Aus den Flurbezeichnungen des Vermessungsrates Hugo Schoppmann entnommen, liefert das Flurstück Am Krummen Duike den Hinweis auf den Vogelherd.[1]
Das Übereinanderlegen von Karten sichert Mindestmaß an Genauigkeit und Verwertbarkeit dieser Flurkarte. Die Flurkarte von Schoppmann passt dabei zur Flurkarte 1792-UR-18 aus dem Katasteramt Soest.
Das Flurstück Am Krummen Duike befindet sich westlich von Haus Koeningen in direkter Nachbarschaft zum heute weitgehend ausgerodeten Gehölz namens Stuiwenkamp oder Stufenkam und mit Ausläufern in den Müllers Kuhkamp.
Nach Rücksprache mit Dr. Kreucher vom Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen kann der winkelförmig angelegte Teich zwischen den Fluren 65. und 97. als Gräfte interpretiert werden. Interessant ist, dass nach Blick in das Güterverzeichnis für zumindest Teile der Flur 97. „Fischteich-Wiesen“ angegeben sind.[2] Ob die Flur Am Krummen Duike nun als Standortkomplex anzusehen ist oder auf einen Fixpunkt hinarbeitet, kann so noch nicht gesagt werden…weitere Informationen und Blickwinkel müssen nun folgen.
Zunächst gibt es den Exkurs in die Quellenselbstkritik, um das notwendige Übel der ausgewogenen Argumentation im Bemühen zu realisieren:
- Die westfälische Variante des Vogelherdes beschränkt sich bisher nur auf einen vagen und wenig in der Literatur formulierten Standorthinweis.
Schoppmann (1940) und Schulze (1982) sprechen von Vogelherdaktivitäten Am Krummen Duike. schreibt Schoppmann noch ohne zeitlichen Bezug zum Vogelherd ( „…soll früher an dieser Stelle [Anmerkung: Am Krummen Duike] nahe dem alten ´Haus Köningen´, das ehemals sächsisches Königsgut war, ein Vogelherd gestanden haben, wo der Vogelfang betrieben wurde.“[3] ), erfolgt bei Schulze der Bezug auf Heinrich, durch die sächsische Königsgutvergangenheit bedingt:
„Eine Flurbezeichnung in der Feldmark Scheidingen ´Am krummen Duike´. Hier soll ein Vogelherd gestanden haben. (…), dass König Heinrich dort den Vogelfang betrieben hat, wenn er in Haus Köningen zu Besuch weilte.“[4]
Die Varianten sind facettenreich, berücksichtigt man noch die Aussagen in den Erinnerungen bei Franz von Papen (1952)[5], reicht die Interpretation vom Sachsenherzog Heinrich 918/919 über den König bis zur zeitlich unbestimmten Vogelherdaktivität.
Gut möglich, dass diese Abweichungen nicht bei den Verklärungen der Romanciers zu suchen, sondern im Geschichtsbewusstsein der Nationalsozialisten zu finden sind. König Heinrich regiert nicht nur von 919 bis 936, sondern auch in der Gestalt des Reichsführers SS Heinrich Himmler. Der übersteigerte Umgang des Reichsführers mit den Anfängen der Deutschen verbietet schon in Ansätzen ein Konkurrenzbild zur mystischen Heinrichsfeier in Quedlinburg unter selbstverständlicher
Vereinnahmung des legendären Vogelherdplatzes.[6] In diesem Klima bewegen sich Schoppmann und v. Papen, wobei der Letztgenannte nach 1945 auch mit persönlichen Ablehnungen durch die Entnazifizierungsdebatte und (Mit-)Täterfrage zu kämpfen hat…keine guten Voraussetzungen für die Etablierung eines westfälischen Vogelherdstandortes im Vorfeld der Königswahl vom Mai 919 in Fritzlar.
