Der Fund am l-förmigen (Fisch-)Teich war erst einmal notierungswürdig und auf der Fundpunktekarte der LWL-Archäologie Olpe auch schon notiert (schwarzes Kreuz).
Anfang September 2014 gab es dann diese Zusammenkunft mit Dr. Cichy in Begleitung einer Mitarbeiterin. Die durchgeführte Probeausgrabung vor Ort ergab denn auch im Ergebnis der Erstanalyse sehr alte Steinfundamentmauern aus teilweise rechteckig zugerichteten Grünsandsteinblöcken, die im freigelegten Bereich (eine Länge von um die 70 cm) eine Breite von bis zu 35 cm aufzeigten. Die Ergebnisse fanden ihren berechtigten Platz in der Fundpunktverwaltung, ausgestellt von Dr. Cichy.
Fundumstände: Fundmeldung von Samantha Seithe, daraufhin kleine Sondage mit Cichy und Grunwald; Wissenschaftlicher Bearbeiter: Dr. Eva Cichy
Ansprache: Fundament, Bruchstein, Br. 30-35 cm, L. freigelegt ca. 0,70 m, unvermörteltes Fundament aus teilweise rechteckig zugerichteten Grünsandsteinblöcken,Tiefe nicht vollständig erfasst, jedoch über 0,2 m noch in den Boden reichend, 0,35 m unter OK: 0,12 m humoser Oberboden, darunter mittelbrauner Schluff mit sehr wenig Holzkohleflitter und sehr wenig Keramik, Fundament in O-W-Richtung verlaufend. Von u-förmig angelegtem Teich umgeben. LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Olpe, In der Wüste 4, 57462 Olpe, Tel.: 02761 9375-0
Finder: Dr. Eva Cichy; Fundzeit: 04.09.2014; Fundmelder: Dr. Eva Cichy Fundumstände: Beim Anlegen der Sondage; Fundverbleib: LWL-Archäologie für Westfalen; Wissenschaftlicher Bearbeiter: Dr. Eva Cichy; Ansprache: RS mit dachförmig abgestrichenem Randabschluss, gelbe Irdenware mit grüner Bleiglasur, nach 1500; LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Olpe, In der Wüste 4, 57462 Olpe, Tel.: 02761 9375-0
Kurz durch das Dickicht, schon stand ich am L-Teich mit offenkundigen Aufwallungen an den Rändern versehen, weitgehend ausgetrocknet, an einzelnen Stellen eben mit diesen Fuchsbauten am Teichrand versehen und umringt von Buchen, Eschen, Pappeln oder Efeubewuchs.
Die Bäume selbst brachten keine weitere Erkenntnis, da gemessen am Baumumfang in einem Meter Höhe das Alter der Bäume nicht 150 Jahre überschritt (Faustformel für das Baumalter: Baumumfang × Altersfaktor je Baumart) …schlichtweg ein uninteressanter Punkt auf der Zeitleiste mit 1000 Jahren Abstand zum Interessenobjekt.
An einem der Fuchsbauteneingänge fand ich dann versteckt grünsandsteinähnlichen Gesteinsbrocken. Der Start begann ja vielversprechend. Ich musste mir auch hier nichts vormachen, denn ohne Bodenfund wären bei aller Argumentation der etwas unterschätzte Standortkandidat Pöhlde aus Niedersachsen mit dem Burgwall „König Heinrichs Vogelherd“ oder die Finkengasse im sachsen-anhaltinischen Quedlinburg in der „Rangliste“ der möglichen Aufenthaltsorte nicht einzuholen.[1]
Das altgediente Stecheisen spielte zunächst die Hauptrolle im Waldverschlag. Die Bodenverhältnisse kamen mir entgegen, und so konnte das Abstechen zügig umgesetzt werden.
Ob Zufall oder nicht, bereits nach wenigen Bewegungen mit dem Metalldetektor und anschließenden Probedurchstößen mit dem T-Eisen traf ich auf eine Steinansammlung inklusive roter Tonscherbe (möglich aus Überresten von Dachpfannen, die auch im Mittelalter als Baustoff Verwendung fanden, siehe Abbildung 10 unten) mit den GPS-Daten 51°34.824`N und 7°56.971`O.
Die Freude war etwas reserviert, denn nähere Informationen konnten nur durch nähere Begutachtungen erfolgen, und die Spielregeln bei begründeten Verdachtsfällen auf Bodenfunde waren mir aus vergangenen Archäologieprojekten bekannt: Der Spaten musste ruhen, die Außenstelle Olpe LWL-Archäologie in Westfalen wurde informiert und ein Besichtigungs- und Erstinspektionstermin unter zuständiger Aufsicht anvisiert.
Fortsetzung folgt…
[1] Vgl. hierzu die Broschüre des Niedersächsischen Landesverwaltungsamtes (Hrsg.), Pöhlde – Pfalz, Kloster und „König Heinrichs Vogelherd“, Hannover 1994. Es handelt sich deshalb um einen interessanten Kandidaten, da Teile der ausgegrabenen Fundamente in das 10. Jahrhundert datiert sind. Hinweis: Der klassische Standort Quedlinburg steht bei der Verortung nicht günstiger da. Quedlinburg selbst wird dem Namen nach 922 erstmals erwähnt ( „…; actum in villa quae dicitur Quitilingaburg;…“; vgl. hierzu Anmerkung 12, S. 42 ). Zugegeben, die namentliche Ersterwähnung ist verlockend, die Harzstadt muss aber als Dinklarersatz betrachtet werden, da Quedlinburg im Mittelalter nicht in Verbindung stand zum Vogelherd. Möglicherweise waren die Anmerkungen des Chronisten Sigebert von Gembloux später willkommener Bestandteil in Sammlungen zu Harzsagen, und damit gab es eine ausschmückende Verwurzelung mit dem Vogelherdstandort, obwohl der Tod Heinrichs 936 dort Ausgangspunkt war. Vgl. hierzu Pröhle, Heinrich, Unterharzische Sagen, Wernigerode 1855, S. 18. Manche Regionalliteratur der letzten Jahre verneint sogar den eigenen Standort in Quedlinburg. Vgl. hierzu Eisold, Norbert und Kühn, Peter, Quedlinburg, Rostock 2002, S. 7. Die Verklärungen der Romanciers im 19. Jahrhundert und der Heinrichskult bei den Nationalsozialisten stellen für die Aufklärung eine Bürde dar.
