwölf Gebote zur Rassenreinhaltung auflisteten. Eines davon hieß: „Halte das deutsche Blut rein.“ Durch die Gebote sollte die nationalsozialistische Rassenlehre einen religiösen Status erreichen. Auch im Schulunterricht propagierten die Nazis ihr jüdisches Feindbild. In jeder Schule gab es einen sogenannten Rasseatlas. Dieser enthielt 30 großformatige Bildtafeln mit bildlichen Gegenüberstellungen von Ariern und Juden. Darunter standen Sätze wie „Aus diesem Gesicht spricht die Seele der Rasse.“ Am Ende der Schulzeit sollte jeder Schüler glauben, die Juden stellten eine Bedrohung für das deutsche Volk dar. Wie weit die nationalsozialistische Schallplatte die Köpfe der Heranwachsenden zum Musizieren anregte, zeigt ein Schülerbrief an das Hetzpamphlet Der Stürmer:

Abbildung 24: : Zeitschrift der Stürmer

„Lieber Stürmer!

Gauleiter Streicher hat uns so viel von den Juden erzählt, daß wir sie ganz gehörig hassen. Wir haben in der Schule einen Aufsatz geschrieben unter dem Titel: „Die Juden sind unser Unglück“. Ich möchte bitten, meinen Aufsatz in Abdruck zu bringen. Die Juden sind unser Unglück. Leider sagen heute noch viele: „Die Juden sind auch Geschöpfe Gottes. Darum müßt Ihr sie auch achten.“ Wir aber sagen: „Ungeziefer sind auch Tiere, und trotzdem vernichten wir es.“ Der Jude ist ein Mischling. Er hat Erbanlagen von Ariern, Asiaten, Negern und Mongolen. Bei einem Mischling herrscht das Böse vor. Das einzige Gute, das er hat, ist die weiße Farbe. Ein Sprichwort der Bewohner der Südseeinseln lautet: „Der Weiße ist von Gott, und der Schwarze ist von Gott. Der Mischling aber ist vom Teufel.“ Jesus sagte einmal zu ihnen: „Ihr habt zum Vater nicht Gott, sondern den Teufel.“

Die Juden haben ein böses Gesetzbuch. Das ist der Talmud. Auch sehen die Juden in uns das Tier und behandeln uns danach. Geld und Gut nehmen sie uns mit aller List weg. Auch schon am Hofe Karls des Franken regierten Juden. Deshalb wurde das römische Recht eingeführt. Dieses paßte aber nicht für den deutschen Bauern: es war aber auch kein Gesetz für den römischen Ackerbürger, sondern es war ein jüdisches Händlergesetz. Sicherlich sind die Juden auch Schuld an dem Mord Karls des Franken. In Gelsenkirchen hat der Jude Grüneberg Aas an uns verkauft. Das darf er nach seinem Gesetzbuch. Aufstände haben die Juden angezettelt und zum Krieg haben sie gehetzt. Rußland haben sie ins Elend geführt. In Deutschland gaben sie der KPD Geld und bezahlten die Mordbuben. Wir standen am Rande des Grabes. Da kam Adolf Hitler. Jetzt sind die Juden im Auslande und hetzen gegen uns. Aber wir lassen uns nicht beirren und folgen dem Führer. Wir kaufen nichts beim Juden. Jeder Pfennig, den wir Ihnen geben, tötet einen unserer Angehörigen. Heil Hitler!“[1]

Abbildung 25: Horst- Wessel- Lied

Auch die schulischen Traditionen – und so wurde es in Scheidingen umgesetzt – zeigten eine tiefe Verwurzelung mit dem Regime, denn es gab ein besonderes Zeremoniel von 1939 – 1944 zu Ferienbeginn und -ende in den Werler Volksschulen und  bei der Oberschule für Jungen. An diesen Tagen traten Lehrer und Schüler geschlossen auf den Schulhöfen an, um nach einem Dreifachen „Sieg Heil“ das Deutschlandlied und das Horst- Wessel –Lied zu singen. Während der ganzen Zeit musste die rechte Hand zum Gruß gehoben werden. Die Cantate des Horst Wessels hatte sich aber 1945 zum musikalischen Totemrequiem gemausert, so dass nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 der nationalsozialistische Geist aus den Schulen – zumindest offiziell – verbannt wurde.