2. Die urkundliche Erwähnung von Haus Koeningen ist wenig hilfreich, da die ersten Erwähnungen aus dem 14. Jahrhundert stammen. Hilfreicher sind hier Überlegungen zur Pfalzstadt Werl, aber der Historikerstreit mit dem „Werla“ nördlich von Goslar schwebt im Hintergrund. Ein Anfang muss trotzdem gesetzt werden, und der Liudolfinger Heinrich hat nicht die schlechtesten Argumente. Nach dem westfälischem Geschichtsschreiber Johann Dietrich von Steinen flüchtet Heinrich 924 vor den Hunnen in die befestigte Burg Werl (civitas regia), die nach dem Geschichtsschreiber Johann Suibert Seibertz aus einem castrum der sächsischen Herzöge entspringt.[7] Diese Argumentation ist sinnvoll, da in der Geschichtswissenschaft ohnehin die Gründung einer Wehrburg am Hellweg in das beginnende 10. Jahrhundert gelegt wird im Rahmen der Abwehr feindlicher Ungarneinfälle und zum Schutz/zur Kontrolle der Salzquellen am Salzbach.[8]
Ob es sich bei Werl nach dem griechischen Kartographen Ptolemäus um das antike Arelatia handelt, wissen wir nicht, zeigt aber unabhängig von der Gründungsansiedlung die Existenz dieser Feste. Anmerkungen im Anhang. Das entscheidende Argument sind aber die Stammbesitzungen der Liudolfinger, zu denen eben auch Werl gehört. Dass die sächsischen Kaiser Reichstage im westlichen Westfalen abhalten, liegt im Wesentlichen in der Existenz von Stammbesitzungen und den damit auf Hausmacht ausgeübten Aufenthalten begründet.
Seine Vorfahren aus Herzfeld und die zweite Frau Mathilde tragen mit ihren landkräftigen Argumenten sicher auch zur regelmäßigen Präsenz des Herzogs bei. Heinrich ist im Werler Raum, und die Literatur erwähnt einen regelmäßigen Aufenthalt auf der curtis regia.[9]
Die schriftlichen Quellen liefern zum konkreten Aufenthalt Heinrichs oder zur Lage der curtis regia nichts, aber in einer Literatur sind königliche Besitzungen nördlich von Werl angesiedelt ( „…liegt nördlich vom Hellwege bei Werlaha…“[10] ). Kann man Franz von Papen Glauben schenken, dann liegen diese Gebiete als Teil des „Regum domus“ im Einzugsgebiet des Rittergutes Koeningen, auch villa ducalis oder königlicher Meierhof genannt.[11]
3. Die nebenstehende Flurkarte vom Tim-online.de zeigt noch einmal die geographische Nähe von Haus Koeningen zum Rhedum.
4. Kann man darüber hinaus dem Handbuch der historischen Stätten Deutschlands Glauben schenken, dann scheint die Werler Burganlage mit der curtis dicta Aldehof in Verbindung zu stehen, altem gräflichen Besitz.[12]
5. Franz Josef Mehler zählt übrigens den Aldehof zu den äußeren Pfarrbezirken der Stadt Werl.[13] Die weitere Argumentation erfolgt unter Verwendung der Kartographie.
Die Reichsgut- und Wegenetzkarte für Westfalen im 9./10. Jahrhundert aus der Feder von Albert K. Hömberg in Kombination mit Google Maps lässt deutlich erkennen, dass nördlich von Werl ein Haupthof in der Scheidinger Gemarkung existiert, erreichbar über eine Nebenstraße des Hellweges (sogenannte Königsstraße)…ein Standortkomplex auf dem heutigen Wirtschaftsgelände von Haus Koeningen.[14]
Auffallend ist das Ergebnis nach der Kartenübereinanderlegung der Reichsgutkarte mit Google Maps. Es passt schon gut.
Ob es sich tatsächlich um das Präsidium des Sachsenherzogs Heinrich handelt, wissen wir ohne archäologische Untersuchungen nicht, passt aber zum Aldehof, zumal auf der untenstehenden Flurkarte vom Katasteramt Soest mit der Bezeichnung 1774-UR-02 wiederum in Kombination mit Google Maps auch die zugehörige Flurbezeichnung alter Hof nördlich von Haus Köningen markiert ist. Zufall oder nicht, es passt in das Gesamtbild. Auffallend, dass auf dieser Flurkarte ebenfalls der vielsagende Begriff Borg notiert ist.
Sind die Flurbezeichnungen und Haus Koeningen Überreste der curtis regia und damit Voraussetzungen für den Vogelherd? Die Suche muss nun vor Ort fortgesetzt werden.