Klar, dass ich bei der Auskundschaftung der schon mehrfach genannten Flurstücke 46., 65. und 97. wenig überrascht war vom Anblick trockengelegter und offenbar in Vergessenheit geratener Teiche in kleinen Waldverschlägen entlang dem Krummen Duike bis zu den Ausläufern des Stuiwenkamp. Richtig, es gab nicht nur den auf der Flurkarte 1792-UR-18 in L-Form angelegten Teich, sondern den etwa 75 Meter davon entfernten „kleinen Vertreter“ mitten im Krummen Duike, flankiert von zwei zulaufenden Gräben.
Der mit Stecheisen und Metalldetektor bearbeitete Teichrand brachte keine verwertbaren Erkenntnisse zum Vorschein.
Vier Bohrkerne im Umfeld dieses Teiches brachten keinen Mehrwert. Lediglich die Entnahme und Auswertung eines Bohrkernes von 45 Zentimetern Tiefe am Teichboden war dahingehend interessant, dass kleine Muschelbruchstücke (weitgehend erst ab 17 cm Tiefe) in der siltigen und geruchlosen Schicht (9 cm bis 18 cm) unterhalb der modrigen und humushaltigen Ablagerungen (Teichboden bis 9 cm Tiefe) vorkamen.
Im Nachtrag muss natürlich noch Erwähnung finden, dass Stephan von Papen mir im Vorfeld freie Bahn bei den Untersuchungen zusicherte. Das war ein nicht selbstverständliches Entgegenkommen. Die Holzstückchen (19 cm bis 20 cm), die Eisenkonkretionen und der Löss-Lehm (26 cm bis 45 cm) konnten von mir jedoch ohne adäquate Altersbestimmung nicht in die Auswertung gebracht werden. Muscheln sprachen aber für Fische, und die Fische für die Fischteiche…passend zu den „Fischteich-Wiesen“.
Bevor es zum Teich mit der auffallenden L-Form ging, hatte ich zur Vollständigkeit noch die zwischen den Teichen liegende Ackerfläche (Randgebiete der Flurstücke 65. und 97.) nach Überresten abgesucht in den darauffolgenden Tagen. Kleiner Spaten, Handschuhe, Handfeger, Pinsel, Plastiktüten, der Metalldetektor und ein GPS-Gerät zur möglichen Fundstellendokumentation lagen im Archäologiekoffer griffbereit.
In der rechtsstehenden Abbildung liegt gerade ein Bohrkern zur Entnahme bereit aus dem kleinen Teich am „Krummen Duike“. Die Verwertung war aber – wie bereits erwähnt – nur hinsichtlich der Muschelreste interessant. Weitere Bohr- und Ausgrabungsaktionen am kleinen Teich blieben erfolglos oder waren nicht zwingend aussagekräftig. Eine klare Enttäuschung, aber…
Der Metalldetektor schlug zwar desöfteren an, aber Fehlausschläge oder metallische Belanglosigkeiten strapazierten die Geduld ungemein.
Mein treudienendes Stecheisen hatte zwar nicht ausgedient, aber auch hier „ging der Vogel nicht ins Netz“. War ich mit meiner rechteckigen Parzellierung der aufschließenden Ackerfläche dem Vogelsteller „auf den Leim gegangen“, um es mit der typischen Vogelstellersprache zu verbildlichen? Ich konnte mich hier selbst beruhigen, denn meine rechteckigen Parzellen von knapp 200 Quadratmetern waren mit Bindfäden und Holzpflöcken sauber abgesteckt worden, innerhalb der Parzellen wurde Diagonalen mit Bindfäden gezogen, und im Abstand von etwa 20 cm entlang diesen Bindfäden systematisch abgesteckt. Der Metalldetektor kam dabei überwiegend in den Dreiecksflächen zum Einsatz. Wenn größere Objekte aus vergangenen Tagen dort gelegen hätten, wären sie beim Abstecken zum Vorschein gekommen. Immerhin gab es einige Scherbenfunde zu vermelden, die später von der Außenstelle Olpe LWL-Archäologie in Westfalen in die mittelalterlich-frühneuzeitliche Epoche datiert wurden.
Gut, jeden Quadratzentimeter Ackerboden konnte ich so natürlich nicht durchsuchen, aber das eigentliche Anziehungsobjekt der Untersuchung lag ja im angrenzenden Waldverschlag.
Hatten hier Füchse, die ich bei meinen Stecheisenaktionen unregelmäßig beobachten konnte, und die mich vermutlich ebenso wahrnahmen, nicht etwas aus meiner Erinnerung gerufen? Ja, denn in einem vorab geführten Telefongespräch mit einem Familienmitglied derer von Papen-Koeningen kam man auch auf die zahlreichen Fuchsbauten am Krummen Duike nahe dem Stuiwenkamp zu sprechen.
Aus den Flurbezeichnungen des Vermessungsrates Hugo Schoppmann entnommen, liefert das Flurstück Am Krummen Duike den Hinweis auf den Vogelherd.[1]
Das Übereinanderlegen von Karten sichert Mindestmaß an Genauigkeit und Verwertbarkeit dieser Flurkarte. Die Flurkarte von Schoppmann passt dabei zur Flurkarte 1792-UR-18 aus dem Katasteramt Soest.
