Herr Heinrich sitzt am Vogelherd… nun auch auf Scheidinger Erd?

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Auf deutschem Boden sind so einige Nationaldenkmäler aufzulisten, die in unserer Zeit selten den aussagelosen und hintergrundarmen Tourismusmagneten überwinden, aber zum Zeitpunkt ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert bautechnische Spiegelbilder des nationalen Empfindens darstellen: das Barbarossadenkmal auf dem Kyffhäuserberg, das Deutsche Eck in Koblenz, der Cherusker bei Detmold, Kaiser Wilhelm I. an der Porta Westfalica oder die Walhalla bei Donaustauf sind sozusagen überregionale Ausdrucks- und Präsentationsformen einer alten Kulturnation mit Sendungsbewusstsein im jungen Nationalstaatsgewand des 19. Jahrhunderts.

Die mystischen und verklärenden Nationaldenkmäler besitzen in den Legenden einen literarischen Zwilling zur Wahrzeichensetzung einer nach Herkunft, Identität und Legitimation suchenden Nation. Die Neigung der Romanciers zur Ursprungsgeschichte eines Volkes oder die literarisch verpackte Stimmungslage der deutschsprachigen Bevölkerung im wenig geliebten Deutschen Bund kommen gerade in der Vogelherdballade von Johann Nepomuk Vogl 1835 zum Ausdruck. Bekannt und verbreitet ist das hier abgebildete Faksimile des Holzstiches von Hermann Vogel aus dem Jahr 1902, das sich der Vogelherdballade verpflichtet fühlt und nicht den historischen Begebenheiten, denn eine Antragung der deutschen Kaiserkrone gab es nicht. Ohnehin scheint dieses verklärende Geschichtsbild auf dem Holzstich noch letzte Atemzüge der Romanciers zu leisten, hilfreich sind die tausend Jahre Abstand auf der Zeitleiste nicht. Freilich, die deutliche Abgrenzung zwischen historischen Tatsachen und theatralischen Ergänzungsstücken ist kaum möglich im Sog eines werdenden Nationalbewusstseins mit wenig zielführender Quellenursprungslage. Die für Legenden typischen Wahrheitskerne an der Finkenherdgeschichte wie der Sachsenherzog Heinrich als historisch belegte Person oder die sich anbahnende Königskrönung in Fritzlar im Frühjahr 919 als historisch belegtes Hintergrundereignis können aber nicht zur Legende mutiert sein. Hier setzt die Arbeit an, denn nur die sich ändernden Rahmenbedingungen sind ursächlich zur Legendenbildung, und für den Sachsenherzog Heinrich heißt das speziell eine jahrhundertealte literarische Verklärung der Königswahlannahme in Zeitpunkt, Ort und Tätigkeit während der Wintermonate 918/919.

Was will nun die Arbeit aufzeigen, die einen Bearbeitungs – und Erkenntniszeitraum von Mai 2014 bis Oktober 2014 abdeckt? Der Ausgangspunkt der Betrachtungen kann nur der literarische Ausgangspunkt sein. Der Abstand auf der Zeitleiste zwischen dem Ereignis und den sich daran orientierenden Werken muss so gering wie möglich gehalten sein. Das Mittelalter sollte demnach nicht verlassen werden, um den verklärenden Anteil zu minimieren…eine methodische Herausforderung. Die in der Literatur verbürgten Elemente oder wenig Legendäres werden unter Nennung entsprechender Quellen aufgelistet. Der Beitrag ist um Ausgleich bemüht, denn im Anschluss an die verbürgten Elemente kommt man zu den eingebürgerten Elementen, die sich um den Standort in der Vogelherdlegende ranken…der zentrale Untersuchungsgegenstand in der Ausarbeitung. Hier wird sicherlich keine Ortspartei gut aussehen, und die Ortskandidaten Dinklar, Pöhlde oder Quedlinburg in Ostfalen werden auch nicht mit rigorosen und einseitigen Ablehnungsargumenten überhäuft, sondern müssen sich einer ausgewogenen Quellenkritik stellen, ergänzt um ein persönliches Aufsuchen der Standortkandidaten zur besseren Veranschaulichung.

Dieser Kritik hat sich denn auch der neue Finkenherdkandidat „Am Krummen Duike“ zu stellen, der im letzten Kapitel des Hauptteils die Hauptrolle spielt und den Titel des Projektes verständlich macht. Dieser Ort auf dem Besitz derer zu Papen-Koeningen in der Scheidinger Gemarkung nahe Werl will einen Platz in der Liste der Standortkandidaten zur Vogelherdlegende einnehmen. Die Arbeit zeigt den Werdegang auf zur Ausbildung dieser Standortthese unter Verwendung einschlägiger Literatur, ausgewogener Quellenkritik, des Flurkartenstudiums, einer Zeitzeugenbefragung bei mündlicher Überlieferung oder  beginnender Archäologie, wohlwissend, dass durch den für einen Historiker ungünstigen Quellenumstand unumstößliche Aussagen verwegen sind und der Freizeitarchäologe in Abhängigkeit vom Istzustand der Ausgrabung Beschränkungen in der Thesenbildung auferlegt bekommt. Vorweg, mit diesem Blickwinkel hat der neue Kandidat am Duike schon seinen berechtigten Diskussionsplatz.

                                                                                         Fortsetzung folgt…