Zugegeben, die Fischteiche sind ein gutes Argument für einen (königlichen) Wirtschaftshof. Heinrich ist Zeitgenosse der spätkarolingischen Ära, hier orientiert man sich in unterschiedlicher Ausprägung an der Capitulare de villis, einer Art Wirtschaftsanleitung für königliche Landgüter in der späten Karolingerzeit.[15] Fischspeisen sind Fastenspeisen, und der Adel wird sich diesem ernährungstechnischen Statussymbol gerade im steigenden Klerikalismus des Frühmittelalters nicht entziehen können. Die Anlegung von künstlichen Teichen ist im Binnenland zur Eigenfischversorgung nur folgerichtig, selbst in den Salzbachverzweigungen im Werler Norden dienen sie als Aufbewahrungsbecken. Vielmehr bleibt bei aller Bodenständigkeit Heinrichs dem (Werler) Burggrafen oder den Verwaltungsleuten vor Ort nicht übrig, da nach dem schriftlich fixierten Gewohnheitsrecht im Sachsenspiegel fließendes Gewässer für den gemeinen Bürger zugänglich ist, die Fischerei in ausgegrabenen Teichen hingegen unverhältnismäßig mit finanzieller Belastung bestraft wird…mittelalterliche Ständeausrichtung selbst im Fischereibetrieb.[16] Die Aussage von Dr. Kreucher ist da nur ein weiterer Baustein. Nun aber zum Vogelherd zurück, mit einigen Passagen aus dem Junggesellenlied des Naturdichters und Jägers Hermann Löns gesprochen und Verbindung geknüpft:
Fischen, Jagen und Vogelstellen
Das hält jung die Junggesellen;
(…)
Fisch und Vöglein fangen wir
In dem blauen und grünen Revier;
(…)[17]
Fortsetzung folgt…
[1] Vgl. hierzu Schoppmann, Hugo, Band 1, II. Teil, Die Flurnamen des Kreises Soest, Soest 1940, S. 161ff.
[2] Die Informationen ergaben sich aus dem Emailkontakt mit Dr. Kreucher, bezüglich meiner Anfrage zur Flurkartennummer 1792-UR-18.
[3] Vgl. hierzu Schoppmann, Hugo (Anmerkung 22), S. 165.
[4] Vgl. hierzu Schulze, Fritz, Heimatbuch der Gemeinde Flerke 1982, S. 72.
[5] Vgl. hierzu v. Papen, Franz, Der Wahrheit eine Gasse, München 1952, S. 14.
[6] Vgl. zum Geschichtsbild Himmlers die Aussagen in Höhne, Heinz, Der Orden unter dem Totenkopf, Die Geschichte der SS, Augsburg 1995, S. 145.
[7] Vgl. hierzu Mehler, Franz Josef, Geschichte der Stadt Werl, Werl 1891, S. 27f. und Seibertz, Johann Suibert, Urkundenbuch zur Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen, Erster Band, dritte Abtheilung, Geschichte des Landes und seiner Zustände, Dritter Theil, Arnsberg 1864, S. 172.
[8] Vgl. hierzu Viehweger, Wolfgang, Die Grafen von Westphalen, Münster 2003, S. 71ff.
[9] Vgl. hierzu Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, Band 21, 1861, S. 222.
[10] Vgl. hierzu Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark, Bände 11-12, Dortmund 1902, S. 237.
[11] Vgl. hierzu Mehler, Franz Josef (Anmerkung 27), S. 31.
[12] Vgl. hierzu Petri, Franz, Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Nordrhein/Westfalen Band 3, Stuttgart 1970, S. 768.
[13] Vgl. hierzu Mehler, Franz Josef (Anmerkung 31), S. 53.
[14] Vgl. hierzu Hömberg, Albert K., Westfälische Landesgeschichte, Münster 1967, Kartenmaterial und S.58ff.
[15] Vgl. zur Capitulare de villis Franz, Günther, Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter, Darmstadt 1974, S. 45.
[16] Vgl. hierzu Schott, Clausdieter (Hrsg.), Eike von Repgow, Der Sachsenspiegel, Zürich 1991, S. 120.
[17] Vgl. hierzu Löns, Hermann, Sämtliche Werke, Band 1, Leipzig 1924, S. 364.