Das Flurstück Am Krummen Duike befindet sich westlich von Haus Koeningen in direkter Nachbarschaft zum heute weitgehend ausgerodeten Gehölz namens Stuiwenkamp oder Stufenkam und mit Ausläufern in den Müllers Kuhkamp.
Nach Rücksprache mit Dr. Kreucher vom Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen kann der winkelförmig angelegte Teich zwischen den Fluren 65. und 97. als Gräfte interpretiert werden. Interessant ist, dass nach Blick in das Güterverzeichnis für zumindest Teile der Flur 97. „Fischteich-Wiesen“ angegeben sind.[2] Ob die Flur Am Krummen Duike nun als Standortkomplex anzusehen ist oder auf einen Fixpunkt hinarbeitet, kann so noch nicht gesagt werden…weitere Informationen und Blickwinkel müssen nun folgen.
Zunächst gibt es den Exkurs in die Quellenselbstkritik, um das notwendige Übel der ausgewogenen Argumentation im Bemühen zu realisieren:
Die westfälische Variante des Vogelherdes beschränkt sich bisher nur auf einen vagen und wenig in der Literatur formulierten Standorthinweis.
Schoppmann (1940) und Schulze (1982) sprechen von Vogelherdaktivitäten Am Krummen Duike. schreibt Schoppmann noch ohne zeitlichen Bezug zum Vogelherd ( „…soll früher an dieser Stelle [Anmerkung: Am Krummen Duike] nahe dem alten ´Haus Köningen´, das ehemals sächsisches Königsgut war, ein Vogelherd gestanden haben, wo der Vogelfang betrieben wurde.“[3] ), erfolgt bei Schulze der Bezug auf Heinrich, durch die sächsische Königsgutvergangenheit bedingt:
„Eine Flurbezeichnung in der Feldmark Scheidingen ´Am krummen Duike´. Hier soll ein Vogelherd gestanden haben. (…), dass König Heinrich dort den Vogelfang betrieben hat, wenn er in Haus Köningen zu Besuch weilte.“[4]
Die Varianten sind facettenreich, berücksichtigt man noch die Aussagen in den Erinnerungen bei Franz von Papen (1952)[5], reicht die Interpretation vom Sachsenherzog Heinrich 918/919 über den König bis zur zeitlich unbestimmten Vogelherdaktivität.
Gut möglich, dass diese Abweichungen nicht bei den Verklärungen der Romanciers zu suchen, sondern im Geschichtsbewusstsein der Nationalsozialisten zu finden sind. König Heinrich regiert nicht nur von 919 bis 936, sondern auch in der Gestalt des Reichsführers SS Heinrich Himmler. Der übersteigerte Umgang des Reichsführers mit den Anfängen der Deutschen verbietet schon in Ansätzen ein Konkurrenzbild zur mystischen Heinrichsfeier in Quedlinburg unter selbstverständlicher
Vereinnahmung des legendären Vogelherdplatzes.[6] In diesem Klima bewegen sich Schoppmann und v. Papen, wobei der Letztgenannte nach 1945 auch mit persönlichen Ablehnungen durch die Entnazifizierungsdebatte und (Mit-)Täterfrage zu kämpfen hat…keine guten Voraussetzungen für die Etablierung eines westfälischen Vogelherdstandortes im Vorfeld der Königswahl vom Mai 919 in Fritzlar.
2. Die urkundliche Erwähnung von Haus Koeningen ist wenig hilfreich, da die ersten Erwähnungen aus dem 14. Jahrhundert stammen. Hilfreicher sind hier Überlegungen zur Pfalzstadt Werl, aber der Historikerstreit mit dem „Werla“ nördlich von Goslar schwebt im Hintergrund. Ein Anfang muss trotzdem gesetzt werden, und der Liudolfinger Heinrich hat nicht die schlechtesten Argumente. Nach dem westfälischem Geschichtsschreiber Johann Dietrich von Steinen flüchtet Heinrich 924 vor den Hunnen in die befestigte Burg Werl (civitas regia), die nach dem Geschichtsschreiber Johann Suibert Seibertz aus einem castrum der sächsischen Herzöge entspringt.[7] Diese Argumentation ist sinnvoll, da in der Geschichtswissenschaft ohnehin die Gründung einer Wehrburg am Hellweg in das beginnende 10. Jahrhundert gelegt wird im Rahmen der Abwehr feindlicher Ungarneinfälle und zum Schutz/zur Kontrolle der Salzquellen am Salzbach.[8]
Ob es sich bei Werl nach dem griechischen Kartographen Ptolemäus um das antike Arelatia handelt, wissen wir nicht, zeigt aber unabhängig von der Gründungsansiedlung die Existenz dieser Feste. Anmerkungen im Anhang. Das entscheidende Argument sind aber die Stammbesitzungen der Liudolfinger, zu denen eben auch Werl gehört. Dass die sächsischen Kaiser Reichstage im westlichen Westfalen abhalten, liegt im Wesentlichen in der Existenz von Stammbesitzungen und den damit auf Hausmacht ausgeübten Aufenthalten begründet.