[1] http://www.gelsenzentrum.de/stuermer.htm

Abbildungsnachweis:

  • Abbildung 1:

Alte Schule in Scheidingen.

  • Abbildung 2:

Zeitungsartikel Versteigerung Küstereigebäude. Der Zeitungsartikel befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 3:

Pachtvertrag. Die Kopie befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 4:

Schulklasse 1925. Das Bild befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 5:

Schulklasse 1927. Das Bild befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 6:

Schulklasse 1929. Die Kopie befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 7:

Hitlerjugend.

http://www.deafkids.de/blogs/wp-content/uploads/2007/01/hj.jpg.

abgerufen am 27.07.2015

  • Abbildung 8:

Bund deutscher Mädel

  • Abbildung 9:

Das neue Schulgesetz.

http://pressechronik1933.dpmu.de/2013/04/27/pressechronik-27-4-1933/, abgerufen am 27.07.2015

  • Abbildung 10:

Erziehung der Jugend.

http://www.rothenburg-unterm-hakenkreuz.de/schule-im-ns-regime-i-hitlerjugend-reichsarbeitsdienst-sa-oder-ss-wehrmacht-adolf-hitler-und-sie-werden-nicht-mehr-frei-ihr-ganzes-leben/, abgerufen am 27.05.2015

  • Abbildung 11:

Sozialisation.

https://museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum/default.aspx?s=386. abgerufen am 06.06.2015

  • Abbildung 12:

Der Giftpilz.

http://dingedeswihttp://nsl-archive.tv/Buecher/Bis-1945/Hiemer,%20Ernst%20-%20Der%20Giftpilz%20(1938,%2057%20S.,%20Fraktur).pdfssens.de/ddw/de/projects/sammlungspanorama/kinderbuecher/giftpilz/, abgerufen am 11 05.2015

  • Abbildung 13:

Der Giftpilz.

http://dingedeswissens.de/ddw/de/projects/sammlungspanorama/kinderbuecher/giftpilz/http://nsl-archive.tv/Buecher/Bis-1945/Hiemer,%20Ernst%20-%20Der%20Giftpilz%20(1938,%2057%20S.,%20Fraktur).pdf, abgerufen am 11.05.2015

  • Abbildung 14:

Zeitungsartikel. Der Zeitungsartikel befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 15:

Lehrer Esser mit Abschlussklasse. Das Bild befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

  • Abbildung 16:

Propagandaplakat

http://www.museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum/pages/medien/abb/386/4256_6207.jpg, abgerufen am 09.05.2015

  • Abbildung 17:

Lehrerin Blawath mit einer Schulklasse. Das Bild befindet sich im Privatbesitz von Samantha

  • Abbildung 18:
  • Propagandaplakat für den Eintritt in die Hitlerjugend

https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/bdm-werbeplakat-um-1939.html, abgerufen am 11.05.2

  • Abbildung 19:

Schulsport

https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/alltagsleben/schule.html, abgerufen am 27.05.2015.

  • Abbildung 20:

Rassetafel

https://prezi.com/tdockleo6soc/200-000/, abgerufen am 27.05.2015.

  • Abbildung 21:

Lehrer Michels. Das Bild befindet sich im Privatbesitz von Samantha Seithe.

 

  • Abbildung 22:

Entwicklung der Bevölkerung

http://www.schule-bw.de/unterricht/faecheruebergreifende_themen/landeskunde/modelle/epochen/zeitgeschichte/ns/grafeneck/b1.jpg, abgerufen am 27.05.2015.

  • Abbildung 23:

Das Buch vom Mann

https://www.buchfreund.de/Das-Buch-vom-Mann-Medizin-Biologie-Mann-1938-Anatomie-Koerper-Dr-med-Paull-Hermann,68335662-buch, abgerufen am 28.05.2015.

  • Abbildung 264

Zeitschrift der Stürmer

http://www.gelsenzentrum.de/stuermer.htm, abgerufen am 30.05.2015.

  • Abbildung 25:

Horst- Wessel- Lied

http://www.ma-shops.de/futter/item.php5?id=1008, abgerufen am 30.05.2015.