Seine Vorfahren aus Herzfeld und die zweite Frau Mathilde tragen mit ihren landkräftigen Argumenten sicher auch zur regelmäßigen Präsenz des Herzogs bei. Heinrich ist im Werler Raum, und die Literatur erwähnt einen regelmäßigen Aufenthalt auf der curtis regia.[9]
Die schriftlichen Quellen liefern zum konkreten Aufenthalt Heinrichs oder zur Lage der curtis regia nichts, aber in einer Literatur sind königliche Besitzungen nördlich von Werl angesiedelt ( „…liegt nördlich vom Hellwege bei Werlaha…“[10] ). Kann man Franz von Papen Glauben schenken, dann liegen diese Gebiete als Teil des „Regum domus“ im Einzugsgebiet des Rittergutes Koeningen, auch villa ducalis oder königlicher Meierhof genannt.[11]
3. Die nebenstehende Flurkarte vom Tim-online.de zeigt noch einmal die geographische Nähe von Haus Koeningen zum Rhedum.
4. Kann man darüber hinaus dem Handbuch der historischen Stätten Deutschlands Glauben schenken, dann scheint die Werler Burganlage mit der curtis dicta Aldehof in Verbindung zu stehen, altem gräflichen Besitz.[12]
5. Franz Josef Mehler zählt übrigens den Aldehof zu den äußeren Pfarrbezirken der Stadt Werl.[13] Die weitere Argumentation erfolgt unter Verwendung der Kartographie.
Die Reichsgut- und Wegenetzkarte für Westfalen im 9./10. Jahrhundert aus der Feder von Albert K. Hömberg in Kombination mit Google Maps lässt deutlich erkennen, dass nördlich von Werl ein Haupthof in der Scheidinger Gemarkung existiert, erreichbar über eine Nebenstraße des Hellweges (sogenannte Königsstraße)…ein Standortkomplex auf dem heutigen Wirtschaftsgelände von Haus Koeningen.[14]
Auffallend ist das Ergebnis nach der Kartenübereinanderlegung der Reichsgutkarte mit Google Maps. Es passt schon gut.
Ob es sich tatsächlich um das Präsidium des Sachsenherzogs Heinrich handelt, wissen wir ohne archäologische Untersuchungen nicht, passt aber zum Aldehof, zumal auf der untenstehenden Flurkarte vom Katasteramt Soest mit der Bezeichnung 1774-UR-02 wiederum in Kombination mit Google Maps auch die zugehörige Flurbezeichnung alter Hof nördlich von Haus Köningen markiert ist. Zufall oder nicht, es passt in das Gesamtbild. Auffallend, dass auf dieser Flurkarte ebenfalls der vielsagende Begriff Borg notiert ist.
Sind die Flurbezeichnungen und Haus Koeningen Überreste der curtis regia und damit Voraussetzungen für den Vogelherd? Die Suche muss nun vor Ort fortgesetzt werden.
Zugegeben, die Fischteiche sind ein gutes Argument für einen (königlichen) Wirtschaftshof. Heinrich ist Zeitgenosse der spätkarolingischen Ära, hier orientiert man sich in unterschiedlicher Ausprägung an der Capitulare de villis, einer Art Wirtschaftsanleitung für königliche Landgüter in der späten Karolingerzeit.[15] Fischspeisen sind Fastenspeisen, und der Adel wird sich diesem ernährungstechnischen Statussymbol gerade im steigenden Klerikalismus des Frühmittelalters nicht entziehen können. Die Anlegung von künstlichen Teichen ist im Binnenland zur Eigenfischversorgung nur folgerichtig, selbst in den Salzbachverzweigungen im Werler Norden dienen sie als Aufbewahrungsbecken. Vielmehr bleibt bei aller Bodenständigkeit Heinrichs dem (Werler) Burggrafen oder den Verwaltungsleuten vor Ort nicht übrig, da nach dem schriftlich fixierten Gewohnheitsrecht im Sachsenspiegel fließendes Gewässer für den gemeinen Bürger zugänglich ist, die Fischerei in ausgegrabenen Teichen hingegen unverhältnismäßig mit finanzieller Belastung bestraft wird…mittelalterliche Ständeausrichtung selbst im Fischereibetrieb.[16] Die Aussage von Dr. Kreucher ist da nur ein weiterer Baustein. Nun aber zum Vogelherd zurück, mit einigen Passagen aus dem Junggesellenlied des Naturdichters und Jägers Hermann Löns gesprochen und Verbindung geknüpft:
[1] Vgl. hierzu Schoppmann, Hugo, Band 1, II. Teil, Die Flurnamen des Kreises Soest, Soest 1940, S. 161ff.
[2] Die Informationen ergaben sich aus dem Emailkontakt mit Dr. Kreucher, bezüglich meiner Anfrage zur Flurkartennummer 1792-UR-18.
[3] Vgl. hierzu Schoppmann, Hugo (Anmerkung 22), S. 165.
[4] Vgl. hierzu Schulze, Fritz, Heimatbuch der Gemeinde Flerke 1982, S. 72.
[5] Vgl. hierzu v. Papen, Franz, Der Wahrheit eine Gasse, München 1952, S. 14.
[6] Vgl. zum Geschichtsbild Himmlers die Aussagen in Höhne, Heinz, Der Orden unter dem Totenkopf, Die Geschichte der SS, Augsburg 1995, S. 145.
[7] Vgl. hierzu Mehler, Franz Josef, Geschichte der Stadt Werl, Werl 1891, S. 27f. und Seibertz, Johann Suibert, Urkundenbuch zur Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen, Erster Band, dritte Abtheilung, Geschichte des Landes und seiner Zustände, Dritter Theil, Arnsberg 1864, S. 172.
[8] Vgl. hierzu Viehweger, Wolfgang, Die Grafen von Westphalen, Münster 2003, S. 71ff.
[9] Vgl. hierzu Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, Band 21, 1861, S. 222.
[10] Vgl. hierzu Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark, Bände 11-12, Dortmund 1902, S. 237.
[11] Vgl. hierzu Mehler, Franz Josef (Anmerkung 27), S. 31.
[12] Vgl. hierzu Petri, Franz, Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Nordrhein/Westfalen Band 3, Stuttgart 1970, S. 768.
[13] Vgl. hierzu Mehler, Franz Josef (Anmerkung 31), S. 53.
[14] Vgl. hierzu Hömberg, Albert K., Westfälische Landesgeschichte, Münster 1967, Kartenmaterial und S.58ff.
[15] Vgl. zur Capitulare de villis Franz, Günther, Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter, Darmstadt 1974, S. 45.
[16] Vgl. hierzu Schott, Clausdieter (Hrsg.), Eike von Repgow, Der Sachsenspiegel, Zürich 1991, S. 120.
[17] Vgl. hierzu Löns, Hermann, Sämtliche Werke, Band 1, Leipzig 1924, S. 364.
Bisher läuft alles wenig legendär, vielmehr zum historischen Kern der Königswahl passend und wenig widersprüchlich ergänzend. So wie das untenstehende Voglermotiv der Grünsandsteinstatue aus dem Spätmittelalter in der Kunstsammlung des Regensburger Museums St. Ulrich[1] einen festen Standort hat, so unklar ist der Aufenthaltsort des Sachsenherzogs im Vorfeld der Königskrönung in Fritzlar im Mai 919. Ich stimme bedenkenlos Julius Mosen zu, der schon 1836 in seinem historischen Schauspiel Sachsen als Vogelstandort lokalisiert ( „Ich denk´ an meinen Vogelherd in Sachsen.“[2] ).
Jetzt beginnen aber die Schwierigkeiten. Was ist eigentlich mit Dinklar („…auf seinem Hofe Dinklar des Winters Rauhigkeit meidend…“) in den Pöhlder Annalen? Die Entfernung vom Hof Dinklar zum eigentlichen Jagdgebiet (vom Solling in Richtung Harz) ist zu groß für eine stundenweise Lieblingsbeschäftigung des Auceps. Hellmut Diwald äußert das schon in seiner Heinrichbiographie, und mein Eindruck in den Sommerferien 2014 in Dinklar vor Ort gibt da auch Anlass zum Zweifel.[3] In der Literatur hält sich dieser Ort nicht lange, denn schon im Lohengrin am Ende des 13. Jahrhunderts lässt sich eine scherzhafte Interpretation herauslesen.[4] Hinzu kommt, dass Bernward von Hildesheim Dinklar nicht für notierungswürdig hält, und dieser Bischof ist Zeitzeuge der letzten Liudolfinger. Dinklar verdanken wir es zumindest, dass wir unseren Finkler haben.[5] Nicht ohne Grund erscheint Dinklar in späterer Zeit nicht mehr. Gut möglich, dass in den Pöhlder Annalen ein eigentlich für den adligen Status unpassender Zeitvertreib namens Vogeljagd eine Ausschmückung erhält, um dem 1180 entmachteten Löwen aus Braunschweig einen besseren Leumund auszustellen gegenüber Barbarossa: Bodenhaftung, Bezug zur Basis, tiefe Verwurzelung mit dem Fahnenlehen im Sachsenland und Traditionspflege bis zur Geburtsstunde des Deutschen Reiches.
Quedlinburg steht nicht besser da, obwohl schon eher mit dem Vogelherdstandort in Verbindung gebracht. Die Harzstadt aus Sachsen-Anhalt lässt daher auch verständlich den touristischen Magneten nicht außen vor. Quedlinburg selbst wird dem Namen nach 922 erstmals erwähnt ( „…;actum in villa quae dicitur Quitilingaburg; in dei nomine feliciter amen.“[6] ). Zugegeben, die namentliche Ersterwähnung ist verlockend für den Standort, kann aber als Dinklarersatz betrachtet werden, da Quedlinburg im Mittelalter nicht in Verbindung steht zum Vogelherd. Möglicherweise sind die Anmerkungen des Sigebert von Gembloux ( „Mons, ubi postea rex Henricus sepultus est, flammas multis in locis evomebat.“[7] ) später willkommener Bestandteil in Sammlungen zu Harzsagen, und damit gibt es eine ausschmückende Verwurzelung mit dem Vogelherdstandort, obwohl der Tod Heinrichs 936 hier Ausgangspunkt ist:
„Nach dieser Zeit, ungefehr A. 928 hat Kaiser Henrich das Stifft und die Stadt zu bauen angefangen, welche er aber nicht ausführen können, da er A. 936 zu Memmleben an der Unstrut gestorben, und allhie zu Quedlinburg in S. Petri oder Servatii Kirche begraben worden, und schreibt der Mönch Sigebertus, daß der Berg, worauf er begraben worden, hernach von allen Seiten feurige Flammen von sich gegeben, darum auch seine Witwe Mathildis nach seinem Tode nicht nur viel arme Leute speisen, sondern auch den Vögeln unter dem Himmel täglich ihr Futter geben lassen, vermeynend, ihm dadurch desto leichter die Vergebung seiner Sünde zu wege zu bringen;…“[8]
Wir wissen es nicht, und die Quedlinburger besitzen seit der frühen Neuzeit eben gekonnte Strategien bei der Fokussierung und Vermarktung des Vogelherdstandortes…die passenden Zeiträume abgepasst zum Auffüllen des Vakuums nach dem Wegfall des ersterwähnten Dinklar. Auffallend jedoch, dass bei meinen Standortbesuchen ein klares Bekenntnis stets fehlt.
Ob ein Buchladenbesitzer am Finkenherd inQuedlinburg, Einheimische ohne Kenntnis von der Vogelherdlegende in Dinklar oder Anwesende am Burgwall König Heinrichs Vogelherd auf dem Pfalzgelände der Wallburg Pöhlde. Der Grundtenor ist immer identisch: „Der Sage nach…“, „Keine Bestätigung, dass…“ oder „Die Ausgrabungsergebnisse zeigen so nicht…“ sind Aussagen, die letztlich die unsichere Quellenlage zur spätkarolingischen Epoche auf sächsischem Boden dokumentieren. Manche Regionalliteratur der letzten Jahre verneint sogar den eigenen Standort.[9] Archäologisch ist in der Tat nur die Wallburg Pöhlde interessant, da die dortigen Fundstücke bei den jeweiligen Ausgrabungen in das Frühmittelalter hineindatiert werden können…Art und Umfang des liudolfischen Herrschaftsbesitzes sind daraus nicht zu schließen, geschweige denn Aufenthaltsorte der sächsischen Herzöge. Standortbetrachtungen bleiben so ein historischer Segen und archäologischer Fluch, eine nicht unschwierige Argumentationsbasis für den nun folgenden Standortkandidaten aus der Scheidinger Gemarkung im Westfalenland.
Fortsetzung folgt…
[1] Vgl. hierzu Diwald, Hellmut, Heinrich der Erste, Bergisch Gladbach 1987, Bildmotive zwischen den Seiten 290 und 291.
[2] Vgl. hierzu Mosen, Julius, Heinrich der Finkler, König der Deutschen: ein historisches Schauspiel in fünf Acten, Leipzig 1836, S. 129.
[3] Vgl. hierzu Diwald, Helmut (Anmerkung 13), S. 289. In den Sommerferien 2014 gab es eine Bildungsreise zu den bekanntesten Vogelherdstandorten im alten Sachsenland. Neben Dinklar zählten auch Pöhlde und Quedlinburg dazu. In den entsprechenden Passagen der Arbeit werden die Erfahrungseindrücke thematisiert.
[4] Vgl. hierzu Rückert, Heinrich, Lohengrin, Zum Erstenmale kritisch herausgegeben und mit kritischen Anmerkungen versehen, Quedlinburg und Leipzig 1858, S. 85.
[5]Vgl. hierzu Pertz, Georg Heinrich u. a. (Hrsg.), Vita Bernwardi episcopi Hildesheimensis auctore Thangmaro, in Scriptores (in Folio) 4: Annales, chronica et historiae aevi Carolini et Saxonici, Hannover 1841, S. 754–782 und Nachrichten von der Georg-Augusts-Universität und der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Göttingen 1856, S. 103.
[6] Vgl. hierzu Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde (Hrsg.),, in: (Anmerkung 12), S. 42.
[7] Sigeberti Gemblacensis chronica cum continuationibus. in: Pertz, Georg Heinrich u. a. (Hrsg.): Scriptores (in Folio) 6: Chronica et annales aevi Salici. Hannover 1844, S. 347.
Erstmals findet die Vogelherdlegende eine literarische Erwähnung in den Jahrbüchern von Pöhlde aus dem 12. Jahrhundert, in denen der Sachsenherzog Heinrich passenderweise den Beinamen „der Vogler“ davonträgt.
Schauen wir uns diesen literarischen Ausgangspunkt näher an[1]:
Dass die Liudolfinger in der karolingischen Tradition stehen, geht nicht nur aus der Namensnennung Karls [des Großen][2] und dem Thron zu Aachen hervor, sondern findet auch in der Jagdbetätigung Heinrichs seinen Ausdruck. Karolinger und die in ihrem Erbe stehenden Liudolfinger sind begeisterte Jäger, Heinrich sagt man sogar eine gewisse Obsession bei der Wilderlegung nach ( „In venatione tam acerrimus erat, ut…“ ).[3]
Heinrichs Wesen ist von schlichtem und einfachem Gemüt, sein Standesdünkel gering ausgeprägt, mit dem Beinamen „der Vogler“ charakterisiert man Heinrich treffend, denn die Vogeljagd ist zu dieser Zeit den niederen Ständen vorbehalten, und die in den Pöhlder Annalen erwähnten Knaben gehören dazu. Ob es sich bei den „lustigen Knaben“ tatsächlich um seine eigenen Söhne Thankmar und Otto handelt, wissen wir nicht mehr, scheint nach den Worten Eike von Repgows in der sächsischen Weltchronik aber nicht ganz ausgeschlossen zu sein ( „…Dit is Heinric de Vogelere geheten, wande he to Vinkelere ward vunden, do he van den vorsten gekoren ward; do vogelede he mit sinen kinden.“ ).[4] Unabhängig von Anzahl oder Verwandtschaftsgrad der genannten Kinder passt es zum Vogler mit Familiensinn und zur standesunabhängigen Bodenhaftung, ein elitärer Herzog ist Heinrich nicht. Treffend für die Nachwelt, wenn auch mit persönlicher Note behaftet im Krönungsjahr 919, die Aussagen der Dichterin Roswitha von Gandersheim aus dem 10. Jahrhundert in den Gesta Oddonis:
„Ad claram gentem Saxonum, nomen habentem
„A saxo per duriciam mentis bene firmam,
„Filius Oddonis magni ducis et venerandi,
„Scilicet Henricus, suscepit regia primus
„Fausto pro populo moderamine sceptra gerenda.”[5]
Es ist ein bekannter Wesenszug, und der Vogler ist vor Aufsetzen der Pöhlder Annalen schon bekannt und wenig erklärungsbedürftig, denn um 1150 gibt es schon in der Reichschronik vom Annalista Saxo ohne Notwendigkeit einer Beinamenbeschreibung den „ Auceps “…eben den Vogelfänger ( „Ita Heinricus, cognomento Auceps, communi…“[6] ). In einigen Abwandlungen zur Vogelherdlegende gibt es sogar ein „Entschuldigungsmoment für den Vogler“, ein Indiz, dass die Vogelherdtätigkeit vor Ort bei Ankunft der Abordnung tatsächlich ausgeführt wird, und die Ehefrau Mathilde versucht noch die „Lage zu retten“ ohne Verlust der Auctoritas.[7]
Die Abordnung („…wurde er von den Fürsten gefunden…“) zum Sachsenherzog Heinrich, um den Liudolfinger die Königskrone anzubieten, darf hingegen als belegt angesehen werden, obwohl der Wert der schriftlichen Belege zur Ereignisgeschichte des beginnenden 10. Jahrhunderts kritisiert werden kann. Die wesentlichen Autoren der erzählenden Quellen zu dieser spätostfränkischen Epoche wie Widukind von Corvey ( „Ut ergo rex imperarat, Evurhardus adiit Heinricum seque cum omnibus thesauris illi tradidit,…“[8] ), Adalbert von Magdeburg ( „Sed et Heinricum Saxonum ducem, filium Ottonis, virum strennuum…“[9] ) oder Liutprand von Cremona im liber antapodeseos ( „Heinricum, Saxonum et Turingiorum ducem prudentissimum, regem eligite, dominum constituite.“[10] ) berichten von dieser Gesandtschaft zum Sachsenherzog Heinrich um die Jahreswende 918/919. Die Voglerlegende enthält auch in der Abordnung ein verbürgtes Element, das sich aber trotz der zeitlichen Nähe zum Ereignis einer berechtigten Quellenkritik unterziehen muss.
Der „Historiograph“ Widukind, der „Hofgünstling“ Adalbert oder der „Memoirenschreiber“ Liutprand haben mit ihrer auffallenden (und nachvollziehbaren!) Nähe zum sächsischen Herrscherhaus sicher Schwächen bei der sachgerechten Auflistung einer Ereignisgeschichte mit ausgewogener Bewertung. Die Sprachkultur des 10. Jahrhunderts, in der das gesprochene Wort dem Wort in Schrift überlegen ist, begünstigt natürlich auch Veränderungen in der mündlichen Überlieferung. Die tatsächlichen Abläufe können mit dieser Gedächtniskultur für die Nachwelt schon nach wenigen Jahren durchaus verändert schriftlich abgefasst sein. Das ist nicht ausgeschlossen, bedeutet aber keine automatische Entwertung der ottonischen Geschichtsschreibung. Eine Erfindungsgeschichte kann nicht nach Belieben produziert werden für die nachfolgenden Generationen, zumal bei der Entstehung der Sachsengeschichte von Widukind noch Zeitzeugen aus der Ära des Sachsenherzogs leben und damit den Herbeidichtungen ottonischer Historiographie natürliche Grenzen gesetzt sind im Personenverbandsstaat.[11] Das ist Segen und Fluch zugleich für die Standortfrage nach dem Vogelherd. Der geringe Bestand an dokumentarischen Quellen lässt eine Rekonstruktion der Aufenthaltsorte im Winter 918/919 nach aktueller Quellenlage nicht zu. Die für diese Zeit maßgebliche Sickelsche Edition[12] der Urkundensammlung kann in einer ohnehin an schriftlichen Quellen armen Zeitepoche indirekte Rückschlüsse über Itenerarkarten nicht liefern. Dazu und zu den Standortbetrachtungen aber mehr in den nächsten Kapiteln.
Fortsetzung folgt…
[1] Vgl. hierzu Winkelmann, Eduard, Die Jahrbücher von Pöhlde, Berlin 1863, S. 10.
[2] Anmerkung der Verfasserin der Arbeit zur Identifizierung des Personennamens. Übrigens kann auch in der bekannten Ballade „Heinrich der Vogler“ von Johann Nepomuk Vogl aus dem Jahre 1835 mit `Hoch lebe Kaiser Heinrich!´ ein Bezug zum karolingischen Erbe nachgelesen werden. Die Ballade aus der Wiener Spätromantik bildet aber nicht den Ausgangspunkt der Arbeit, da die Verklärung und Theatralik von Werken aus dieser Zeit epochentypisch von stärkerer Natur sind. Vgl. zum Balladentext Vogl, Johann Nepomuk, Balladen und Romanzen, Wien 1835, S. 1-2.
[3] Vgl. hierzu Fenske, Lutz, Jagd und Jäger im früheren Mittelalter, Aspekte ihres Verhältnisses, in: Rösener, Werner (Hrsg.), Jagd und höfische Kultur im Mittelalter, Göttingen 1997, S. 90 und Hirsch, Paulus (Hrsg.), Widukindi monachi corbeiensis, rerum gestarum saxonicarum libri tres, Hannover 1935, S. 58f.
[4] Vgl. hierzu Weiland, Ludwig (Hrsg.), Sächsische Weltchronik, Hannover 1877, S. 160.
[5] Vgl. hierzu Pertz, Georg Heinrich u. a. (Hrsg.), Hrotsuithae Gesta Oddonis, in Scriptores (in Folio) 4: Annales, chronica et historiae aevi Carolini et Saxonici, Hannover 1841, S. 319.
[6] Vgl. hierzu Pertz, Georg Heinrich u. a. (Hrsg.), Annalista Saxo, in Scriptores (in Folio) 6: Chronica et annales aevi Salici, Hannover 1844, S. 594.
[7] Vgl. hierzu Fried, Johannes, Kaiser Friedrich II. als Jäger, in Rösener, Werner (Anmerkung 3), S. 149.
[8] Vgl. hierzu Bauer, Albert und Rau, Reinhold, Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit, in: Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe Band VIII, Darmstadt 1971, S. 56.
[11]Vgl. zu den grundlegenden Problemen der oralen Kultur des 10. Jahrhunderts die Standardausführungen von Giese, Wolfgang, Heinrich I. Begründer der ottonischen Herrschaft, Darmstadt 2008, S.11ff. und zur Geschichtskontroverse über die Wertigkeit der Quellen Fried, Johannes, Die Königserhebung Heinrichs I. Erinnerung, Mündlichkeit und Traditionsbildung im 10. Jahrhundert, in: Borgolte, Michael (Hrsg.), Mittelalterforschung nach der Wende, München 1995, S. 273ff. und Althoff, Gerd, Geschichtsschreibung in einer oralen Gesellschaft. Das Beispiel des 10. Jahrhunderts, in: Althoff, Gerd, Inszenierte Herrschaft, Geschichtsschreibung und politisches Handeln im Mittelalter, Darmstadt 2003, S. 108ff. Die im Vorfeld erwähnte Roswitha von Gandersheim ist selbstverständlich in diese Quellenkritik einzubeziehen.
[12]Vgl. hierzu Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde (Hrsg.), Band 1:Die Urkunden Konrad I., Heinrich I. und Otto I., Hannover 1879-1884, S. 39-79.
Auf deutschem Boden sind so einige Nationaldenkmäler aufzulisten, die in unserer Zeit selten den aussagelosen und hintergrundarmen Tourismusmagneten überwinden, aber zum Zeitpunkt ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert bautechnische Spiegelbilder des nationalen Empfindens darstellen: das Barbarossadenkmal auf dem Kyffhäuserberg, das Deutsche Eck in Koblenz, der Cherusker bei Detmold, Kaiser Wilhelm I. an der Porta Westfalica oder die Walhalla bei Donaustauf sind sozusagen überregionale Ausdrucks- und Präsentationsformen einer alten Kulturnation mit Sendungsbewusstsein im jungen Nationalstaatsgewand des 19. Jahrhunderts.
Die mystischen und verklärenden Nationaldenkmäler besitzen in den Legenden einen literarischen Zwilling zur Wahrzeichensetzung einer nach Herkunft, Identität und Legitimation suchenden Nation. Die Neigung der Romanciers zur Ursprungsgeschichte eines Volkes oder die literarisch verpackte Stimmungslage der deutschsprachigen Bevölkerung im wenig geliebten Deutschen Bund kommen gerade in der Vogelherdballade von Johann Nepomuk Vogl 1835 zum Ausdruck. Bekannt und verbreitet ist das hier abgebildete Faksimile des Holzstiches von Hermann Vogel aus dem Jahr 1902, das sich der Vogelherdballade verpflichtet fühlt und nicht den historischen Begebenheiten, denn eine Antragung der deutschen Kaiserkrone gab es nicht. Ohnehin scheint dieses verklärende Geschichtsbild auf dem Holzstich noch letzte Atemzüge der Romanciers zu leisten, hilfreich sind die tausend Jahre Abstand auf der Zeitleiste nicht. Freilich, die deutliche Abgrenzung zwischen historischen Tatsachen und theatralischen Ergänzungsstücken ist kaum möglich im Sog eines werdenden Nationalbewusstseins mit wenig zielführender Quellenursprungslage. Die für Legenden typischen Wahrheitskerne an der Finkenherdgeschichte wie der Sachsenherzog Heinrich als historisch belegte Person oder die sich anbahnende Königskrönung in Fritzlar im Frühjahr 919 als historisch belegtes Hintergrundereignis können aber nicht zur Legende mutiert sein. Hier setzt die Arbeit an, denn nur die sich ändernden Rahmenbedingungen sind ursächlich zur Legendenbildung, und für den Sachsenherzog Heinrich heißt das speziell eine jahrhundertealte literarische Verklärung der Königswahlannahme in Zeitpunkt, Ort und Tätigkeit während der Wintermonate 918/919.
Was will nun die Arbeit aufzeigen, die einen Bearbeitungs – und Erkenntniszeitraum von Mai 2014 bis Oktober 2014 abdeckt? Der Ausgangspunkt der Betrachtungen kann nur der literarische Ausgangspunkt sein. Der Abstand auf der Zeitleiste zwischen dem Ereignis und den sich daran orientierenden Werken muss so gering wie möglich gehalten sein. Das Mittelalter sollte demnach nicht verlassen werden, um den verklärenden Anteil zu minimieren…eine methodische Herausforderung. Die in der Literatur verbürgten Elemente oder wenig Legendäres werden unter Nennung entsprechender Quellen aufgelistet. Der Beitrag ist um Ausgleich bemüht, denn im Anschluss an die verbürgten Elemente kommt man zu den eingebürgerten Elementen, die sich um den Standort in der Vogelherdlegende ranken…der zentrale Untersuchungsgegenstand in der Ausarbeitung. Hier wird sicherlich keine Ortspartei gut aussehen, und die Ortskandidaten Dinklar, Pöhlde oder Quedlinburg in Ostfalen werden auch nicht mit rigorosen und einseitigen Ablehnungsargumenten überhäuft, sondern müssen sich einer ausgewogenen Quellenkritik stellen, ergänzt um ein persönliches Aufsuchen der Standortkandidaten zur besseren Veranschaulichung.
Dieser Kritik hat sich denn auch der neue Finkenherdkandidat „Am Krummen Duike“ zu stellen, der im letzten Kapitel des Hauptteils die Hauptrolle spielt und den Titel des Projektes verständlich macht. Dieser Ort auf dem Besitz derer zu Papen-Koeningen in der Scheidinger Gemarkung nahe Werl will einen Platz in der Liste der Standortkandidaten zur Vogelherdlegende einnehmen. Die Arbeit zeigt den Werdegang auf zur Ausbildung dieser Standortthese unter Verwendung einschlägiger Literatur, ausgewogener Quellenkritik, des Flurkartenstudiums, einer Zeitzeugenbefragung bei mündlicher Überlieferung oder beginnender Archäologie, wohlwissend, dass durch den für einen Historiker ungünstigen Quellenumstand unumstößliche Aussagen verwegen sind und der Freizeitarchäologe in Abhängigkeit vom Istzustand der Ausgrabung Beschränkungen in der Thesenbildung auferlegt bekommt. Vorweg, mit diesem Blickwinkel hat der neue Kandidat am Duike schon seinen berechtigten Diskussionsplatz.
Fortsetzung folgt…
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